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Baumanagement 01.11.2016, 10:22 Uhr

Wechselwirkungen zwischen Lean Construction und der Arbeitsmethode BIM am Beispiel der BIM

In der Planung und Ausführung von Hochbauvorhaben haben sich zwei übergeordnete Wege zur ganzheitlichen Optimierung des Bauprozesses entwickelt. Mithilfe des Management-Ansatzes Lean Construction und der Arbeitsmethode Building Information Modeling (BIM) soll der Bauprozess nachhaltig verbessert werden. Lean Construction und BIM werden aktuell in Deutschland größtenteils unabhängig voneinander gesehen und angewendet. Allerdings existieren bei dem Management-Ansatz und der Arbeitsmethode in zahlreichen Bereichen Gemeinsamkeiten, sodass eine kombinierte Anwendung als sinnvoll erscheint und zu einer ganzheitlichen Verbesserung führen kann. Für eine gemeinsame Anwendung sollten im Vorfeld die Schnittstellen und Gemeinsamkeiten von Lean Construction und BIM geprüft und dargestellt werden.

 

 

Foto: PantherMedia / ideyweb

Hierzu wurde am Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart ein Forschungsvorhaben durchgeführt, in dem die Schwierigkeiten einer gemeinsamen Anwendung analysiert und Schnittstellen sowie Synergien von Lean Construction und BIM dargestellt wurden. Die Schnittstellen und Synergien sind durch eine internationale Literaturrecherche ermittelt worden. In dem vorliegenden Beitrag werden die wesentlichen Inhalte des Forschungsvorhabens „Wechselwirkungen zwischen Lean Construction und der Arbeitsmethode BIM“ beschrieben. Der Schwerpunkt in diesem Beitrag liegt dabei auf den Schnittstellen zwischen Lean Construction und den zwei BIM-Anwendungsfällen Visualisierung und Bauablaufmodellierung. Die Ergebnisse der Schnittstellenanalyse machen deutlich, dass zahlreiche BIM-Anwendungen im Einklang mit den Zielen, Werkzeugen und Methoden sowie Prinzipien von Lean Construction stehen. Aus dieser Analyse wird das Phasenmodell abgeleitet, welches eine strategische Anwendung der beiden Ansätze über den kompletten Planungs- und Bauprozess empfiehlt. Dieses Modell kann Entscheidungsträgern dabei als übersichtliches Werkzeug zur Entwicklung eines integrierten BIM-Lean-Prozesses dienlich sein.

1 Einleitung

Ein begrenztes Kostenbudget des Bauherrn, strenge Terminvorgaben während der Bauzeit und hohe Ansprüche an die Qualität stellen bekannte Herausforderungen in der Baubranche dar. Eine zunehmende Komplexität und Dynamik bei der Planung und Ausführung von Hochbauvorhaben führt zu der fortlaufenden Forderung von Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Kostenreduzierung. Neben der Verbesserung von Baustoffen und Fertigungstechniken sowie einer Technisierung der Planungs- und Ausführungswerkzeuge soll der gesamte Prozess mithilfe von Lean Construction und Building Information Modelling (BIM) ganzheitlich optimiert werden. Lean Construction ist ein Management-Ansatz, der aus der stationären Fertigungsindustrie des Automobilsektors auf das Bauwesen übertragen wurde. Dieser Ansatz basiert auf dem Gedanken, das gesamte Projekt und dessen Teilprozesse gemeinschaftlich in der Planung und Ausführung kontinuierlich zu verbessern. Dabei soll Verschwendung im Bauprozess reduziert werden. Das Ziel, den Kundenansprüchen gerecht zu werden, steht stets im Mittelpunkt [1]. Bei BIM handelt es sich um eine modellbasierte Arbeitsmethode, die sich die Innovationen des digitalen Zeitalters zu Nutze macht. BIM ermöglicht das mehrdimensionale Modellieren des Bauwerks, der Fachmodelle und des Bauablaufs. Dadurch können übergreifende Auswertungen erfolgen. Der Planungs- und Bauprozess wird transparent und zielgerichtet gestaltet [2].

Eine ganzheitliche und synchrone Anwendung von Lean Construction und BIM stößt in Deutschland auf gewisse Probleme und Hindernisse. So sind sich oftmals nicht alle Beteiligten bewusst, welche Vorteile und Möglichkeiten sich dadurch ergeben. Weitere Schwierigkeiten entstehen durch die Anwendung der VOB und der HOAI. Eine gemeinsame und ganzheitliche Anwendung von Lean Construction und BIM wurde in Deutschland bislang noch nicht durchgeführt.

Werden die beiden Wege über den kompletten Planungs- und Bauprozess konsequent und gemeinsam angewendet, kann dies zu einer deutlichen Prozessoptimierung führen [3]. Eine Analyse der Schnittstellen konnte zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen Lean Construction und BIM aufzeigen. Es wurde jedoch auch deutlich, dass eine gemeinsame und umfangreiche Anwendung oftmals an der Projektstruktur sowie der fragmentierten Prozessgestaltung scheitert. Durch bislang in sich abgeschlossene Projektphasen und die Vergabe an unterschiedliche Projektpartner können zwar Einzelprozesse optimiert werden, jedoch entstehen ungelöste Schnittstellenprobleme und der Gesamtprozess wird gefährdet [4]. Aus diesem Grund wurde ein Phasenmodell entwickelt, das es dem Bauherrn in fünf Phasen ermöglichen soll, eine erfolgreiche Projektabwicklung mit innovativen Methoden durchzuführen.

2 Grundlagen Lean Construction und BIM

Eine einheitliche Definition von genauen Leistungsbereichen kann bei Lean Construction nicht getroffen werden. Lean Construction setzt sich aus zahlreichen Methoden, Prinzipien und Werkzeugen zusammen. Der Anwendungserfolg ist von einer bestmöglichen Kombination dieser Sammlung abhängig. Grundsätzlich handelt es sich bei Lean Construction um einen Management-Ansatz zur Organisation des Bauprozesses. Mittlerweile wird Lean Construction jedoch eher als eine Philosophie mit dem Ziel, Verschwendung zu reduzieren und den Kundenwünschen gerecht zu werden, gesehen [5]. Die Identifikation und Beseitigung von Verschwendung gilt als zentrales Element des Lean-Gedankens. Verschwendung kann beispielsweise durch Fehlplanungen oder Fehler in der Bauausführung bei der Übergabe eines Gewerks an ein anderes entstehen. Es können sieben übergeordnete Arten der Verschwendung identifiziert werden [6]. Beispiele aus dem Bauprozess sind folgende:

  1. Wartezeiten: Verzögerungen vorgelagerter Gewerke oder unpünktliche Materiallieferungen,
  2. Überproduktion: fehlerbehaftete Kalkulation oder maximale Maschinenauslastung,
  3. Transport: unnötige Laufwege der Arbeiter, um an Materialien oder Informationen zu gelangen,
  4. Arbeitsprozess: Verwendung ungeeigneter Werkzeuge oder ineffektiver Arbeitsmethoden,
  5. Lagerbestände: große Materiallager, die gegen Diebstahl gesichert werden müssen und Flächen beanspruchen,
  6. Entbehrliche Bewegungen: eine geringe Standardisierung des Arbeitsprozesses kann entbehrliche Bewegungen hervorrufen,
  7. Materialfehler: bei einer vor-Ort-Fertigung beeinflusst durch äußere Umwelteinflüsse.

Diese Arten der Verschwendung sollen anhand von Prinzipien und Ausführungswerkzeugen behoben werden. Dabei nimmt das Streben nach Perfektion eine wichtige Rolle ein. Dies lässt sich durch kontinuierliche Verbesserung erreichen. Die schrittweise fortwährende Verbesserung einzelner Aktivitäten führt zu der Verringerung von Verschwendung und zu einer erhöhten Wertschöpfung. Der Gedanke einer kontinuierlichen Verbesserung soll für alle Projektbeteiligten und Mitarbeiter gelten [7]. Zur erfolgreichen Umsetzung einer kontinuierlichen Verbesserung kann unter anderem der PDCA-Zyklus eingesetzt werden. Dieser beschreibt einen Verbesserungsprozess in den vier Phasen Planen („Plan“), Ausführen („Do“), Überprüfen („Check“) und Verbessern („Act“) [8]. Als Beispiel aus dem Bauprozess kann die wöchentliche Arbeitsplanung genannt werden. Zu Beginn der Woche treffen sich dabei alle Beteiligten und stellen einen Plan auf, wodurch der zu erzielende Fortschritt bis zum Ende der Woche festgelegt wird („Plan“). Die Ausführung des Plans („Do“) wird täglich überprüft („Check“). Falls Änderungen und Anpassungen des Wochenplans notwendig werden, kann bei der täglichen Überprüfung rechtzeitig reagiert werden und eine neue Tagesplanung wird umgesetzt („Act“) [9]. Bild 1 verdeutlicht das Ziel der kontinuierlichen Verbesserung anhand des PDCA-Zyklus. Als erfolgreiche Lean Construction-Methode gilt zudem das Last-Planner-System. Dieses System soll eine vorausschauende, strukturierte und kooperative Planung gewährleisten und die Zuverlässigkeit von Prozessen steigern [10].

Bild 1. Kontinuierliche Verbesserung mit dem PDCA-Zyklus [6]

Bild 1. Kontinuierliche Verbesserung mit dem PDCA-Zyklus [6]

Seit dem Beginn des digitalen Zeitalters hat die Anwendung von softwarebasierten Methoden zur Planung und Ausführung von Bauprojekten an Relevanz zugenommen. Nachdem CAD-Systeme das Zeichenbrett abgelöst haben und sich parallel Softwarelösungen zur Kostenkalkulation sowie zur Termin- und Qualitätsüberwachung entwickelten, besteht der nächste Entwicklungsschritt in einer übergeordneten Planungs- und Ausführungsmethode, die in einem virtuellen Gebäudemodell zahlreiche Steuerungs- und Auswertungsfunktionen integrieren soll. Diese Methode ist allgemein als Building Information Modeling (BIM) bekannt. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat BIM in dem Stufenplan digitales Bauen wie folgt definiert: „Building Information Modeling bezeichnet eine kooperative Arbeitsmethodik, mit der auf der Grundlage digitaler Modelle eines Bauwerks die für seinen Lebenszyklus relevanten Informationen und Daten konsistent erfasst, verwaltet und in einer transparenten Kommunikation zwischen den Beteiligten ausgetauscht oder für die weitere Bearbeitung übergeben werden“ [11]. BIM kann als ein semantisches CAD-Modell verstanden werden. Bauteile sind in diesem Modell nicht nur Volumenkörper, sie werden mit nichtgeometrischen Informationen und Attributen versehen. Bei einer vollumfänglichen Nutzung von BIM können über den kompletten Lebenszyklus eines Objekts dessen Informationen und Eigenschaften stets überprüft werden.

Als erfolgreiche Technologie, die mit der Etablierung von BIM ebenfalls Einzug ins Bauwesen gehalten hat, gilt die Kollisions- und Modellprüfung. Zahlreiche Fachplaner können dabei parallel an deren Modellen planen. Diese Modelle werden daraufhin in einem Koordinierungsmodell zusammengefügt [12]. Anhand einer automatischen Prüfung des Modells auf Schnittstellen und Kollisionen werden Planungsfehler frühzeitig erkannt. In Abstimmung mit den betroffenen Fachplanern werden diese Konflikte beseitigt. Lösungen werden in das Gebäudemodell eingepflegt. Dies kann Behinderungen in der späteren Bauausführung reduzieren.

Eine Eingliederung der Lean Construction-Werkzeuge und -Methoden sowie der BIM-Anwendungen in die Projektstufen gemäß Heft Nr. 9 AHO (Projektvorbereitung, Planung, Ausführungsvorbereitung, Ausführung, Projektabschluss) zeigt, dass sowohl bei Lean Construction als auch bei BIM eine frühzeitigere Ausführung wesentlicher Planungsschritte den Planungs- und Bauprozess neu strukturiert und fließende Übergänge zwischen den Projektphasen erzeugt. Bild 2 verdeutlicht dies bei der Eingliederung von ausgewählten BIM-Anwendungen in die Projektstufen.

Bild 2. Integration ausgewählter BIM-Anwendungen in die Projektstufen gemäß Heft Nr. 9 AHO Abb.: F. Berner et al.

Bild 2. Integration ausgewählter BIM-Anwendungen in die Projektstufen gemäß Heft Nr. 9 AHO Abb.: F. Berner et al.

Die Vorverlagerung von Planungsschritten stellt die Beteiligten im Umgang mit der VOB sowie der HOAI vor gewisse Herausforderungen. Beispielsweise wird das Risiko gesehen, dass ein erhöhter Aufwand für die Beteiligten in den frühen Planungsphasen nicht leistungsgerecht vergütet wird [13]. Die Potenziale von BIM und Lean Construction können somit nur erschwert voll ausgeschöpft werden. Einer vollumfänglichen Einführung von BIM und Lean Construction steht jedoch grundsätzlich nichts im Wege.

3 Schnittstellenanalyse

Die Grundlagen zu BIM und Lean Construction bilden die Basis für eine umfassende Schnittstellenanalyse. Vorab lässt sich festhalten, dass bei beiden Ansätzen alle am Bau Beteiligten gemeinschaftlich, möglichst von Beginn an und immer in enger Abstimmung mit dem Bauherrn planen sollten, da in beiden Fällen die frühzeitige Einbindung der wesentlichen Projektpartner ausschlaggebend für eine erfolgreiche Umsetzung ist [14].

Bei der Arbeitsmethode BIM fand zur Analyse der Schnittstellen mit Lean Construction eine Einteilung in die einzelnen Anwendungsaspekte statt. Als Anwendungen von BIM wurden Visualisierung, Kollisions- und Modellprüfung, Mengenermittlung, Baukostenermittlung, Detailplanung mit BIM, Simulation des Bauablaufes, spezifische Simulationen (beispielsweise bauphysikalische Simulationen) sowie die Datenauswertung einbezogen.

Bei Lean Construction wurde zur Analyse von Schnittstellen mit BIM eine Gliederung in Lean Construction-Ziele, -Werkzeuge, -Methoden und -Prinzipien vorgenommen. Diese Einteilung wurde weiter untergliedert. Als Ziele wurden die Vermeidung von Verschwendung sowie die bestmögliche Erfüllung der Kundenwünsche identifiziert. Als Lean Construction-Werkzeuge und -Methoden wurden unter anderem der Kontinuierliche Verbesserungsprozess, die Null-Fehler-Qualität sowie der PDCA-Zyklus ausgewählt. Als identifizierte Lean-Prinzipien gilt beispielsweise die Definition des Wertes aus Kundensicht. Als Kunde gilt dabei primär der Bauherr oder der Nutzer. Während des Bauprozesses wird das nachfolgende Gewerk als Kunde des vorangegangenen Gewerks verstanden. Eine weitere Methode ist die Wertstromanalyse (Identifikation, Analyse und Optimierung der Gewerke und Prozesse) sowie das Fluss-Prinzip (Erzeugung eines konstanten Produktionsflusses).

Nach Festlegung des Rahmens der Analyse wurden die BIM-Anwendungen mit jedem einzelnen Element der Lean-Ziele, -Werkzeuge, -Methoden und -Prinzipien auf Schnittstellen geprüft. Einen Auszug aus der Schnittstellenanalyse zeigt Bild 3. Die Ergebnisse der Schnittstellenanalyse basieren auf einer Literaturrecherche. Es wurde Literatur zu Lean Construction und zu BIM sowie Literatur, die sowohl den Management-Ansatz als auch die Arbeitsmethode behandelt, in einem strukturierten Suchprozess zusammengetragen. Die Stichwörter zur Durchführung der Literaturanalyse wurden sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch in relevante Datenbanken eingegeben. Die Qualität der eruierten Literatur wurde daraufhin auf Aktualität, Relevanz und Qualität geprüft. Es wurden dabei hauptsächlich Forschungsberichte, Zeitungsaufsätze, Dissertationen und Sammelbände berücksichtigt. Zur Identifikation möglichst vieler Schnittstellen sind weitere Bücher und Schriften hinzugezogen worden. Insgesamt konnten somit 26 Literaturquellen zu Lean Construction, 25 Literaturquellen zu BIM und sieben Literaturquellen, die Lean Construction und BIM behandeln, identifiziert werden. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Literaturquellen zur gemeinsamen Betrachtung von Lean Construction und BIM ausschließlich um Literatur aus dem englischsprachigen Raum handelt, da in Deutschland hierzu noch keine Veröffentlichungen vorhanden sind. Das Ergebnis der Literaturanalyse wurde nach Hinweisen zu möglichen Überschneidungen analysiert, ausgewertet und beschrieben. Darüber hinaus wurden eigene Überlegungen zu Überschneidungen angestellt. Die Zusammenhänge wurden in drei Kategorien gegliedert:

  • Kategorie 1: Positiv; Eine positive Auswirkung auf den Planungs- und Bauprozess bei einer gemeinsamen Anwendung kann festgestellt werden.
  • Kategorie 2: Auswirkung unklar; Bei gemeinsamer Anwendung im Planungs- und Bauprozess kann dies positive, negative oder neutrale Folgen auf den Planungs- und Bauprozess haben.
  • Kategorie 3: Negativ; Eine negative Auswirkung auf den Planungs- und Bauprozess bei einer gemeinsamen Anwendung kann nach aktuellem Wissens- und Technikstand festgestellt werden.

 

Bild 3. Schnittstellenanalyse ausgewählter BIM-Anwendungsfälle und Lean Construction Abb.: F. Berner et al.

Bild 3. Schnittstellenanalyse ausgewählter BIM-Anwendungsfälle und Lean Construction Abb.: F. Berner et al.

Anhand von Literaturquellen wurden diese theoretischen Schnittstellen belegt. Insgesamt konnten durch die Schnittstellenanalyse 69 positive Zusammenhänge zwischen Bestandteilen von BIM und Lean Construction beschrieben werden. Bei einer Schnittstelle konnte je nach Anwendung entweder ein positiver, ein negativer oder kein Zusammenhang festgestellt werden. Lediglich zwei BIM-Anwendungen können nach aktuellem Wissens- und Technikstand zu erhöhter Verschwendung im Bauprozess führen.

Beispielhaft wird in diesem Artikel die Prüfung der BIM-Anwendungen „Visualisierung“ und „Simulation des Bauablaufes“ auf Zusammenhänge mit Lean Construction dargestellt.

3.1 Schnittstelle „Visualisierung / Lean Construction“

Das geplante Gebäude kann durch BIM bereits in der Planungsphase mittels 3D-Visualisierung virtuell „begangen“ werden. Die dreidimensionale Visualisierung des Architekturmodells und der Fachmodelle sowie die Möglichkeit eines virtuellen Begehens sind förderlich für ein gemeinsames und identisches Entwurfsverständnis zwischen Planer, Bauherr und ausführenden Unternehmen [15]. Die bestmögliche Erfüllung der Kundenwünsche wird dadurch unterstützt. Der Endkunde kann aktiv in den Entscheidungsprozess eingebunden werden.

Eine kontinuierliche Verbesserung des Planungsentwurfs wird durch die Visualisierung erleichtert. Der Bauherr kann klar definieren, welche geplanten Aspekte noch nicht seinen Vorstellungen entsprechen. Das Streben nach einer fehlerfreien Planung kann bereits frühzeitig angegangen werden. Besonders bei komplexen Bauvorhaben weicht die tatsächliche Bauausführung oftmals stark vom eingereichten Architekturentwurf ab. Durch die Arbeitsmethode BIM können alle Entwurfsänderungen vereinfacht eingetragen und visualisiert werden. Der Bauherr kann damit in die Lösungsfindung komplexer Probleme wie beispielsweise dem Einfluss der Statik auf das Gebäudemodell mit eingebunden werden. Wird der PDCA-Zyklus auf die Werkplanung bezogen, so kann eine Visualisierung des Gebäudemodells und einzelner Fachmodelle positiven Einfluss auf den Planungsablauf erzeugen. Die Planer und Fachplaner stimmen dabei zu Beginn der Werkplanung ihr gemeinsames Vorgehen ab. Nachdem alle Aufgabengebiete und Verantwortlichkeiten geklärt sind, beginnt die fachspezifische Planung. Die einzelnen Fachmodelle werden daraufhin zusammengefügt. Als Vorstufe zu einer Kollisionsprüfung mit BIM können durch die Visualisierung und gemeinsame Darstellung der einzelnen Fachmodelle bereits größere Fehler und Unstimmigkeiten aufgedeckt und korrigiert werden. Die Einbindung der Visualisierung in den PDCA-Zyklus ist in Bild 4 dargestellt.

Bild 4. PDCA-Zyklus und Visualisierung während der Ausführungsplanung Abb.: F. Berner et al.

Bild 4. PDCA-Zyklus und Visualisierung während der Ausführungsplanung Abb.: F. Berner et al.

Durch die frühzeitige Darstellung von Raumstrukturen und Ausstattungselementen besteht die Chance, die Anforderungen des Nutzers in einem Kriterienkatalog bestmöglich zu formulieren. Somit wird durch BIM die Definition des Wertes aus Kundensicht erleichtert. Besonders der Endkunde bekommt durch die Visualisierung von Planungsmodellen und des fertiggestellten Gebäudes einen Eindruck über die Ausführung seiner bestellten Ware. Dadurch kann auch für fachfremde Kunden ein gutes Verständnis zu technischen Gebäudeaspekten hergestellt werden. Wird ein Gewerk an das Folgegewerk (den nachfolgenden Kunden) übergeben, so kann dieser anhand der Visualisierung überprüfen, ob tatsächlich alles wie geplant ausgeführt werden kann. Die bessere Darstellung der Planung in frühen Projektphasen führt insgesamt zu einer Förderung des Arbeitsflusses bei Planung und Ausführung [16]. Planer und ausführende Unternehmen entwickeln durch Visualisierungen ein besseres Verständnis füreinander. Der gemeinsame Dialog sowie das Eintragen von Plänen in ein gemeinsames Modell vereinfachen den Fluss durch eine bessere Darstellung des Designs in frühen Projektphasen. Weiterhin führt eine dreidimensionale Visualisierung dazu, dass von Seiten des Bauherrn und Nutzers bessere Entscheidungen in Bezug auf den späteren Betrieb getroffen werden. Zudem werden Wartezeiten verkürzt, da die Entscheidungsfindung durch eine bessere Darstellung beschleunigt wird [17]. Visualisierungen können eine frühzeitige Integration von Lean Construction-Methoden begünstigen. Verschwendung durch ein unterschiedliches Verständnis der Planungs- und Ausführungsaufgaben wird dabei vermieden.

 

3.2 Schnittstelle „Simulation des Bauablaufes / Lean Construction“

In BIM können die Modelle der Baustelleneinrichtung mit zeitabhängigen Informationen verknüpft werden, die dem Koordinationsterminplan entnommen werden [2]. Dadurch können alle Bauabläufe im Vorfeld simuliert werden, Schwierigkeiten, Probleme und Engpässe werden somit frühzeitig erkannt. Zusätzlich kann die Bestellung, Lieferung und Lagerung von Baustoffen rechtzeitig erfolgen und eine kontinuierliche Überwachung des Baufortschritts wird ermöglicht [15]. Die Verknüpfung des 3D-Modells mit dem Koordinationsterminplan führt zu der Entstehung eines sogenannten 4D-Modells.

Als alleiniges Führungs- und Steuerungselement während des gesamten Bauprozesses ist eine Simulation des Bauablaufes mit der Arbeitsmethode BIM noch nicht geeignet und kann nach aktuellem Stand der Technik noch nicht in der Form durchgeführt werden, dass Aufwand und Nutzen im Verhältnis stehen. Der Wissensstand sowie die Expertise der ausführenden Unternehmen sind dafür noch nicht ausreichend vorhanden. Notwendige Prozessdaten fehlen noch und herkömmliche Aufwandswerte zur Simulation des Bauablaufes sind zu ungenau, da beispielsweise nur der Vorgang „Einschalen“ erfasst wird und keine Angabe zur Fertigungsdauer der Teilvorgänge vorgenommen wird [18]. Die große Menge an Daten, die in das BIM-Modell eingepflegt werden müsste, könnte eine Unübersichtlichkeit im Modell auslösen. Zudem kann der Bauablauf nicht im Voraus auf die Stunde genau geplant werden, Umwelteinflüsse sowie logistische Randbedingungen sind nur sehr schwer zu berechnen. Daher würde der Aufwand zum Erstellen eines Bauablaufmodells noch nicht im Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen. Theoretisch müsste der Bauablauf bei jeder zeitlichen Änderung im Modell sofort angepasst und neu eingestellt werden. Als unterstützendes Werkzeug kann jedoch eine 3D-Visualisierung des Bauablaufes bereits heute zum Erreichen der Lean-Ziele beitragen, indem der Bauablauf mit dem BIM-Modell verlinkt wird. Die Terminplanung kann durch das Auslesen einzelner Fertigungsprozesse optimiert werden und das Planen und Erzeugen eines konstanten Produktionsflusses wird erleichtert.

4 Phasenmodell

Anhand der Ergebnisse der Schnittstellenanalyse wurde ein Phasenmodell aus Sicht des Bauherrn entwickelt, das eine allgemeingültige Empfehlung zur Eingliederung von BIM und Lean Construction in den Bauprozess abgibt, wie Bild 5 zeigt. Der Bauherr ist über den gesamten Planungs- und Bauprozess am Vorhaben beteiligt, kann die am Bau beteiligten Unternehmen auswählen und legt die Eckdaten für die spätere Nutzung fest, was für ihn die Möglichkeit bietet, bestmöglich auf den Bauablauf einzuwirken. Bei dem Modell handelt es sich um einen theoretischen Vorschlag. Es basiert auf der Literaturrecherche, den ausgewerteten Zusammenhängen und den daraus entstandenen logischen Schlussfolgerungen. Es handelt sich um kein validiertes Modell, sondern soll vielmehr als Innovationsansatz für die Bau-Praxis verstanden werden. Das Modell ist in insgesamt vier Phasen gegliedert. Die Phasenübergänge dienen als Qualitätsportale, vor welchen jeweils überprüft werden sollte, ob der aktuelle Verlauf noch den gewünschten Anforderungen entspricht und ob ein einheitliches Zielverständnis vorliegt.

Bild 5. Phasenmodell zur Anwendung von BIM und Lean Construction in Bauprojekten Abb.: F. Berner et al.

Bild 5. Phasenmodell zur Anwendung von BIM und Lean Construction in Bauprojekten Abb.: F. Berner et al.

 

4.1 Phase 1: Entwicklung einer Strategie

In dieser Phase soll der Bauherr seine Fachkenntnis für eine integrierte Projektabwicklung mit BIM und Lean Construction überprüfen. Bei Bedarf sollten externe Berater hinzugezogen werden. Das gesamte Bauherren-Team sollte zur Entwicklung eines einheitlichen Zielverständnisses Schulungen und Workshops abhalten.

4.2 Phase 2: Auswahl übergeordneter Projektpartner

Eine Strategie zur Projektabwicklung und ein Regelwerk/Leitfaden für die Anwendung von BIM und Lean Construction werden entwickelt. Im Anschluss sollten die übergeordneten Planungs- und Bauleistungen mit dem Hinweis auf die Anwendung von BIM und Lean Construction vergeben werden. Sobald geeignete Partner gefunden wurden, sollten Schulungen und Workshops stattfinden. Die Projektpartner bilden zusammen mit dem Bauherrn das Kernteam, das den weiteren Planungs- und Bauablauf gemeinschaftlich koordiniert.

4.3 Phase 3: Auswahl von Fachplanern, Nachunternehmern und Lieferanten

Die projektbeteiligten Personen verlegen ihren Arbeitsplatz in einen „Big Room“, in welchem gemeinschaftlich geplant werden soll. Fachplaner, Nachunternehmer und Lieferanten von Schlüsselelementen werden ausgewählt. Sie sollten ebenfalls erste Erfahrungen mit BIM und Lean Construction aufweisen können.

4.4 Phase 4: Planung und Ausführung im Big Room anhand von Clustergruppen

In dieser Phase werden Cluster-Gruppen gebildet. Diese Gruppen bestehen aus diversen Projektbeteiligten und betreuen die entsprechenden Fachbereiche des Projekts in Planung und Ausführung [14]. Es wird eine Aufteilung in die Cluster-Gruppen Koordination, Architektur, Konstruktion, Technik und Ausführung empfohlen. Die Größe und Anzahl der Cluster-Gruppen kann je nach Projektgröße und Komplexität des Bauvorhabens angepasst werden. Eine beispielhafte Aufteilung der Beteiligten in Cluster-Gruppen ist in Bild 6 dargestellt.

Bild 6. Beispielhafte Einteilung von Cluster-Gruppen im Rahmen des Einsatzes von BIM und Lean Construction Abb.: F. Berner et al.

Bild 6. Beispielhafte Einteilung von Cluster-Gruppen im Rahmen des Einsatzes von BIM und Lean Construction Abb.: F. Berner et al.

Die Cluster-Gruppen sollten dynamisch gestaltet werden und sich im Projektverlauf neu zusammensetzen können. Der gesamte Prozess wird dabei von der Cluster-Gruppe Koordination überwacht. Innerhalb der Gruppen können unterschiedliche Arbeits- und Managementmethoden zur Prozessverbesserung zum Einsatz kommen. Damit der gesamte Prozess vorausschauend und strukturiert gestaltet wird, empfiehlt sich beispielsweise eine übergeordnete Anwendung des Last-Planner-Systems durch die Koordinationsgruppe.

5 Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zahlreiche positive Wechselwirkungen zwischen Lean Construction und BIM bestehen. Die praktische, gemeinsame Anwendung wird in absehbarer Zeit nachhaltig Einzug ins Bauwesen halten. Dadurch kann eine erhebliche Optimierung des Planungs- und Bauprozesses erzeugt werden. Anhand des entwickelten Phasenmodells kann dabei der grobe Rahmen für die gemeinsame Anwendung abgeleitet werden. Dieser Rahmen lässt sich daraufhin je nach Projekt individuell anpassen. Bereits heute ist ein übergreifender Aufbau von Fachwissen zu BIM und Lean Construction bei den Architekten, Fachingenieuren und bauausführenden Unternehmen erkennbar. Nach Auffassung der Autoren ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Lean Construction und BIM gemeinsam etablieren werden.

Literatur

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[4] Girmscheid, G.: Projektabwicklung in der Bauwirtschaft – Wege zur Win-Win-Situation für Auftraggeber und Auftragnehmer. 4. Auflage, Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg, 2014.

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[12] Chahrour, R.: BIM-Anwendungen und Perspektiven für das Bauprojektmanagement. In: Motzko, C. (Hrsg.): Zukunftspotenzial Bauwirtschaft, 2. Internationaler BBB-Kongress Baubetrieb, Bauwirtschaft, Baumanagement (2013), Institut für Baubetrieb, Darmstadt, S. 32 – 52.

[13] Eschenbruch, K. et al.: Maßnahmenkatalog zur Nutzung von BIM in der öffentlichen Bauverwaltung unter Berücksichtigung der rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen: Gutachten zur BIM-Umsetzung, Forschungsprogramm ZukunftBAU, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, o. O., 2014.

[14] Heidemann, A.: Kooperative Projektabwicklung im Bauwesen unter der Berücksichtigung von Lean-Prinzipien – Entwicklung eines Lean-Projektabwicklungssystems. Karlsruhe, Universität Karlsruhe, Institut für Technologie und Management im Baubetrieb, Dissertation, 2011.

[15] Egger, M. et al.: BIM-Leitfaden für Deutschland: Information und Ratgeber, Forschungsprogramm ZukunftBAU, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, o. O., 2013.

[16] Rischmoller, L.; Alarcón, L. F.; Koskela, L.: Improving Value Generation in the Design Process of Industrial Projects Using CAVT. In: Journal of Management in Engineering, Vol. 22 (2006), Iss. 2, pp. 52 – 60.

[17] von Both, P.; Koch, V.; Kindsvater, A.: BIM – Potentiale, Hemmnisse und Handlungsplan – Analyse der Potentiale und Hemmnisse bei der Umsetzung der integrierten Planungsmethodik Building Information Modeling -BIM- in der deutschen Baubranche und Ableitung eines Handlungsplanes zur Verbesserung der Wettbewerbssituation. Fraunhofer IRB-Verlag, Stuttgart, 2013.

[18] Berner, F. et al.: Simulation in der Fertigungsplanung von Bauwerken. In: Bauingenieur 88 (2013), Heft 2, S. 89 – 97.

Von Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner,Dipl.-Wirt.-Ing. Michael Hermes und Dominik Spieth M.Sc.

Prof. Dr.-Ing. Fritz Berner Universität Stuttgart Institut für Baubetriebslehre Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart Tel. 0711 685 66144 fritz.berner@ibl.uni-stuttgart.de

Dipl.-Wirt.-Ing. Michael Hermes Universität Stuttgart Institut für Baubetriebslehre Tel. 0711 685 66665 michael.hermes@ibl.uni-stuttgart.de

Dominik Spieth M.Sc. Dietz Asset Management GmbH Darmstädter Straße 246, 64625 Bensheim Tel. 06251 70410 d.spieth@dietz-ag.de