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Karriere 18.06.2021, 10:31 Uhr

Förderung eines vielfältigeren Teams

Wie genau sieht eine Karriere als Frau in der AEC-Branche (Architektur-, Ingenieur- und Bauindustrie) aus und wie hat sich die Frauenquote in dieser Branche über die Jahre verändert? Was wurde bereits erreicht und welche Veränderungen müssen noch stattfinden? Hierzu ist Claire Rutkowski, Chief Information Officer (CIO) von Bentley Systems, im Gespräch mit www.bauingenieur.de und gibt dabei Einblicke in ihre Karriere.

Claire Rutkowski will Frauen zeigen, dass eine Karriere in einem MINT-Beruf Spaß macht. Foto: Bentley Systems

Claire Rutkowski will Frauen zeigen, dass eine Karriere in einem MINT-Beruf Spaß macht.

Foto: Bentley Systems

Wie hoch war die Frauenquote der weiblichen CIOs in den Top 500 AEC-Firmen, als Sie CIO wurden?

Ich habe das Glück, dass mich meine Arbeit und meine Erfahrung sozusagen zu meiner CIO-Rolle geführt haben – und ich liebe sie. Aber wenn ich ehrlich bin, war sie nicht immer gleichberechtigt. Das ist sie immer noch nicht. Als ich als CIO in der AEC-Branche anfing, waren nur vier Prozent der CIOs in den Top 500 AEC-Firmen Frauen.

Wie ist es als Frau, die eine MINT-Karriere macht?

Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft ich die einzige Frau im Raum war. Und ich denke, dass viele von uns Frauen, insbesondere diejenigen von uns, die eine MINT-Karriere machen, dieses einsame, manchmal unangenehme Gefühl erlebt haben.

Veränderungen der Technologie führen auch zum Wandel der Teamzusammensetzung

Welche Veränderungen gab es und gibt es in der Technologie?

Die AEC-Branche sollte vielfältiger werden. Technologie treibt Firmen bereits dazu, jeden Tag neue und andere Dinge zu tun wie zum Beispiel den Wechsel von 2D- zur 3D-Modellierung und von Level 1 BIM zu Level 2 sowie die Integration von digitalen Zwillingen in ihre Prozesse. AEC-Firmen können heute mehr als je zuvor mit Technologie arbeiten, indem sie Aufnahmen von Drohnen zur Unterstützung bei der Konstruktion einsetzen. Sie nutzen sogar eine Kombination aus Drohnen und künstlicher Intelligenz, um Wartungsprobleme zu erkennen wie zum Beispiel zum Aufspüren von Rost auf einer Brücke oder zum Aufspüren von Schlaglöchern auf Straßen.

Was haben diese Veränderungen in der IT mit der Frauenquote zu tun und wie hat sich diese in den letzten Jahren verändert?

Ich hoffe, dass mit den enormen technologischen Veränderungen, die sich in den letzten fünf Jahren schnell vollzogen haben, die Branche auch einen Wandel in der Einstellung und Kultur herbeiführen kann. Anzeichen dafür sind erkennbar. Im Vergleich zu der Zeit, in der ich meine Reise als CIO begonnen habe, gibt es mehr Frauen als je zuvor. Der durchschnittliche Prozentsatz der CIOs, die Frauen sind, ist in der Tech-Branche auf fast 17 Prozent gestiegen. Außerdem haben die Fortune 500 große Fortschritte gemacht und der Gesamtanteil weiblicher CIOs liegt jetzt bei 20 Prozent. Für sich genommen ist das vielleicht nicht überwältigend, aber es ist weit mehr als vier Prozent.

Interessen der Frauen unterstützen

Was kann getan werden, um Frauen eine Perspektive in der AEC-Branche aufzuzeigen und welche Veranstaltungen sollten unterstützt werden?

Es gibt noch einiges zu tun. Als Branche müssen wir Veranstaltungen wie Future City und den International Girls in ICT Day sowie Gruppen wie Girls Who Code unterstützen. Durch diese Initiativen werden Mädchen frühzeitig an Technik herangeführt. Wir müssen mit Hochschulen und Universitäten zusammenarbeiten, um eine „Datenbank“ von talentierten Studenten aufzubauen, auf die wir ein Auge haben. Wir müssen junge Frauen aufklären und ihnen zeigen, wie allumfassend die AEC-Branche wirklich ist, und sie für die Infrastrukturtechnologie und das Ingenieurwesen begeistern. Im Rahmen der Ausbildung können wir Einblicke von führenden Branchenexperten geben, die mitteilen, was die Welt der Infrastruktur zu bieten hat und welche Fähigkeiten besonders gefragt sind. Wir können auch die neuesten Nachrichten und aufkommende Trends präsentieren, um eine unterhaltsame Lernerfahrung zu ermöglichen, und wir sollten den Studierenden die Möglichkeit geben, Unterstützung und Vorbilder zu finden – Das ist wichtig zur Unterstützung junger Frauen in einem Bereich, der im Allgemeinen von Männern dominiert wird. Das Ziel der Ausbildung sollte es sein, jungen Frauen zu helfen, das zu entdecken, wofür Sie brennen, und den Startschuss für eine erfüllende, lebenslange Karriere zu geben, um die Lebensqualität zu verbessern und die Welt positiv zu verändern.

Entscheidungsfindung und Teamdynamik erweitert

Welche globalen Frauengruppen sollten unterstützt werden und welche Vorkehrungen müssen getroffen werden, um Frauen in der Branche und in den Unternehmen zu halten?

Wir müssen globale Frauengruppen wie IEEE Women in Engineering und Women in Technology International unterstützen. Wir müssen mehr Frauen in unseren Firmen aktiv anwerben. Sobald wir Frauen in Ingenieur- und Technologiepositionen eingestellt haben, sind wir es ihnen als Branche, als Unternehmen und als Führungskräfte schuldig, die Dinge so inklusiv und einladend wie möglich zu gestalten, damit sie bleiben – mit umfassenden Schulungen, um Vorurteilen vorzubeugen, mit flexiblen Arbeitszeiten, wo immer dies möglich ist, und mit dem Aufbau von Selbsthilfegruppen für Frauen innerhalb von Organisationen.

Weshalb ist eine diverse Besetzung von Führungspositionen ein Vorteil für ein Unternehmen?

Das ist nicht nur nettes Beiwerk, sondern ein Muss, wenn Unternehmen erfolgreich sein wollen. Langsam aber sicher wird vielen klar, dass eine vielfältige Belegschaft der Entscheidungsfindung und der Teamdynamik eine andere Dimension verleiht. In der Tat sind 22,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder der Fortune 500-Unternehmen Frauen. Zahlreiche Studien kommen zu dem Schluss, dass eine vielfältige Besetzung von Führungspositionen nachweislich zu höheren Gewinnen führt. Es gibt mehr Perspektiven zu berücksichtigen, was zu mehr Kreativität, mehr Innovation und schnelleren Problemlösungen führt.

Inklusion und Vielfalt im Unternehmen fördern

Welche Schritte haben viele Unternehmen schon gemacht, um Inklusion zu verbessern?

Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Um sicherzustellen, dass wir Vielfalt und Inklusion weiter verbessern, müssen handlungsfähige Schritte erfolgen. Viele Unternehmen haben Richtlinien gegen Belästigung und Diskriminierung und viele bieten Schulungen hierzu an. Unternehmen versuchen bewusst, ihre Bewerberpools zu vergrößern und bestehen darauf, dass Frauen in die Auswahl einbezogen werden. Das sind alles sehr wichtige Schritte, die wir weiterhin jeden Tag machen müssen. Zugleich bleibt die Frage: „Was können wir noch tun?“

Was kann noch getan werden und an welche Bewerberpools können sich Unternehmen wenden?

Indem sie sich an nicht-traditionelle Bewerberpools wenden wie zum Beispiel an MINT-Frauenorganisationen, erhöhen Unternehmen die Wahrscheinlichkeit, brauchbare Kandidatinnen zu finden. Auch wenn Frauen sicherlich noch nicht gleichberechtigt sind, geht die Entwicklung in die richtige Richtung.

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Von Bentley Systems / Heike van Ooyen