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Bauprozesse optimieren 09.03.2023, 16:26 Uhr

Mit künstlicher Intelligenz Bestandsgebäude erfassen

Die Möglichkeiten der optischen Messtechnik für die Bauplanung, Baufortschrittsdokumentation und Instandhaltung sind gewaltig.

Scan2BIM: Daten verschiedener Sensoren werden zu einem multimodalen Datenstrom fusioniert. Dieser wird mithilfe KI-basierter Algorithmen automatisiert interpretiert und in ein BIM-Modell überführt. Die semantisch angereicherte Punktwolke eines Konferenzraums zeigt u. a. Türen, Tische und Stühle. Foto: Fraunhofer IPM

Scan2BIM: Daten verschiedener Sensoren werden zu einem multimodalen Datenstrom fusioniert. Dieser wird mithilfe KI-basierter Algorithmen automatisiert interpretiert und in ein BIM-Modell überführt. Die semantisch angereicherte Punktwolke eines Konferenzraums zeigt u. a. Türen, Tische und Stühle.

Foto: Fraunhofer IPM

Messungen mit Licht gehören zum Standard auf dem Bau. Handliche Laser-Entfernungsmesser sind seit über 20 Jahren für geometrische Messungen am Bau im Einsatz – und Fraunhofer IPM war maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt. Seither hat sich viel getan: Immer leistungsfähigere Laserquellen, Kameras und Grafikprozessoren ermöglichen heute genaue Messungen und smarte Datenauswertung.

Das Potenzial der optischen Messtechnik wird bisher allerdings nur ansatzweise genutzt um Prozesse zu automatisieren, Fehlerquellen auf der Baustelle zu reduzieren und die Authentizität von Bauelementen zu prüfen.

Scan2BIM: Bestandsbauten automatisiert erfassen, Bauausführung überwachen

Bauplanung und Betriebsmanagement werden zunehmend digital. Die Erfassung von Bestandsbauten und die Dokumentation von Bauprozessen hingegen geschieht auch heute noch größtenteils manuell. Mit multimodalen Sensorsystemen lassen sich Gebäude oder Baustellen effizient und sehr genau vermessen. Fraunhofer IPM entwickelt Prozesse, um die Datenströme dieser Erfassungssysteme zu fusionieren und automatisiert in ein georeferenziertes, digitales 3D-BIM zu überführen.

Eine speziell für den Kontext Bau trainierte KI (Künstliche Intelligenz) reichert die Daten semantisch an: An die 30 Objektklassen wie zum Beispiel Fenster, Türen, Decken, Säulen oder Leuchten erkennt der Algorithmus automatisiert in den Messdaten. Die klassifizierten Messdaten werden in ein BIM-System überführt und bilden die Grundlage für verschiedenste Gewerke.

Auch bei einer großen Variationsbreite der Eingangsdaten erweist sich der Prozess nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg als äußerst robust – Objekte in Bilddaten und Punktwolken von statischen und mobilen Systemen werden mit hoher Zuverlässigkeit erkannt.

Markierungsfreie Rückverfolgung

Industriell vorfabrizierte Elemente wie zum Beispiel Fenster, Heizungen oder Befestigungselemente lassen sich mithilfe des am Fraunhofer IPM entwickelten Track&Trace-Fingerprint-Verfahrens lückenlos rückverfolgen, ohne dass die Elemente gesondert markiert werden müssen.

Die T&T-Fingerprint-Technologie nutzt die Oberfläche der Bauteile für die Identifizierung: Ein definierter Bereich der Objektoberfläche wird mit einem Kamerasystem hochaufgelöst aufgenommen. Aus der Bildaufnahme des Bereichs mit seinen spezifischen Mikrostrukturen und deren Position wird eine numerische Kennung (Fingerprint) errechnet und einer ID zugeordnet. Diese Paarung wird in einer Datenbank hinterlegt und mit Planungsdaten für die Installation versehen.

Mithilfe der Track&Trace-Fingerprint-Technologie und eines Smartphones lässt sich auf der Baustelle prüfen, ob ein Bauteil tatsächlich vom gewählten Hersteller ist oder stattdessen ein Billig-Bauteil geliefert wurde.

Foto: Fraunhofer IPM

Auch sehr kleine Bauteile, bei denen keine Markierung möglich ist, oder Bauteile mit funktionalen Oberflächen können auf diese Weise erstmals rückverfolgt werden.

Fehlerquellen am Bau minimieren, Produktfälschungen vorbeugen, Rückbau unterstützen

Auf der Baustelle wird das Element an der entsprechenden Stelle mithilfe eines Smartphones fotografiert und per Zugriff auf die Fingerprint-Datenbank abgeglichen. Die T&T-App liefert alle wichtigen Hinweise für die Installation – so wird sichergestellt, dass das Bauteil am richtigen Ort ordnungsgemäß verbaut wird.

Zusätzlich zeigt der Abgleich, ob es sich tatsächlich um das im Werk registrierte Original-Bauteil handelt. Auf diese Weise lassen sich Produktfälschungen entlarven, die gerade bei hochwertigen, sicherheitsrelevanten Bauteilen immer häufiger an der Tagesordnung sind.

Ein weiterer Vorteil: Beim späteren Rückbau von Gebäuden liefert die Fingerprint-ID auch nach Jahren Informationen zum verbauten Element – so können Herstellerdaten wie zum Beispiel Materialzusammensetzung, Gewicht oder Hinweise zum fachgerechten Rückbau ausgelesen werden.

Weitere Informationen auf der BAU 2023

Auf der diesjährigen Fachmesse BAU 2023 in München zeigt Fraunhofer IPM, wie ein Verfahren zur markierungsfreien Rückverfolgung hilft, Fehlerquellen auf der Baustelle zu reduzieren und die Authentizität von Bauelementen zu prüfen – und wie sich künstliche Intelligenz für die Erfassung von Bestandsgebäuden nutzen lässt.

Prof. Alexander Reiterer hält zum Thema „Multimodale Vermessung und KI-basierte Modellierung“ am Mittwoch, 19. April, um 11:00 Uhr einen Vortrag.

Einen weiteren Vortrag vom Fraunhofer IPM gibt es am Freitag, 21. April, um 11:20 Uhr. Dr. Carl Basler spricht dann über Asbest-Erkennung in RC-Beton mithilfe laserinduzierter Plasmaspektroskopie (Laser Induced Breakdown Spectroscopy, LIBS).

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Von Fraunhofer IPM / Karlhorst Klotz