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Forschung und Entwicklung 01.09.2015, 00:00 Uhr

Dreidimensionale Charakterisierung der Kornform und Scharfkantigkeit von Gesteinskörnungen mittels Röntgen-Computertomographie

Die Kornform und die Scharfkantigkeit sind die wichtigsten Parameter für Gesteinskörnungen und besitzen somit einen entscheidenden Einfluss auf das Gebrauchsverhalten der Baustoffe Asphalt und Beton. Im vorliegenden Forschungsbericht wird das Aggregate Image Measurement System (AIMS II) und die Röntgen-Computertomographie (XCT) als Prüfverfahren verwendet und verschiedene Parameter ermittelt, um die Gesteinskörner jeweils zwei- und dreidimensional zu charakterisieren. Die Erkenntnisse dieses Forschungsvorhabens stellen einen wichtigen Schritt hinsichtlich der qualitativen Bewertung der Kornform sowie der Beurteilung der Scharfkantigkeit von Gesteinskörnern im Straßenbau dar.

 

 

Foto: PantherMedia / serenethos

1 Einleitung

Die Gesteinskörnung ist aufgrund des großen Masseanteils im Beton und Asphalt (> 90 M.%) maßgebend für die Qualität der Bauwerke im Hochbau und im Straßenbau. In den Regelwerken werden daher verschiedene Anforderungen an die Beschaffenheit von Gesteinskörnungen definiert.

Die Kornform und die Scharfkantigkeit sind die wichtigsten Parameter für die Gesteinskörnungen und haben einen entscheidenden Einfluss auf die Verzahnung und die Kraftübertragung des Korngerüstes [1], [2], [3] sowie das Gebrauchsverhalten der Baustoffe Asphalt [4], [5] und Beton [6], [7]. In den Technischen Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TL Gestein StB) werden beispielsweise Anforderungen bezüglich der Kornform der groben Gesteinskörnung und des Anteils gebrochener Oberflächen (Bruchflächigkeit) formuliert.

Zur Beurteilung der Kornform grober Gesteinskörnungen kann die Kornformkennzahl SI [M.-%] nach DIN EN 933–4 herangezogen werden. Mithilfe eines Kornformmessschiebers lassen sich die Körner aussondern, deren Verhältnis Länge zu Dicke größer als 3 : 1 ist. Der Anteil der Körner [M.-%] mit einer derartigen Kornform bezogen auf die gesamte Messprobe entspricht der Kornformkennzahl SI [M.-%]. Je kleiner SI ist, desto kubischer (besser) ist die Kornform der Lieferkörnung. Laut TL Gestein darf der SI-Wert beispielweise bei einer Lieferkörnung 8/11 zur Anwendung in einem Asphaltbinder maximal 20 M.-% betragen (Anforderungskategorie SI20). Besonders bei offenporigen Asphaltbelägen werden erhöhte Anforderungen an die Kornform gestellt, damit sowohl der geforderte Hohlraumgehalt als auch ein hoher Widerstand gegen Kornzertrümmerung gewährleistet werden können.

Die Ermittlung der Bruchflächigkeit und des Anteils von Bruchkorn erfolgt derzeit in Deutschland durch eine visuelle Beurteilung jedes Kornes einer Messprobe von Gesteinskörnungen. Als vollständig gebrochen gelten Körner mit mehr als 90 Prozent gebrochener Oberfläche. Laut TL Gestein wird beispielweise für den Einsatz einer Lieferkörnung 8 / 11 in einem Splittmastixasphalt die vollständige Bruchflächigkeit C100/0 gefordert. Dies entspricht einem Massenanteil von 100 M.-% vollständig sowie überwiegend gebrochener Körner und 0 M.-% vollständig gerundeter Körner, sogenannter Rundkörner.

2 Problemstellung und Zielsetzung

Als Nachteile der beiden genannten Verfahren sind eine unzureichende Genauigkeit sowie ein erheblicher Zeitaufwand zu nennen. Außerdem sind diese als subjektiv einzustufen, da die Versuchsergebnisse von der Erfahrung und Routine des ausführenden Laboranten abhängig sind. Des Weiteren erfolgt durch die oben genannten Verfahren lediglich eine qualitative Beurteilung der Gesteinskörner. Wenn die betrachteten Körner dem geforderten Verhältnis von 3 : 1 entsprechen und als gebrochen beurteilt werden, kann daraus keine weiterführende, quantitative Aussage abgeleitet werden. Es kann nicht spezifiziert werden, ob beispielsweise ein Verhältnis der Kornlänge zu Korndicke von 2 : 1 oder gar von 1 : 1 vorliegt, was auf eine ausgeprägt kubische Kornform hinweisen würde (Probe 6 und 12). Im Bereich der Bruchflächigkeit ist bei Anwendung des genannten Verfahrens keine Aussage über die Ausprägung der Scharfkantigkeit abzuleiten, selbst wenn alle Körner gebrochen sind (Probe 10 und 12).

Um die beschriebenen Problematiken lösen zu können, ist es hilfreich einen Blick in die digitale Bildtechnik zu werfen [5], [10], [11], [12], [13], [14], [15], [16], [17]. Der sogenannte University of Illinois Aggregate Image Analyzer (UIAIA) wurde zur Beurteilung der Kornform grober Gesteinskörnung entwickelt. Masad und Wang ist es mithilfe des sogenannten Aggregate Imaging Measurement System (AIMS) sowie des Fourier Transform Interferometry (FTI) Systems gelungen, die Kornform, die Kantigkeit sowie die Oberflächentextur von sowohl grober als auch feiner Gesteinskörnung zu beurteilen [5], [11]. Zusätzlich wurde ein Modell zur Abschätzung des dynamischen E-Moduls von Asphaltgemischen in Abhängigkeit verschiedener Parameter entwickelt, anhand derer die Kornforn beschrieben werden kann.

Auf Basis der Literaturrecherche kann grundsätzlich festgehalten werden, dass bei einem Großteil der bisher durchgeführten Untersuchungen lediglich eine zweidimensionale Betrachtungsweise der Gesteinskörner erfolgt ist. Die Beurteilung der Kornbeschaffenheit ist somit in hohem Maße von der Auswahl und insbesondere der Positionierung / Orientierung der Gesteinskörner abhängig, wodurch die Güte der Beurteilung negativ beeinflusst und das Ergebnis letztlich verfälscht werden kann. Aus diesem Grund ist eine präzise Beschreibung und Bewertung der Kornform sowie der Bruchflächigkeit der verwendeten Gesteinskörnung unerlässlich [18], [19], [20]. Im vorliegenden Forschungsbericht wird das Aggregate Image Measurement System (AIMS II) und die Röntgen-Computertomographie (XCT) als Prüfverfahren verwendet, um die Gesteinskörner zwei- und dreidimensional zu charakterisieren. Hierbei werden Parameter zur Beschreibung der Kornform (wie z. B. Sphärizität) und der Bruchflächigkeit (wie z. B. Kantigkeit) ermittelt. Die Ergebnisse beider Betrachtungsweisen werden anschließend miteinander verglichen und auf Plausibilität geprüft.

3 Untersuchungsmethodik

3.1 Aggregate Imaging Measurement System (AIMS II)

Das weltweit verbreitete Aggregate Image Measurement System (AIMS II) ist ein integriertes System, welches aus Bilderfassungs-Hardware und einem Computer zur Erfassung und zur Analyse von Daten besteht. Die Bilderfassungs-Hardware sammelt digitale Bilder und vermisst Gesteinskörner mithilfe einer hochauflösenden Digitalkamera und einem Vergrößerungsmikroskop. Es werden verschiedene Behälter verwendet, um die verschiedenen Korngrößen zwischen 0,075 Millimeter und 25 Millimeter zu separieren. Mittels Hintergrundbeleuchtung wird ein Profilbild des jeweiligen Gesteinskorns erstellt und mittels Oberbeleuchtung dessen Höhe gemessen.

Die Software von AIMS II verwendet die erstellten Bilder zur Beurteilung der Kornform und Kornkantigkeit anhand eines 2D-Sphärizitäts- und eines zweidimensionalen Kantigkeitsindex. Die zweidimensionale Sphärizität ist eine Kenngröße für die Ausprägung der kubischen Kornform und beschreibt, wie kugelförmig ein Gesteinskorn ist. Sie liegt zwischen 0 und 1, wobei ein Wert von 1 einem kugelförmigen Körper entspricht.

 

Der vollständige Beitrag ist erschienen in:
Bauingenieur 9.2015, Seite 436-443

 

Literatur

[1] Singh, D.; Zaman, M.; Commuri, S.: Inclusion of aggregate angularity, texture, and form in estimating dynamic modulus of asphalt mixes. In: Road Materials and Pavement Design, Vol. 13 (2012), Iss. 2, pp. 327–344.

[2] Arasan, S.; Yenera, E.; Hattatoglu, F.; Hinislioglua, S.; Akbuluta, S.: Correlation between Shape of Aggregate and Mechanical Properties of Asphalt Concrete. In: Road Materials and Pavement Design, Vol. 12 (2011), Iss. 2, pp. 239–262.

[3] Chen, J. S.; Chang, M. K.; Lin, K. Y.: Influence of coarse aggregate shape on the strength of asphalt concrete mixtures. In: Journal of the Eastern Asia Society for Transportation Studies, Vol. 6 (2005), pp. 1062 – 1075.

[4] Pan, T.; Tutumluer, E.; Carpenter, S. H.: Effect of Coarse Aggregate Morphology on Permanent Deformation Behavior of Hot Mix Asphalt. In: Journal of Transportation Engineering, Vol. 132 (2006), Iss. 7, pp. 580–589.

[5] Masad, E.; Little, D.; Sukhwani, R.: Sensitivity of HMA Performance to Aggregate Shape Measured Using Conventional and Image Analysis Methods. In: Road Materials and Pavement Design, Vol. 5 (2004), Iss. 4, pp. 477–498.

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[8] Powers, M. C.: A New Roundness Scale for Sedimentary Particles. In: Journal of Sedimentary Petrology, Vol. 23 (1953), Iss. 2, pp. 117–119.

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[11] Wang, L. B.; Sun, W. J.; Tutumluer, E.; Druta, C.: Evaluation of Aggregate Imaging Techniques for the Quantification of Morphological Characteristics. In: Journal of the Transportation Research Board, Vol. 2335 (2013), pp. 39–49.

[12] Chandan, C.; Sivakumar, K.; Masad, E.; Fletcher, T.: Application of Imaging Techniques to Geometry Analysis of Aggregate Particles. In: Journal of Computing in Civil Engineering, Vol. 18 (2004), Iss. 1, pp. 75–82.

[13] Kuo, C. Y.; Rollings, R. S.; Lynch, L. N.: Morphological Study of Coarse Aggregates Using Image Analysis. In: Journal of Materials in Civil Engineering, Vol. 10 (1998), Iss. 3, pp. 135–142.

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[15] Kwan, A. K. H.; Mora, C. F.; Chan, H. C.: Particle Shape Analysis of Coarse Aggregate Using Digital Image Processing. In: Cement and Concrete Research, Vol. 29 (1999), Iss. 9, pp. 1403–1410.

[16] Mora, C. F.; Kwan, A. K. H.: Sphericity, shape factor, and convexity measurement of coarse aggregate for concrete using digital image processing. In: Cement and Concrete Research, Vol. 30 (1999), Iss. 3, pp. 351–358.

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[19] Lanaro, F.; Tolppanen, P.: 3D characterization of coarse aggregates. In: Engineering Geology, Vol. 65 (2002), Iss. 1, pp. 17–30.

[20] Zelelew, H.M.; Almuntashri, A.; Agaian, S.; Papagiannakis, A.T.: An improved image processing technique for asphalt concrete X-ray CT images. In: Road Materials and Pavement Design, Vol. 14 (2013), Iss. 2, pp. 341–359.

[21] You, Z., Adhikari, S., Dai, Q.: Three-Dimensional Discrete Element Models for Asphalt Mixtures. In: Journal of Engineering Mechanics, Vol. 134 (2008), Iss. 12, pp. 1053–1063.

[22] Kim, H.; Buttlar, W.G.: Discrete fracture modeling of asphalt concrete. In: International Journal of Solids and Structures, Vol. 46 (2009), Iss. 13, pp. 2593–2604.

Von H. Wang, Y. Bu, D. Wang, M. Oeser

Professor Ph.D. Hainan Wang, Highway School Chang’an University, China Research Assistant Yin Bu Highway School Chang’an University, China
Dr.-Ing. Dawei Wang, Institut für Straßenwesen Aachen RWTH Aachen University
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Markus Oeser, Institut für Straßenwesen Aachen RWTH Aachen University