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IBA’27 07.08.2023, 08:00 Uhr

Neue Projekte für die Bauausstellung 2027

Gleich sechs neue Projekte werden im Katalog der Internationalen Baustellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA‘27) aufgenommen. Insgesamt 23 Projekte umfasst das Portfolio der IBA‘27 nun. Sie sollen im Ausstellungsjahr zeigen, wie die Zukunft der Bebauten Umwelt aussehen kann. Doch wie weit die Projekte dann sein werden, ist aufgrund der Krisen unklar.

Wettbewerb Goldäcker / KaepseLE Leinfelden-Echterdingen

Auf den Goldäckern zischen Leinfelden und Echterdingen soll ein Quatier entstehen, dass nach 15 Jahren CO2-neutral ist.

Foto: Duplex Architekten

„KaepseLE Goldäcker“, das Akronym ist nicht ganz leicht und steht für „Klimaschutz und -anpassung durch emissionsfreies Bauen, Pflanzen, Stoffkreisläufe und Energievernetzung in Leinfelden-Echterdingen“. Es ist eins der sechs neuen Projekte für die IBA‘27. Gemeinsam mit drei Investoren und drei Planungsteams entwickelt die Stadt am Siedlungsrand von Echterdingen auf den Goldäckern ein Wohngebiet. In einem Dialogverfahren soll bezahlbarer Wohnraum in klimaneutralen Gebäuden geschaffen werden: ökologisch, ökonomisch und sozial. Die geplanten drei- bis sechsgeschossigen Gebäuden sollen in modularer Holzbauweise entstehen. Dabei legen die Entwickler-Teams wert auf Recycling-Materialien und lokal verfügbare Baustoffe. Das Quartier ist verkehrsberuhigt und mit klimaneutraler Energieversorgung geplant. Die Maßnahmen sollen dazu führen, dass das Gebiet nach 15 Jahren in Errichtung und Betrieb CO2-neutral ist.

Bestand behutsam ergänzt

Foto: UTA Architekten und Stadtplaner

In Waiblingen soll mit dem Projekt „Neues Wohnen Korber Höhe“ der Bestand einer Großsiedlung mit klimaneutral geplanten Häusern ergänzt werden. In den neuen Gebäuden sollen verschiedene Wohnformen wie Pflege-WGs, Mikroappartements oder Clusterwohnen entstehen. Diese sollen die Bewohner der Bestandsgebäude, die zumeist aus den 1970er-Jahren sind, ansprechen. Hier wohnen häufig Bewohner der Gründungsphase. Erhofft wird sich ein Generationenwechsel im Bestand und damit Platz für junge Familien. Das IBA‘27-Team sagt zu dem Vorhaben: „Das Projekt initiiert die demografische und energetische Transformation der gesamten Korber Höhe. Der Weiterbau ergänzt das Wohnungsangebot mit vielfältigeren Grundrissen, mit Gemeinschaftsflächen, Sharing-Angeboten und Gewerbe und motiviert Generationenwechsel, Bestandssanierungen und Neuordnung des öffentlichen Raums. Partizipation und neue Wege in der Prozessgestaltung sind für den Erfolg ausschlaggebend.“

Keine Untergeschosse

Siegerentwurf: Öffentliches Leben am Platz. (Bild: ARGE Schürmann+Witry Architekten, Miriam Stümpfl Architektin und Stadtplanerin und Blank Landschaftsarchitekten)

Zusammen mit der Stadtbau Schorndorf plant die Stadtverwaltung, der Kreisbau Waiblingen, der Bürgerschaft, Fachleuten und der IBA‘27 auf einem ehemaligen Bauhofareal, direkt an der Rems, das Quartier der Generationen. Es soll Wohnraum für Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen geschaffen werden. Der Siegerentwurf sieht bei der differenzierten Gebäudestruktur vor, zur Minimierung von CO2-Emissionen auf Untergeschosse zu verzichten. Zudem sollen nutzungsoffene Freiräume für eine allmähliche Aneignung vorgesehen sein.

Gebäudebestand integriert

Visualisierung aus dem IBA’27-Projekt »Leben in der Vorstadt« (Bild: Atelier Kaiser Shen)

In der Nachbarschaft zum Bauhofareal in Schorndorf hat die neu gegründete Baugenossenschaft RemstalLeben eG ein Grundstück gekauft. Hier soll das Projekt „Leben in der Vorstadt“ entstehen. Nachhaltige Neubauten sollen den denkmalgeschützten Gebäudebestand ergänzen. Dabei soll deren Vision eines ökologischen und solidarischen Zusammenlebens umgesetzt werden. An der Obstbaumwiese sind vier neue, bis zu fünfgeschossige Wohnhäuser in Holzbauweise geplant. Sie sollen mit Strohballen gedämmt werden. In der flexiblen Gebäudestruktur sollen unterschiedlichste Wohntypologien für die individuellen Lebensmodelle realisiert werden.

Bezahlbares Wohnen

Entwurf aus dem Wettbewerb für das Tobias-Mayer-Quartier, Esslingen (Bild: Studio Vlay Streeruwitz, Wien mit Carla Lo Landschaftsarchitektur, Wien und Ingenieurbüro P. Jung GmbH, Hamburg)

Im Norden von Esslingen am Neckar entsteht das „Tobias-Mayer-Quartier“. Hier planen die Esslinger Wohnungsbau GmbH und die Baugenossenschaft Esslingen eG zusammen mit der Wohninitiative AlWo bestand- und groß dimensionierte Neubauten. Mit ihnen soll bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. In ihrer Mitte ist ein Gartenfeld geplant, dass für das gemeinschaftliche Leben zur Verfügung steht. Im ersten Bauabschnitt sollen ein hohes L-Haus und ein weiteres Haus entstehen. Dieses ist im Wettbewerb als IBA’27-Experimentierhaus mit offenem Programm definiert. Im sogenannten Kettenhaus möchte die Initiative AlWo (Alternatives Wohnen Esslingen, ein Häusersyndikatsprojekt, das seit längerem im IBA’27-Netz ist) ihr erstes Bauprojekt realisieren. Das flexible Holzhaus soll mit unterschiedlichsten Wohnungsangeboten Raum für vielfältigste Formen des Zusammenlebens bieten.

Verbindung von Stadtteilen

Visualisierung: Postareal Leonberg (Bild: h4a Architekten)

Beim IBA-Projekt „Postareal Leonberg“ kommen neue Bautechnologien und nachhaltige Materialien zu Einsatz sowie ein nachhaltiges Energiesystem. Zwischen der historischen Altstadt und der ab den 1970er-Jahren gewachsenen neuen Mitte entwickelt die Strabag Real Estate zusammen mit der Ed. Züblin AG und der Stadt Leonberg ein Wohn- und Geschäftsquartier, dass die Stadtteile verbinden soll. Das IBA‘27-Team meint hierzu: „Das Projekt fokussiert sich besonders auf den Bereich CO2-reduziertes Bauen und baukonstruktive Innovationen. Leonberg schließt mit diesem Vorhaben zu den zukunftsweisenden IBA’27-Kommunen in der Region auf.“

Neue Wege im Bauwesen

Der IBA’27-Aufsichtsrat folgt mit der Aufnahme der sechs Projekte der Empfehlung des Kuratoriums. Thomas S. Bopp, Vorsitzender des Aufsichtsrats und Vorsitzender des Verband Region Stuttgart, sagt: „Einmal mehr zeigt sich, was mit der IBA’27 in der Region Stuttgart ins Rollen gekommen ist. Schon die schiere Menge an Projekten übertrifft alle Erwartungen, die wir bei der IBA-Gründung hatten. Viele Kommunen und Investorinnen haben erkannt, dass wir für unsere Welt im Wandel ganz anders planen und bauen müssen. Sie haben den Mut, zusammen mit Bürgerschaft, Planerinnen und der IBA’27 neue Wege zu gehen und die Transformation aktiv zu gestalten – mit guten Ideen, aber auch mit effizienten, pragmatischen und kollaborativen Prozessen. Sie schaffen die Vorbilder, um die Region in eine gute Zukunft zu führen.«

Neue Formensprache durch neue Themen

„Die neuen und die bisherigen Projekte bringen viele Themen zusammen, die sowohl lokal als auch international diskutiert werden“, sagte IBA-Intendant Andreas Hofer. „Nach dem stark individualistisch geprägten Planen und Bauen der letzten Jahrzehnte suchen viele heute wieder mehr Nähe und Gemeinschaft. Die Abgrenzung von Wohnen und Arbeiten wird neu austariert, ebenso wie die Balance zwischen architektonisch hochwertiger Dichte und großzügigen und grünen Freiräumen. Klimaschutz und Klimaanpassung, Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft sind als große Themen in der Architektur angekommen und schaffen eine neue Formensprache. Dies freut mich als Architekt besonders, hier entsteht das Gesicht der IBA’27.“

Auswirkungen der Baukrise

Hofer erklärt, dass mit den insgesamt 23 Projekten das Portfolio der IBA’27 weitgehend konsolidiert sei, meint aber: „Es kann sein, dass noch ein, zwei Projekte hinzukommen, wir können aber auch noch Projekte verlieren, beispielsweise, wenn die Zusammenarbeit mit den Projektträger und Projektträgerinnen nicht mehr funktioniert.“ Er greift auch die angespannte Lage der Bauwirtschaft auf und fügt hinzu, dass die hohen Kosten und der Material- und Fachkräftemangel bei vielen Projekten für die IBA#27 für Unsicherheit sorge. „Wir sind aber zuversichtlich, bis 2027 viele zumindest teilweise fertig gebaute Beispiele zeigen zu können. Mit Ansätzen wie Modulbau, Materialeffizienz, Kreislaufwirtschaft, Langlebigkeit, Flexibilität, aber auch mit ihren hohen sozialen Ansprüchen liefern die Projekte ja Antworten auf die aktuellen Krisen“, sieht Hofer positiv in das Ausstellungsjahr 2027.

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Von IBA‘27 / Heike van Ooyen