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Schwingungsdämpfung 01.01.2019, 00:00 Uhr

Wasserdichter Erdbebenschutz

Die neue Cayirhan-Brücke ist Teil des Ausbaus der D140 Ankara-Nallihan-Yolu zur Autobahn. Sie entsteht neben der Bestandsbrücke und liegt am oberen Ende des Sariyar-Stausees, also dort, wo der Fluss Sakarya zeitweise durch den Rückstau im Becken zum See wird. Aus diesem Grund müssen die riesigen Gleitpendellager dem Hochwasser standhalten.

Neben der alten Cayirhan-Brücke ist die Baustelle für die neue Doppelbrücke mit Tunnelanschlüssen zu erkennen. Abb.: Maurer

Neben der alten Cayirhan-Brücke ist die Baustelle für die neue Doppelbrücke mit Tunnelanschlüssen zu erkennen. Abb.: Maurer

Die Cayirhan Brücke führt über den Sariyar-Stausee westlich von Ankara und ihre Pfeiler sind regelmäßigen Überflutungen ausgesetzt. Für den Neubau der Brücke wurden große Gleitpendellager (SIP) entwickelt, die drei Kernaufgaben erfüllen müssen: Jederzeit funktionsfähig ohne dass Schmutzpartikel eindringen können, Abtragung hoher Lasten von über 10 000 Tonnen sowie Service- und Erdbebenbewegungen mit entsprechender Reduzierung der Horizontalkräfte zu ermöglichen. Maurer bekam den Auftrag für diese SIP-Lager sowie alle weiteren Lager der Brücke.

Die neue Konstruktion ist eine Doppelbrücke mit je 13,5 Metern Breite und 270 Metern Länge pro Fahrtrichtung. Jede Brücke hat zwei Fußpunkte mit einem Abstand von 176 Metern. Von jedem Fußpunkt aus ziehen sich zwei Betonstreben schräg nach oben und bilden einen Ständer in Form eines geneigten Dreiecks. Herzstück des Lagerungssystems sind große SIP-Lager an den Fußpunkten, die überflutet werden können. Hinzu kommen Flachgleitlager im Strebenbereich und Kalottenlager an den beiden Widerlagern.

Hohe Lasten und Überflutung

Drei Aspekte definieren die Rahmenbedingungen für die SIP-Lager an den Fußpunkten der Cayirhan Brücke:

  • Überflutung
  • Erdbebengefahr
  • Hohe Auflast

Für den Lastfall Erdbeben musste eine Auflast von 45 MN, sowie für den Traglastfall (ULS) 101 MN berücksichtigt werden.

Um diese Lager vor Verschmutzungen im Überflutungsfall zu schützen, erhielten sie einen aufwendigen, umlaufenden Schutzring aus zehn Millimeter starkem Chloropren-Spezialgummi. Der Gummischutz ist eine Sonderanfertigung einer Firma, die solche gleichermaßen beweglichen wie wasserdichten Ummantelungen für den Hafenbereich herstellt. Der Gummiring ist mit einer Wölbung ausgestattet, welche die Beweglichkeit des Lagers sicherstellt.

Die Überflutungen stellen zudem besondere Anforderungen an den Korrosionsschutz, da fließendes Wasser immer auch kleine Sandpartikel mitträgt, die am Korrosionsschutz nagen. Deshalb wurden alle Lagerteile, die nicht vom Gummimantel geschützt sind, aus Edelstahl gefertigt. Der gewählte Stahl hat die gleiche Festigkeit und Tragfähigkeit, aber er korrodiert nicht.

Vierfachfunktion im Erdbebenfall

Die Lager sind so ausgelegt, dass sie im Erdbebenfall Bewegungen in alle Richtungen erlauben. Weitere Vorgaben waren freie Verdrehbarkeit der Lager, 5,5 Prozent Gleitreibung und 3,5 Meter Radius in der Gleitplatte.

Daraus ergaben sich sehr große Lager mit einem Durchmesser von 1,90 Meter. Gleichzeitig sind diese Lager in der Lage, die Traglast von 101 MN aufzunehmen.

Die Gleitpendellager vom Typ SIP (Maurer Sliding Isolation Pendulum) erfüllen vier Aufgaben im Erdbebenfall:

  • Sie übertragen Vertikallasten von bis zu 56 MN.
  • Sie isolieren das Brückendeck von der Gründung und erlauben horizontale Verschiebungen von ± 157 mm.
  • Sie dissipieren Erdbebenenergie über Reibung.
  • Sie rückzentrieren den Brückenüberbau nach einem Erdbeben in die Mittelposition aufgrund der konkav gekrümmten Gleitplatte.

Die auf einer Seite beweglichen Gleitpendellager enthalten als Kippelement eine „Kalotte“, bei der auch die obere Fläche leicht gekrümmt ist. Diese Kalotte wurde aus MSA gefertigt, einer korrosionsbeständigen Metalllegierung (MSA – Maurer Sliding Alloy), die von Maurer entwickelt wurde. Bei Brückenbewegungen gleitet diese Kalotte in der konkaven Gleitplatte horizontal und beschreibt dabei eine Pendelbewegung, wobei durch die Speicherung potenzieller Energie das Lager immer wieder automatisch bei jedem Erdbeben zur Mitte zurückzentriert.

Die auftretende Gleitreibung von 5,5 Prozent wirkt als eine Art Bremse und stellt sicher, dass die geplanten Erdbebenbewegungen des Überbaus nicht größer als geplant werden. Diese horizontal flexible Lagerfunktion ermöglicht die horizontalen Erdbebenbelastungen um circa Faktor vier, gegenüber einer starren Festhaltung, ab zu mindern.

Eingebaut wurden acht Lager, je zwei an jedem Fußpunkt. Sie sind auf eine Traglast von 101 857 kN ausgelegt.

Flachgleitlager für Längsbewegungen

Zum Lagersystem gehören außerdem Flachgleitlager und Kalottenlager. Beide Typen werden nicht überflutet.

Die acht Flachgleitlager erlauben allseitige horizontale Verschiebungen und bestehen aus einer Polyethylen-Scheibe (MSM), die gegen poliertes Edelstahlblech gleitet. Diese werden an den äußeren Streben auf halben Weg nach oben eingebaut. Sie sind für eine Auflast von 36 690 kN ausgelegt und haben einen Durchmesser von rund einem Meter.

Kalottenlager für Vertikalkräfte

Eine besondere Konstruktion sichert die Brücke gegen abhebende Kräfte. Das Brückendeck mündet mit einer Betonnase in die Widerlagerstruktur. Das Widerlager umgreift die Brückennase klauenartig.

Dazwischen, also über und unter der der Brückennase, ist je ein Kalottenlager eingebaut. Die insgesamt 16 Lager nehmen die Zug- und Druckkräfte auf. Sie sind auf je 21 654 kN ausgelegt. Außerdem kompensieren sie Verschiebungen und über ein inneres Gelenk – Kalotte genannt – Verdrehungen des Brückendecks.

Die großen SIP-Gleitpendellager wurden im März 2018 eingebaut, die weiteren Lager folgten nach Baufortschritt bis Ende 2018. Die Cayirhan-Brücke mit anschließenden Tunnelarbeiten soll im Frühjahr 2019 fertiggestellt sein.

www.maurer.eu

Der Gummiring schützt das SIP-Lager vor dem Eintrag von Schmutzpartikeln bei Überflutung. Abb.: MAURER

Der Gummiring schützt das SIP-Lager vor dem Eintrag von Schmutzpartikeln bei Überflutung. Abb.: MAURER

Die innere rote Kalotte kann an der oberen konkaven Gleitplatte horizontal entlanggleiten und führt dabei eine Pendelbewegung aus. Abb.: MAURER

Die innere rote Kalotte kann an der oberen konkaven Gleitplatte horizontal entlanggleiten und führt dabei eine Pendelbewegung aus. Abb.: MAURER