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Nachgemessen 07.12.2022, 13:41 Uhr

Windenergie: Furcht vor Infraschall ist unbegründet

Das Schweizer Bundesamt für Umwelt hat von Experten die Infraschall-Emissionen von Windkraftanlagen bewerten lassen, die oft als gesundheitsschädlich gebrandmarkt wurden. Das Ergebnis: Die Sorgen beruhten auf falschen Zahlen.

Erzeugen Windkraftanlagen gesundheitsschädlichen Infraschall? Diese umstrittene Frage konnten Messungen in der Schweiz jetzt eindeutig mit Nein beantworten. Foto: PantherMedia / Oliver Cramm

Erzeugen Windkraftanlagen gesundheitsschädlichen Infraschall? Diese umstrittene Frage konnten Messungen in der Schweiz jetzt eindeutig mit Nein beantworten.

Foto: PantherMedia / Oliver Cramm

Windenergiegegner in der Schweiz, die unter der Bezeichnung „Freie Landschaft Schweiz“ antreten, glaubten, das schlagende Argument für ihre Kampagne gefunden zu haben. Mit einem Papier mit dem akademisch klingenden Titel „Intensité des infrasons émis par les éoliennes et sa dépendance du sous-sol et d‘effets résonants dans les constructions“ („Infraschallintensität von Windkraftanlagen und deren Abhängigkeit vom Untergrund und Resonanzwirkungen in Gebäuden“) machten sie kürzlich Schlagzeilen. Darin behaupteten sie, dass der Schallpegel, den die Anlagen in den Untergrund induzieren, gewaltige Größenordnungen erreicht und gesundheitliche Schäden anrichtet.

Zwischen Windgeneratoren schwimmen Solarkraftwerke

Um 46 Dezibel zu hoch angesetzt

Die Behauptung, die federführend der pensionierte Physiker Bernard Jeanneret aufstellte, ließ das Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Schweizer Ittigen nicht ruhen. Es machte sich daran, die These zu widerlegen und stellte fest, dass der Pegel um 46 dB zu hoch angesetzt worden war. Jeanneret hatte sich auf vermeintlich seriöse Daten der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften (BGR) in Hannover berufen, doch übersehen, dass die BGR ihre Zahlen längst korrigiert hatte, und zwar um 36 dB. Die BGR-Wissenschaftler hatten sich bei der Umrechnung von Einheiten schlicht vertan.

Monsternetz drückt Emissionen auf Null

Windräder würden einstürzen

Auch die darauf basierende Zahl zweifelte das BAFU an und stellte fest, dass sie noch einmal um 10 dB nach unten korrigiert werden musste. Es hätte gar nicht des Eingeständnisses des BGR bedurft. Schlichter Menschenverstand hätte schon genügt. 46 dB mehr bedeute 40 000 Mal mehr Schallkraft, so die BAFU-Experten, „eine physikalisch unmögliche Größenordnung“. Der gewaltige Schalldruck, den die Windenergiegegner beklagten, würde die Windenergieanlagen selbst innerhalb kürzester Zeit einstürzen lassen.

Weit unter der Wahrnehmungsgrenze

BAFU stützt sich auf Erkenntnisse einer Expertengruppe aus den Fachgebieten Strukturdynamik und Akustik sowie auf Messungen an zwei Windgeneratoren im Schweizer Jura. Es handelt sich um das Enercon-Modell E-82. Sie gingen 2009 in Betrieb und haben eine Leistung von insgesamt 4 MW. Die Nabenhöhe liegt bei 78 m und der Rotor hat einen Durchmesser von 82 m. Die Mühlen liegen in der Größenordnung der Leistungen der Windgeneratoren, auf die sich Jeanneret bezieht.

Die Messungen zeigten, dass die infolge des Betriebs der Windgeneratoren gemessenen Erschütterungsamplituden sehr klein sind. Die gemessenen Schwinggeschwindigkeiten liegen selbst in unmittelbarer Nähe der Windgeneratoren und bei maximaler Drehzahl der Rotoren weit unter der Wahrnehmungsgrenze des Menschen.

Statt Steigerung kontinuierliche Abnahme

Mit dem von „Freie Landschaft Schweiz“ angeführten Mechanismus, nach dem der sekundär abgestrahlte Schall aus den Erschütterungen der Erdoberfläche erzeugt wird, können die im Bericht Jeanneret zugrunde gelegten hohen Schallpegel nicht erklärt werden. Auch die in Jeannerets Bericht postulierte Zunahme der Schwingungsamplituden bis zu einer Distanz von einem Viertel der Wellenlänge konnte nicht festgestellt werden; im Gegenteil, eine kontinuierliche Abnahme wurde gemessen.

Blockade von Windenergieprojekten

„Freie Landschaft Schweiz“ blockiert in der Schweiz die Mehrzahl der Windenergieprojekte. Die politische Führung setzt dagegen auf diese Stromerzeuger, um die im Winter auftretenden Versorgungslücken zu verkleinern. Auf Grund der in dieser Zeit niedrigen Temperaturen können die Wasserkraftwerke des Landes, die im Sommer mehr Strom produzieren als im Inland verbraucht wird, weniger Energie erzeugen als nötig. Die Lücken stopft das Land mit Importen vor allem aus Deutschland und Frankreich, die in diesem Winter selbst nicht sicher sind, ob sie ohne Blackout über die Runden kommen.

Von Wolfgang Kempkens