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Brückenbaupreis 2021 10.03.2021, 11:09 Uhr

Brückenkonstruktionen die überzeugen

Statt in einem großen Festsaal wurde am 8. März 2021 der Deutsche Brückenbaupreis 2020 im virtuellen Raum verliehen. Dabei überzeugten die Jury die Brücken mit ihrer konsequenten Umsetzung der innovativen Konstruktionen.

Der Deutsche Brückenbaupreis ging an Michael Borowski vom Ingenieurbüro Grassl (links) und Prof. Dr. Mike Schlaich von schlaich bergermann partner sbp (rechts). Foto: Torsten George

Der Deutsche Brückenbaupreis ging an Michael Borowski vom Ingenieurbüro Grassl (links) und Prof. Dr. Mike Schlaich von schlaich bergermann partner sbp (rechts).

Foto: Torsten George

Zum achten Mal hat der Verband Beratender Ingenieure VBI gemeinsam mit der Bundesingenieurkammer den Deutschen Brückenbaupreis verliehen. Die Ehrung in der Königsdisziplin im Bauingenieurwesen ging in diesem Jahr an Michael Borowski vom Ingenieurbüro Grassl GmbH in der Kategorie „Straßen- und Eisenbahnbrücken“ und an Prof. Dr. Mike Schlaich von schlaich bergermann partner sbp in der Kategorie „Fuß- und Radwegbrücken“. Sie setzten sich gegen insgesamt 42 Kandidaten durch. Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, und Jörg Thiele, Präsident des VBI überreichten die Preise. „Im Brückenbau werden die Spezialisten für gute Ideen gebraucht. Brücken leben davon, dass sie nicht als Serienfertigung erstellt werden, sondern jedes Bauwerk ist ein Unikat. Die gute Idee liefert das Ergebnis“, erklärt Bökamp. Und genau das zeigen die Gewinnerbrücken.

Neuer Schließmechanismus für eine Klappbrücke

In der Kategorie „Straßen- und Eisenbahnbrücken“ konnte sich die zweiflügelige Retheklappbrücke in Hamburg durchsetzen. Sie zeichnet sich für die Jury durch eine innovative Konstruktion aus, die eine höchst anspruchsvolle Aufgabe löst. „Die Rethebrücke ist eine Ausnahmebrücke, weil sie Statik mit Dynamik verbindet und Maschinenbau mit Bauingenieurwesen, das ist einmalig“, ist Eberhard Pelke, Dezernat Planung Ingenieurbauwerke, Landesbetrieb Straßen- und Verkehrsmanagment Hessen Mobil beeindruckt. Mit einer Länge von 141 Metern und einer Breite von 24 Metern überquert die Brücke den Elbarm Rethe. Für den Bahn- und Straßenverkehr sind getrennte Überbauten errichtet. Unterschiedliche Querschnitte ermöglichen die Optimierung des Konstruktionsgewichts. Die Brücke ersetzt eine alte Hubbrücke. Durch den Klappmechanismus ist die Durchfahrtshöhe nicht mehr länger begrenzt. Die beweglichen Teile sind bei einer Klappbrücke die Schwachpunkte der Konstruktion. Um diese Schwachpunkte zu verringern, plante der für Konstruktion und Vorplanung verantwortliche Projektleiter Michael Borowski vom Ingenieurbüro Grassl, die Anzahl der beweglichen Teile zu reduzieren. Zudem wurde auf eine mechanische Verriegelung verzichtet. Möglich wurde dies durch die sogenannten Finger der Hauptträgerspitzen. Beim Schließen der Brücke stützen sich die Finger aufeinander ab und die Querkräfte können übertragen werden. Damit das Zusammengreifen der Finger klappt, ist ein präzisier Gleichlauf der Klappen wichtig. Dies wurd durch eine komplexe Steuerung ermöglicht, die hierzu entwickelt wurde. Der neuartige Schließmechanismus ist wartungsarm und damit prototypisch und einzigartig. Das die Planung von Borowski den Deutschen Brückenpreis ermöglicht, konnte bei Beginn des Projektes noch keiner wissen „Wo die Reise hingeht, war uns da noch nicht bewusst“, so Borowski. Und auch die Arbeiten an der Retheklappbrücke zeigten ihm wieder, dass man sich bei jedem Projekt neu auf die Randbedingungen einstellen muss, um die beste Lösung zu entwickeln.

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Aus einer Schale entsteht eine Brücke

Der Trumpf-Steg von schlaich bergermann partner sbp überzeugte die Jury für den ersten Platz in der Kategorie „Fuß- und Radwegbrücken“. Die konsequente Umsetzung einer außergewöhnlichen Tragwerksidee, die Nutzung hoch entwickelter Materialien und Technologien sowie nicht zuletzt den gemeinsamen Gestaltungswillen von Bauherr und Ingenieur führten die Jury zu ihrer Wahl. Dabei verbindet der 30 Meter lange Steg die Werksgelände der Firma Trumpf im schwäbischen Ditzingen, die durch eine Straße getrennt waren. Der Entwurf basiert auf einer Schale, die zugleich Tragwerk und Gehweg ist. Die Schale ist aus zwei Zentimeter dicken gekrümmten Edelstahlbelchen geschweißt. Die Struktur der Schale erinnert an ein Netz, das in der Böschung festgespannt wurde. Die Öffnungen der Edelstahlschale setzt den Kraftfluss der Brücke in Szene. „Wir haben hier ein räumliches Tragwerk als Flächentragwerk, wo die eigentliche Last, man kann sie erahnen, wo sie abgehen, man hat auch versucht, diese Struktur anzupassen, man sieht förmlich irgendwelche Lastflüsse, wo sie langlaufen könnten, sich der direkten Sichtweise aber entziehen“, beschreibt Prof. Dr. Gero Marzahn, Juryvorsitzender und Leiter des Referat Straßen und Brücken des Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die Konstruktion. Dabei steht die Tragstruktur optisch im Mittelpunkt, da die anderen Brückenausstattungen minimale Strukturen aufzeigen. „Es ist eine auf das wesentliche reduzierte Brücke, die mit modernster Technologie herstellt wurde und überhaupt erst durch diese möglich geworden ist. Sie ist konsequent und sorgfältig bis ins Detail gearbeitet. Somit drückt die Brücke eine vollumfängliche Eleganz aus“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Annette Bögle, HCU HafenCity Universität Hamburg als Jurymitglied ihre Eindrücke von der Brücke. Und Schlaich meint zu seinem Entwurf: „Wir wollten ein leichtes Flächentragwerk machen, wir wollten zeigen, dass man mit Schalen auch Brücken bauen kann oder Brücken aus Schalen herstellen kann. Das ist mit 20 Millimetern und 30 Meter Spannweite schon irgendwie gelungen.“

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Herausforderungen im Brückenbau

Neben den beiden Preisträgern ehrte die Jury auch die Nominierten in den beiden Kategorien mit einer Auszeichnung. In der Kategorie „Straßen- und Eisenbahnbrücken“ ist dies die Brücke bei Schwaig (Bayern) und die Instandsetzung der Elster-Brücke bei Neudeck (Brandenburg). In der Kategorie „Fuß- und Radwegbrücken“ erhielten diese die Stuttgarter Holzbrücke an der Birkelspitze in Weinstadt (Baden-Württemberg) und die Sanierung der König-Ludwig-Brücke in Kempten (Bayern). Auch für den Deutschen Brückenbaupreis 2020 hat das BMVI wieder die Schirmherrschaft übernommen. Für Michael Güntner, Staatssekretär im BMVI, ist der Brückenbaupreis immer etwas Besonderes, da der Brückenbau gelebte Baukultur ist. Doch der Brückenbau steht großen Herausforderungen gegenüber. „Brücken leisten häufig ein mehrfaches dessen, was bei der Planung und dem Bau vorstellbar war. Aus diesem Grund stehen Sanierungen und Erneuerungen an. Die Brücken müssen modernisiert werden und fit für die Zukunft sein“, erklärt Güntner. Damit die Brücken erhalten bleiben stellt das BMVI 1,57 Milliarden Euro in 2021 zu Verfügung. 2022 wird dies noch mal angehoben, sodass für die Brückenerhaltung 1,64 Milliarden Euro zu Verfügung stehen.

Mehr zum Brückenbau gibt es hier:

Brückensanierung mit Carbonbeton

Brückenneubau mit BIM

Planung einer Brücke

Von Heike van Ooyen