Brücken: So prüft Deutschland seine Infrastruktur
Brückeneinstürze wie in Genua oder gerade erst in Mexiko-Stadt werfen bei uns immer die Frage auf, ob die Brücken in Deutschland sicher sind. Die Überprüfung der Brücken in Deutschland wird dabei von der DIN 1076 geregelt.
„Brücken sind systemrelevante und sensible Bauwerke, lässt man sie zu Schaden kommen, nimmt auch das öffentliche Leben Schaden und die Menschen verlieren das Vertrauen in ihre öffentliche Infrastruktur. Sicherheit ist ein nicht verhandelbares Gut, dies gilt umso mehr bei unseren vielfältigen Brückenbauwerken“, erklärt Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW. Meist werden Brücken aus Stahl, Beton oder einer Kombination der beiden Baustoffe errichtet. Im Beton und Stahl können mit der Zeit Risse auftreten, wodurch der Stahl ermüden kann. Hierzu meint Bökamp: „Rissbildung allein ist dabei kein Versagenskriterium. Erst die Größe der Rissbreite in Verbindung mit der Größe der Ermüdungsbeanspruchung durch Verkehr liefert zuverlässige Aussagen über die Gefährdung des Bauwerks. Entscheidend ist daher die regelmäßige Beobachtung durch eine Brückenprüfung. Fortlaufende Unterhaltung – und dazu gehört zweifelsfrei die Brückenprüfung – ist eine gute Investition für jedes Bauwerk.“
Regeln für die Brückenprüfung
In der DIN 1076 sind die Vorschriften der Brückenprüfung in Deutschland geregelt. Hier ist eine umfassende Hauptprüfung einer Brücke alle sechs Jahre vorgeschrieben. Bei dieser Prüfung untersuchen die Ingenieure und Ingenieurinnen auch schwer zugängliche Bauwerksteile der Brücke. Die Prüfung erfolgt dabei handnah. Um diese auch bei großen und hohen Brücken durchführen zu können, werden Gerüste, Hubarbeitsbühnen und sogenannte Brückenuntersichtgeräte eingesetzt. Alle drei Jahre nach der Hauptprüfung erfolgt eine einfache Prüfung als „erweiterte Sichtprüfung“. In den übrigen Jahren findet eine Sichtprüfung statt. Somit behalten die Fachleute die Brücke im Auge und halten jeden Mangel fest.
Brückenprüfung übernehmen Ingenieurinnen und Ingenieure
In der DIN 1076 gibt es auch eine Empfehlung, wer die Brückenprüfung übernehmen soll: Eine Ingenieurin oder ein Ingenieur, „… der die statischen und konstruktiven Verhältnisse der Bauwerke beurteilen kann“. Ein Hochschul- beziehungsweise Fachhochschulstudium im Bauingenieurwesen sollte der Ingenieur oder die Ingenieurin abgeschlossen haben. Dabei sollte die Fachrichtung wenn möglich Konstruktiver Ingenieurbau oder eine ähnliche Ausrichtung gewesen sein. Erwünscht ist dann eine etwa fünf bis zehnjährige Berufserfahrung im Brücken- beziehungsweise konstruktiven Ingenieurbau. Hier sind Erfahrungen in den Bereichen der Entwurfsbearbeitung, Bauausführung, Standsicherheitsberechnung oder Bauwerksinstandsetzung wichtig. Für eine Förderung der Qualität der Prüfung und Überwachung von Ingenieurbauwerken haben sich 2008 das Bundesverkehrsministerium, die Straßenbauverwaltungen der Bundesländer, die Kommunen sowie Ingenieurkammern wie beispielsweise die Ingenieurkammer-Bau NRW zu einem Verein zusammengeschlossen: Verein zur Förderung der Qualitätssicherung und Zertifizierung der Aus- und Fortbildung von Ingenieurinnen/Ingenieuren der Bauwerksprüfung (VFIB). Seit der Gründung organisiert der Verein Fortbildungen und Qualifikationen mit Abschlussprüfungen und Zertifikaten.
Brücken, die nicht geprüft werden
Das Zertifikat des VFIB wird im Interesse der Sicherheit als Nachweis der Sachkunde von den meisten Straßenbauverwaltungen verlangt, wenn es um die Vergabe von Bauwerksprüfungen geht. Doch eben nicht alle Straßenbauverwaltungen verlangen diesen Nachweis und auch nicht alle Gebietskörperschaften prüfen ihre Brücken. Die DIN 1076 verpflichtet lediglich Bund und Länder zur Bauwerksprüfung, für die Kommunen ist dieses nur eine Empfehlung. „Die Entscheidung, ob und wann eine Brücke geprüft und anschießend saniert wird, hängt in den Städten und Gemeinden nicht allein von der technischen Beurteilung ab, sondern von der Bereitschaft des Kämmerers, Geld für die Prüfung bereitzustellen. Im Interesse der allgemeinen Sicherheit wäre es Ausweis gelebten Verbraucherschutzes, hier auch die Kommunen in die Pflicht zu nehmen“, fordert Bökamp auf. Die Kommunen übernehmen für 140.000 Brücken in Deutschland die Verantwortung. Die lediglich Empfehlung der DIN 1076 für die Kommunen und die engen Haushalte haben das Ergebnis, dass in den Städten und Gemeinden viele Brücken einen kritischen Zustand haben. Der Bundesrechnungshof Rheinland-Pfalz hatte hierzu 2013 eine Untersuchung vorgenommen, die gezeigt hat, dass ein viertel der Kommunen ihre Brücken nach der DIN 1076 prüfen lässt. Nur 18 Prozent der Kommunen pflegen ein Brückenkataster oder -verzeichnis und rund 70 Prozent der Städte und Gemeinden nehmen die jährliche Besichtigung der Brücken nicht vor. „Es gibt leider keine zwingenden Gründe anzunehmen, dass die Untersuchung der Lage in den anderen Bundesländern ein gänzlich anderes Bild ergeben würde“, nimmt Bökamp an.
Lebensdauer von Brücken verlängern
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat bereits vor zwei Jahren bemängelt, dass die Finanzlage in den Kommunen dazu geführt hat, dass in den Planungs- und Bauämtern Fachpersonal und Know-how fehlt. Ein weiteres Problem, dass nicht nur die Kommunen, sondern die öffentlichen Gebietskörperschaften betrifft, ist das Vergabeverfahren. Bei der Suche nach einem Ingenieurbüro für die Bauwerksprüfung fällt der Zuschlag meist nicht auf das Wirtschaftlichste sondern auf das billigste Angebot. Bökamp fordert daher: „Beim Neubau einer Brücke sollte am Ende das bestmögliche Bauwerk entstehen, das über seine gesamte Lebensdauer hinweg betrachtet das wirtschaftlichste ist. Solche Lösungen entstehen oft als Ergebnis von Planungswettbewerben. Sie sind ein gutes Mittel, um im Wettbewerb der Ideen die Qualität eines Entwurfs zum entscheidenden Kriterium zu machen und nicht nur den Preis einer Leistung.“
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