ZF räumt auf: Milliardenverkauf an Harman bringt Luft
ZF verkauft sein Fahrerassistenz-Geschäft für 1,5 Mrd. € an die Samsung-Tochter Harman. Ziel ist Schuldenabbau und strategische Fokussierung.
ZF ordnet sich neu und verkauft das ADAS-Geschäft an Harman. Der Schritt soll Schulden senken und das Kerngeschäft stärken.
Foto: picture alliance/dpa | Matthias Balk
Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen trennt sich von einem seiner technologisch anspruchsvollsten Geschäftsbereiche. Das Unternehmen verkauft seine Sparte für Fahrerassistenzsysteme (ADAS) an Harman International, eine Tochter des südkoreanischen Technologiekonzerns Samsung. Der vereinbarte Unternehmenswert liegt bei 1,5 Mrd. €. Über den konkreten Kaufpreis vereinbarten beide Seiten Stillschweigen. Der Abschluss der Transaktion ist für die zweite Jahreshälfte 2026 geplant und steht noch unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Genehmigungen.
Der Schritt kommt nicht überraschend. ZF steht seit Monaten unter massivem wirtschaftlichem Druck. Hohe Schulden, eine schwächelnde Fahrzeugproduktion und steigende Entwicklungsaufwendungen zwingen den Stiftungskonzern zu harten Entscheidungen. Mit dem Verkauf will ZF vor allem eines erreichen: finanzielle Entlastung und eine klarere strategische Fokussierung.
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Schuldenabbau hat Vorrang
ZF hat sich in den vergangenen Jahren durch mehrere große Übernahmen stark verschuldet. Die Finanzverbindlichkeiten liegen zuletzt bei knapp 11 Mrd. €. Allein die Zinslast beläuft sich auf mehr als 700 Mio. € pro Jahr. Geld, das für Forschung, neue Produkte und den Umbau des Portfolios fehlt.
ZF-Vorstandschef Mathias Miedreich bezeichnet den Deal deshalb als strategischen Wendepunkt: „Mit der Übernahme der ZF-Geschäftseinheit für Fahrerassistenzsysteme durch Harman International haben wir einen wichtigen Meilenstein in der strategischen Neuausrichtung des Konzerns erreicht.“
ZF wolle seine Ressourcen künftig stärker auf jene Bereiche konzentrieren, „in denen wir global führend sind“, so Miedreich weiter. Dazu zählen Fahrwerktechnik, Antriebssysteme, Nutzfahrzeugtechnik und industrielle Anwendungen.
Auch Finanzvorstand Michael Frick unterstreicht die finanzielle Dimension: Die Erlöse aus dem Verkauf sollen dazu beitragen, „die Finanzverbindlichkeiten des ZF-Konzerns signifikant zu reduzieren“.
Was verkauft ZF – und was bleibt?
Bei der veräußerten Sparte handelt es sich um das klassische Pkw-Geschäft mit Fahrerassistenzsystemen. Dazu gehören unter anderem:
- Radarsensoren
- smarte Kameras
- Software für Assistenzfunktionen bis hin zu automatisierten Fahrfunktionen
Diese Technologien gelten als zentral für moderne Fahrzeuge, sind aber extrem kostenintensiv in der Entwicklung. Der Wettbewerb ist hart. Neben klassischen Zulieferern drängen chinesische Anbieter und große Tech-Konzerne in den Markt. Für viele europäische Unternehmen wird es zunehmend schwierig, diese Systeme allein zu stemmen.
Nicht Teil des Deals sind andere sicherheitsrelevante Bereiche. Elektronik für Fahrwerktechnik und passive Sicherheit verbleiben bei ZF. Auch im Nutzfahrzeugbereich hält der Konzern an Fahrerassistenz- und Automatisierungslösungen fest.
Rund 3750 Beschäftigte wechseln zu Harman
Mit dem Verkauf gehen weltweit rund 3750 Mitarbeitende von ZF zu Harman über, davon etwa 700 in Deutschland. Betroffen sind unter anderem Standorte in Koblenz und Düsseldorf. Der Standort Nürnberg spielt in diesem Zusammenhang eine Sonderrolle. Dort baut ZF zwar massiv Stellen ab, die ADAS-Beschäftigten wechseln jedoch nicht zu Harman. Von den derzeit rund 860 Vollzeitstellen sollen in Nürnberg bis 2030 etwa 400 wegfallen.
Der Stellenabbau ist Teil eines umfassenden Sparprogramms. ZF plant, bis Ende 2028 beziehungsweise 2030 deutschlandweit bis zu 14.000 Arbeitsplätze zu streichen. Arbeitszeitverkürzungen und weitere Restrukturierungen laufen bereits.
Harman setzt auf Wachstum im Fahrzeug
Für Harman ist der Zukauf ein strategischer Ausbau des Automotive-Geschäfts. Das Unternehmen ist vor allem für Infotainment-, Audio- und Connectivity-Lösungen bekannt. Marken wie JBL oder Bang & Olufsen gehören zum Portfolio. Zu den Kunden zählen große Hersteller wie BMW oder Volkswagen.
Mit der ADAS-Sparte von ZF stärkt Harman seine Position bei kamerabasierten Assistenzsystemen und Sensorik. „Unsere Übernahme des ADAS-Geschäfts von ZF ist ein strategischer Schritt für Harman, um eine besser vernetzte Zukunft mit intelligenteren und sichereren Fahrzeugen zu ermöglichen“, sagt Christian Sobottka, Chef der Automotive-Sparte von Harman.
Der Markt gilt trotz aktueller Absatzschwächen als langfristig wachsend. Samsung rechnet bis 2035 mit einem weltweiten Marktvolumen von umgerechnet rund 108 Mrd. € für Fahrerassistenzsysteme – etwa dreimal so viel wie heute.
Ein Deal mit Signalwirkung
Branchenbeobachter sehen den Verkauf als logischen Schritt. „Es ist ein Win-Win-Deal für beide“, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Institut in Bochum dem Handelsblatt. ZF gewinne finanziellen Spielraum, Harman erhalte Zugang zu erprobter Technologie und erfahrenen Teams.
Der Deal zeigt aber auch, wie stark sich die Kräfteverhältnisse in der Autoindustrie verschieben. Elektronik, Software und Assistenzsysteme werden immer teurer. Klassische Zulieferer ziehen sich aus einzelnen Feldern zurück, während globale Technologiekonzerne ihren Einfluss ausbauen.
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