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Digitale Tools 09.08.2021, 09:00 Uhr

GESTIS-Stoffenmanager®: Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung und nichtmesstechnischen Expositionsermittlung

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung von Gefahrstoffen muss entschieden werden, ob die Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten in einem Arbeitsbereich ausreichen oder nicht.

Bild 1 Das Onlinetool GESTIS-Stoffenmanager® unterstützt Unternehmen und Unfallversicherungsträger bei der Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Grafik: DGUV

Bild 1 Das Onlinetool GESTIS-Stoffenmanager® unterstützt Unternehmen und Unfallversicherungsträger bei der Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Grafik: DGUV

GESTIS-Stoffenmanager® (GESTIS: Gefahrstoffinformationssystem) ist ein Onlinetool zur Unterstützung der Gefährdungsbeurteilung und für die nicht­messtechnische, quantitative Abschätzung der inhalativen Exposition von Beschäftigten bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen (vgl. Bild 1).

GESTIS-Stoffenmanager® ist die deutsch- und englischsprachige GESTIS-Version des internationalen Onlinetools Stoffenmanager®. Vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) wird es in Zusammenarbeit mit der Fa. Cosanta BV kostenlos im Internet angeboten, gepflegt und weiterentwickelt. Die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 400 [1] empfiehlt GESTIS-Stoffenmanager® als Informationsquelle zur Gefährdungsbeurteilung, und in der TRGS 402 [2] werden nichtmesstechnische Verfahren als bevorzugte Methode zur Expositionsermittlung genannt.

Qualitative Gefährdungspriorisierung mit GESTIS-Stoffenmanager

Mit einer qualitativen Gefährdungspriorisierung lassen sich gefahrstoffbedingte Gesundheitsgefährdungen ermitteln und priorisieren. Sie hilft außerdem bei der Festlegung wirksamer Schutzmaßnahmen. Hierzu wird die Gefährlichkeit der Produkte über die H-Sätze (Hazard Statements) aus dem Sicherheitsdatenblatt ermittelt und als Gefährlichkeitskategorie ausgegeben. Das intrinsische Gefahrenniveau verschiedener Produkte kann so direkt verglichen werden. Aus der Gefährlichkeitskategorie und einer von GESTIS-Stoffenmanager® abgeschätzten Expositionskategorie für die Tätigkeit resultiert eine Prioritätsstufe. Diese visualisiert die Gesundheitsrisiken und die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs an verschiedenen Arbeitsplätzen in grün, orange oder rot. Die Gefährdungspriorisierung ist für die inhalative und die dermale Exposition gegenüber Gefahrstoffen möglich und bietet einen Einstieg in die Gefährdungsbeurteilung, insbesondere bei Stoffen, für die keine Grenzwerte oder Messverfahren vorliegen. Hilfreich ist sie auch, wenn viele Arbeitsplätze überprüft und priorisiert werden müssen.

Quantitative nicht­messtechnische Expositionsermittlung mit GESTIS-Stoffenmanager®

Die quantitative Expositionsabschätzung im GESTIS-Stoffenmanager® ist ein Instrument zur nichtmesstechnischen, quantitativen Abschätzung der inhalativen Exposition in mg/m³. Die Ergebnisse können zum Grenzwertvergleich herangezogen werden. Für die Ermittlung der Expositionshöhe werden mehrere Faktoren berücksichtigt, unter anderem die Art der Tätigkeit oder lokale Schutzmaßnahmen wie Absaugungen, freie und maschinelle Raumlüftung sowie Produkteigenschaften (Bild 2).

Bild 2 GESTIS-Stoffenmanager® berücksichtigt Informationen zum Gefahrstoff und zur Arbeitsumgebung bei der Gefährdungspriorisierung, der nichtmesstechnischen Expositionsermittlung und der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung. Grafik: DGUV/Michael Hüter

 

Die quantitative Expositionsabschätzung durch GESTIS-Stoffenmanager® kann zur Beurteilung der Exposition beim Umgang mit staubigen Produkten (einatembare Staubfraktion, E-Staub) sowie der Exposition gegenüber den Inhaltsstoffen flüssiger Produkte bei Tätigkeiten mit leicht und schwer flüchtigen Flüssigkeiten verwendet werden. Für spanende Arbeiten und Tätigkeiten, die mit einer Verdichtung bzw. Zerkleinerung fester Körper (durch mechanische Schlagwirkung) verbunden sind, liegt eine Kalibrierung für die Stein- und Holzbearbeitung vor.

Die dem GESTIS-Stoffenmanager® zugrunde liegenden Expositionsmodelle wurden mehrfach validiert. Eine Studie mit Expositionsdaten aus deutschen Betrieben hat untersucht, wie gut Stoffenmanager® die Exposition der Beschäftigten gegenüber der einatembaren Staubfraktion abschätzt. Die Korrelation der mit Stoffenmanager® ermittelten geometrischen Mittelwerte und 90. Perzentile der Szenarien mit den gemessenen Expositionsdaten waren gut [3]. Auch die Ergebnisse einer von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) initiierten Studie zur Evaluierung von Tier 1-Expositionsmodellen (ETEAM-Studie) bescheinigt dem Stoffenmanager®-Modell „die ausgewogenste Leistung im Hinblick auf das Schutzniveau und die Vorhersagekraft für flüchtige Flüssigkeiten und Stäube“ [4].

Zusätzlich zu den Funktionen der Gefährdungspriorisierung und nichtmesstechnischen Expositionsermittlung bietet GESTIS-Stoffenmanager® die Möglichkeit, ein Gefahrstoffverzeichnis zu führen und Betriebsanweisungen zur Information der Beschäftigten zu erstellen und zu exportieren.

 

Literatur

  1. Technische Regel für Gefahrstoffe: Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen (TRGS 400). GMBl. (2017) Nr. 36, S. 638.
  2. Technische Regel für Gefahrstoffe: Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition (TRGS 402). GMBl. (2010) Nr. 12, S. 231; zul. geänd. GMBl. (2016) Nr. 43, S. 843.
  3. Koppisch, D.; Schinkel, J.; Gabriel, S.; Fransman, W.; Tielemans, E.: Use of the MEGA Exposure Database for the Validation of the Stoffenmanager Model. Annals of Occupational Hygiene 56 (2012) Nr. 4, S. 426-439.
  4. Evaluation of Tier 1 Exposure Assessment Models under REACH (eteam) Project – Final Overall Project Summary Report. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund 2015. www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/F2303-D26-D28.html

 

 

Dr. rer. nat. Mario Arnone
Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin.