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Langzeitstudie 02.10.2020, 11:46 Uhr

Ultrafeinstaub in Wohnungen durch Kochen und Heizen

Die Feinstaubkonzentration in Wohnungen hängt nur teilweise von der äußeren Luftqualität ab. Auch durch Kochen und Heizen entstehen Schadstoffe.

Beim Kochen zu Hause entsteht Feinstaub. Foto: PantherMedia  / matej kastelic

Beim Kochen zu Hause entsteht Feinstaub.

Foto: PantherMedia / matej kastelic

Wie hoch die Konzentration ultrafeiner Aerosolpartikel in deutschen Großstadtwohnungen ist, hängt nur teilweise von der äußeren Luftqualität ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) im Auftrag des Umweltbundesamts. Stattdessen spielen vor allem Aktivitäten in der Wohnung wie Kochen, Backen, Toasten oder Heizen eine Rolle.

Innenraumquellen für Schadstoffe

Feinstaub und Ultrafeinstaub gefährden nachweislich die Gesundheit, da sie zu Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen können. Wie viel Feinstaub über die Lunge in den Körper gelangt, hängt unter anderem von der Größe der Partikel ab. Ultrafeine Partikel, die kleiner als 100 Nanometer sind und deshalb tief in den Körper vordringen können, entstehen z. B. im Straßen- und Luftverkehr, durch Kraftwerke oder auch Kleinfeuerungsanlagen. Es gibt in Deutschland bereits zahlreiche Maßnahmen, um den Feinstaub in der Außenluft zu reduzieren. Schätzungen zufolge verbringen Menschen aber über zwei Drittel ihrer Lebenszeit in Gebäuden – die meiste Zeit in der eigenen Wohnung. Dort sind sie einer Mischung an Schadstoffen ausgesetzt, die aus der Außenluft und aus verschiedenen Innenraum-Quellen wie Kochaktivitäten oder Heizen stammen.

Studie: 10 000 Messstunden über zwei Jahre

Um herauszufinden, welche Aerosolpartikel in Wohnungen vorkommen, hat TROPOS zwischen 2016 und 2019 insgesamt 40 Nichtraucherwohnungen in Leipzig und Berlin auf Fein- bzw. Ultrafeinstaub und ihre Quellen untersucht. Parallel dazu erfolgten identische Messungen auf Balkon, Terrasse oder Garten. Etwa die Hälfte der Wohnungen befand sich innerhalb von 150 Metern Abstand zu einer verkehrsreichen Straße, um die Auswirkungen des Straßenverkehrs zu beurteilen. Die anderen Wohnungen lagen im städtischen Hintergrund und in den Randbezirken. Im Verlauf von zwei Jahren wurde jede Wohnung zweimal mit einer Messdauer von einer Woche in unterschiedlichen Jahreszeiten besucht. Die Bewohner wurden zudem gebeten, ein digitales Logbuch zu führen, in dem sie Aktivitäten wie Lüften, Kochen, Kerzen brennen oder Staubsaugen notierten. Insgesamt kamen rund 10 000 Messstunden im Sommer und Winter zusammen. Die Jahreszeit ist für die Auswertung von Bedeutung, da Wohnungen je nach Außentemperatur unterschiedlich stark belüftet werden.

Höchste Feinstaubmessungen zu den Essenszeiten im Winter

Um hochaufgelöste Partikelanzahl-Größenverteilungen zu messen, entwickelte das TROPOS-Team spezielle Messgeräte. Die Messungen zeigten, dass 90 % der Partikel in den Wohnungen ultrafein und somit kleiner als 100 Nanometer waren. Überraschend deutlich ließ sich von ihnen auf die Aktivitäten in der Wohnung schließen: Außer beim Abbrennen von Kerzen wurden beim Kochen, Backen und Toasten deutliche Mengen an Ultrafeinstaub freigesetzt. Diese Partikel waren auch in Räumen außerhalb der Küche messbar. Ihre Anzahl war nachts am geringsten, erreichte am Abend und Morgen aber Spitzenwerte. Besonders im Winter – wenn weniger gelüftet wird – zeigte sich ein deutliches Tagesprofil: Die Partikelkonzentration wies um 8:00, 12:00 und 19:00 Uhr starke Spitzenwerte auf, was typische Zeiten für Frühstück, Mittag- und Abendessen sind. Im Sommer waren die Spitzen dagegen weniger deutlich ausgeprägt.

Hauptursache für Ultrafeinstaub: Aktivitäten in der Wohnung

Durch die rund 500 Messtage konnten die Forscher ein repräsentatives tages- und jahreszeitliches Schwankungsmuster der Exposition in den Wohnungen erhalten und die entsprechenden Verhältnisse zwischen Innen- und Außenbereich analysieren. Die Konzentrationen der ultrafeinen Partikel konnten mit den Aktivitäten in Verbindung gebracht werden und zeigten signifikant höhere Konzentrationen und eine größere Variabilität als die Partikelkonzentrationen im Freien. Dies deutet darauf hin, dass menschliche Aktivitäten die Hauptursache für die Konzentration ultrafeiner Partikel in Innenräumen sind.

Von Stefan Mühler