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Wärmeversorgung 30.06.2022, 10:01 Uhr

Komplexes Hybrid-System für Familienzentrum

In der niedersächsischen Gemeinde Apen wurde eine alte Grundschule zu einem Familienzentrum umfunktioniert. Das schloss auch einen Neubau ein, der die beiden Bestandsgebäude in Form eines Zwischenbaus nun zu einer Einheit verbindet. Eine der besonderen Herausforderungen aus Sicht der neu zu gestaltenden Wärmeversorgung war, die unterschiedlichen Systemtemperaturen des Alt- und Neubaus über eine Technikzentrale zu bedienen.

Augustfehn II: Ehemals eine Grundschule, nun ein Familienzentrum mit Kindergarten- und Kinderkrippengruppen. Der Neubau eines Zwischenbaus verbindet die beiden zuvor eigenständigen Gebäude. Foto: Ev.-luth. Kirchengemeinde Apen

Augustfehn II: Ehemals eine Grundschule, nun ein Familienzentrum mit Kindergarten- und Kinderkrippengruppen. Der Neubau eines Zwischenbaus verbindet die beiden zuvor eigenständigen Gebäude.

Foto: Ev.-luth. Kirchengemeinde Apen

Im August 2018 schloss die Grundschule Augustfehn II ihre Pforten und öffnete somit die Türen für eine neue Chance – das evangelische Familienzentrum Augustfehn II. Träger ist die Ev.-luth. Kirchengemeinde Apen. Aus pädagogischer Sicht ist zudem bedeutsam, dass hier nach dem Early-Excellenz-Ansatz gearbeitet wird. „Dieses pädagogische Konzept bedeutet, dass jedes Kind als einzigartig angesehen wird, weil es besondere Potenziale besitzt. Diese gilt es zu erkennen und zu fördern. Weiter geht es davon aus, dass die Eltern die Experten ihrer Kinder sind“, erläutert Zentrumsleiterin Nicole Janßen. Das Familienzentrum geht diesen Weg konsequent, indem es sich auf die komplette Familie bezieht: „Wir bieten zusätzlich zu der Betreuung auch noch Angebote nach Hilfe der ,fünf B’s‘: Bildung, Beratung, Begleitung und Begegnung, immer im Zusammenhang zur Familie“, so Janßen. Es ist ein pädagogisches Projekt von regionaler Strahlkraft, und das ist es auch technisch gesehen.

Neuausrichtung mit individueller Konzeption

Der Grundstein für das Familienzentrum wurde mit der Fertigstellung eines Zwischenbaus im Jahr 2020 gelegt, der die beiden sich gegenüberliegenden alten Bestandsgebäude (Baujahr 2001) der ehemaligen Schule nun verbindet. Darüber sind rund 1 200 Quadratmeter mehr Nutzfläche entstanden. Im Zuge des Projekts wurde auch eine neue, zentralisierte Wärmeversorgung konzipiert, die auf einem Hybridsystem aus Luft-/Wasser-Wärmepumpe in Verbindung mit einem Gas-Brennwertkessel basiert (vorher Niedertemperatur). Die Wärme wird über eine Fußbodenheizung mit fünf Heizkreisverteilern sichergestellt. Da der vorhandene Estrichbelag aus Kostengründen erhalten werden sollte, wurden für die benötigten FBH-Rohre Schlitze in den Estrich eingefräst. Die Regelung der einzelnen Räume wurde durch Einzelraumthermostate gelöst. Außerdem wurden neun neue Flachheizkörper an den Stellen verbaut, wo sich alte Radiatoren befanden (Verwaltungsräume, Frühstücksraum).

Herausforderung für die Neugestaltung: Es galt, verschiedene Systemtemperaturen zu bedienen, die untereinander stark variieren.

Foto: Brötje

„Die besondere Herausforderung aus TGA- und SHK-Sicht war, den Altbau und Neubau mit einer Technikzentrale zu versorgen. Die Systemtemperaturen von beiden Gebäudeteilen sind stark unterschiedlich (Heizkreise Fußbodenheizung Neubau mit 35/28 und Altbau 45/35 im Einsatz, die Heizkörper mit 55/45). Außerdem sollten große Teile der Anlagentechnik in Form vorhandener Heizkreise im Altbau wieder weiter genutzt werden“, berichtet Daniel Norder, Key Account Manager beim Heizungstechnikhersteller Brötje, der Augustfehn II in der gebäudetechnischen Auslegung und der Umsetzung begleitete. Das Hydraulikschema ist entsprechend aufwendig. „Es kombiniert den Altbau und Neubau. Hier mussten Hochtemperatur- und Niedertemperaturkreise getrennt und kombinierbar sein. Das Schema wurde daher mit Brötje zusammen entworfen und später mit einem Regelungsschema ergänzt“, fügt Jan-Dieter Hedemann hinzu, der das Projekt als TGA-Fachplaner begleitet hat.

Hybrid I: Blick auf die Wärmepumpe

Verbaut wurde die Luft-/Wasser-Wärmepumpe BLW Neo 18 (Monoblock). Diese Wärmepumpe gibt es in drei Heizleistungsgrößen: Acht, zwölf und 18 Kilowatt. Mit zwei im Verbund arbeitenden Wärmetauschern gewinnt sie aus dem Kältekreislauf je nach Modulation drei bis fünf Prozent zusätzliche Energie und erreicht einen COP von über 4,25 bei A2/W35. Gewählt wurde sie auch, weil sie besonders leise arbeitet. Dies ist wichtig, da in der Krippe auch kleinste Kinder betreut werden, die tagsüber ihre Ruhezeiten benötigen. Der Schallleistungspegel (bei A7/W55 nach EN 12102) beträgt bei der Neo 18 maximal 51 dB(A).

Hybrid II: Blick auf die Brennwerttechnik

Auf der Gaskesselseite wurde ein WGB 90 I verbaut. Es handelt sich um ein Brennwert-Wandgerät, das im Leistungsbereich von 20 bis 90 Kilowatt agiert.

Mehrteilige Lösung: Der Gas-Brennwertkessel ist Bestandteil der gewählten Hybrid-Kombination. Die zweite Komponente ist eine Luft-/Wasser-Wärmepumpe.

Foto: Brötje

Die Nennwärmeleistung von 90 Kilowatt erscheint auf den ersten Blick in diesem Projekt recht hoch, doch Daniel Norder begründet das damit, dass diese Dimension nur aufgrund der Warmwasserversorgung gewählt wurde und die Wärmepumpe mindestens 60 % der Heizlast abdecken soll. Höhere Vorlauftemperaturen sowie die Trinkwassererwärmung werden in der hier beschriebenen Hybridanlage vornehmlich durch das Gas-Brennwertgerät erzeugt.

Wie gepuffert wird

In das System wurden zwei Pufferspeicher integriert: Ein Pufferspeicher vom Typ Cosmo CPS 200 (hochtemperiert mit 70 °C) ohne Wärmetauscher à 200 Liter für die Frischwasserstation DWM 35 und das Durchlaufwarmwassermodul DWM 35 C, für den Altbau (Der Anbau wurde mit einem elektrischen Warmwasserspeicher ausgestattet).

Unabhängige Wärmeversorgung: Das Speichersystem besteht aus zwei Pufferspeichern (im Bild der zentrale Speicher für die Heizung).

Foto: Brötje

Außerdem ein Pufferspeicher mit 500 Liter Volumen vom Typ CPS 500 für die Heizungsanlage. Die Warmwasserversorgung für den Bestandsbau wird über einen elektronischen Warmwasserspeicher sichergestellt, da hier nur ein geringer Warmwasserbedarf abzudecken war und es energetisch keinen Sinn ergab, hierfür hohe Wassertemperaturen durchs Gebäude zu leiten.

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Von Brötje/ Marc Daniel Schmelzer