Wirtschaftspolitik 10.04.2025, 11:00 Uhr

Stahl, Start-ups, Raumfahrt: Das sind die Gewinner und Verlierer des Koalitionsvertrages

Industriestrompreis, Mindestlohn, Klimaschutz: CDU/CSU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag viele Dinge vorgenommen, die einzelne Branchen stark treffen werden – nicht alle im positiven Sinne.

Vorstellung des gemeinsamen Koalitionsvertrages

Die neue Regierungskoalition steht. Der Koalitionsvertrag kennt sowohl Gewinner als auch Verlierer.

Foto: picture alliance / Jörg Carstensen

Die Wirtschaft soll angekurbelt werden. Das ist der Grundtenor des fast 150 Seiten langen Koalitionsvertrages zwischen der Union und der SPD. Doch dieser Aufschwung wird nicht alle Branchen in Deutschland gleichmäßig treffen, denn die Koalitionäre setzen Schwerpunkte. Das sind die Gewinner und Verlierer des Koalitionsvertrages:

Gewinner: Start-ups

Für Gründer soll eine Onlineplattform geschaffen werden, auf der alle notwendigen Schritte zum Unternehmensstart in nur 24 Stunden erledigt werden können. Zudem soll die Bürokratie beim Notar vereinfacht werden. Für Start-ups in den Branchen Künstliche Intelligenz, Robotik, Leichtbau, additive Fertigung und 3D-Druck soll es spezielle Investitionsprogramme geben. Der Zukunftsfonds der Förderbank KfW soll von 10 Mrd. € auf 25 Mrd. € ausgebaut werden. Er ermöglicht Start-ups einen leichteren Zugang zu Investoren. Zudem soll der Staat Start-ups häufiger direkt unterstützen.

Gewinner: Energieintensive Industrien

Für alle Branchen, die viel Strom oder Erdgas verbrauchen, ist der Koalitionsvertrag ein gutes Zeichen. Sie werden auf der einen Seite durch die massive Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten entlastet, bekommen dazu wenn nötig noch einen günstigeren Industriestrompreis und profitieren auf der anderen Seite davon, dass die neue Bundesregierung den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft beschleunigen will.

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Direkt genannt wird im Koalitionsvertrag dazu die Stahlindustrie, für die noch einige weitere, kleinere Vorteile geschaffen werden sollen. Zu den besonders energieintensiven Industrien in Deutschland zählen aber auch die Chemie, die Glasherstellung, die Metallindustrie, die Papierindustrie und die Baubranche.

Gewinner: Chemie, Pharma und Biotech

Diese drei sowieso schon starken Industrien Deutschlands sollen explizit gefördert werden. Deutschland soll weltweiter Spitzenreiter in diesen drei Bereichen werden. Die Chemieindustrie profitiert dabei schon von den Erleichterungen aus dem vorherigen Absatz, zudem soll das Recycling von Kunststoffen staatlich gefördert ausgebaut werden. Für die nah verwandte Pharmaindustrie soll die bestehende und erfolgreiche Nationale Pharmastrategie ausgebaut werden. Mit dieser Strategie ist es in den vergangenen Jahren gelungen, Bürokratie abzubauen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen – was sonst oft leere Schlagworte sind. Als Konsequenz investieren heute auch viele ausländische Pharmakonzerne in Deutschland. Den Schwung daraus will die Bundesregierung auch auf die Biotechbranche übertragen. Hier soll zusätzlich auch der Zugang zu Wagniskapital für neue Firmen vereinfacht werden.

Gewinner: Automobilindustrie

Für die Autobranche gibt es indirekte Hilfen. So soll vor allem der Absatz von Elektroautos wieder gefördert werden. Sie sollen bis 2035 von der Kfz-Steuer befreit werden, emissionsfreie Lkw zudem weiterhin von der Mautpflicht. Für Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen soll es eine Förderung für den Kauf von Elektroautos und Plug-in-Hybriden geben. Das Ladenetz für Elektroautos und eine Ladestruktur für Wasserstoff für Nutzfahrzeuge sollen aus- beziehungsweise aufgebaut werden. Zudem soll es für Elektroautos eine höhere steuerliche Begünstigung von Dienstwagen und eine Sonderabschreibung geben.

Gewinner: Raumfahrt

Hier hat sich die Bundesregierung ein Prestigeziel gesetzt: Ein deutscher Astronaut soll zum Mond fliegen. Dazu will die Koalition die Beiträge zur Europäischen Weltraumorganisation (ESA) erhöhen und sich am Bau eines Nachfolgers der Raumstation ISS beteiligen. In der Nordsee soll eine Startplattform für Trägerraketen gebaut werden. Um deutsche Start-ups in diesem Bereich zu fördern, soll der Staat mehr Aufträge an sie vergeben. Eng damit verzahnt soll eine Teststrecke für die von US-Milliardär Elon Musk erdachte Hyperloop-Technologie gebaut werden.

Gewinner und Verlierer: Gastronomie

Mit gemischten Gefühlen dürften Gastronomen den Koalitionsvertrag lesen. Sie bekommen auf der einen Seite dauerhaft einen reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 % statt 19 %, müssen auf der anderen Seite aber den Anstieg des Mindestlohns auf 15 € schlucken, der ihre Branche traditionell mit am stärksten trifft.

Gewinner und Verlierer: Landwirtschaft

Ähnlich geht es den Bauern im Land. Auch sie wird die Erhöhung des Mindestlohns stark belasten. Dafür bekommen sie die Agrardiesel-Rückvergütung zurück, deren Abschaffung Anfang 2024 zu starken Bauernprotesten geführt hatte. Entschädigungen bei Tierseuchen sollen zudem künftig höher ausfallen. Schlachthöfe sollen hingegen über Videoüberwachung strenger kontrolliert werden.

Verlierer: Friseure

Nicht nur, dass Friseure ebenfalls eine der stark von Mindestlohnerhöhungen betroffenen Branchen sind, werden sie als schwarzes Schaf sogar noch extra im Koalitionsvertrag erwähnt. Die Branche wird in den Katalog im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz aufgenommen und damit künftig häufiger von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit besucht werden.

Verlierer: Die Heizungsbranche

Das Gebäudeenergiegesetz von Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat zwar lange für viele Diskussionen gesorgt, als es beschlossen war, herrschte aber zumindest für Hausbesitzer, Heizungsmonteure und Anlagenhersteller Klarheit, in welche Richtung die Heizungsreise bis 2045 gehen würde. Mit der Ankündigung, dieses Gesetz abzuschaffen, ist diese Sicherheit jetzt dahin. Schon im vergangenen Jahr hatte die Unsicherheit den Absatz von Wärmepumpen stark sinken lassen. „Was an Mythen verbreitet wurde, an Polarisierung und Populismus stattgefunden hat, hat mich fassungslos gemacht“, sagte etwa Max Viessmann, Chef der gleichnamigen Hersteller, vor einem Jahr in einem Interview mit der Wirtschaftswoche. Jetzt herrscht wieder Unsicherheit: So lange nicht klar ist, wie das neue Gesetz von Schwarz-Rot aussehen wird und welche staatlichen Förderungen es gibt, dürften die Absätze kaum steigen.

Ein Beitrag von:

  • Christoph Sackmann

    Christoph Sackmann, geboren 1983 in Dortmund, studierte Geschichte und Soziologie und absolvierte von 2010 bis 2012 ein Volontariat bei Hubert Burda Media an der Journalistenschule in München.
    Davor, währenddessen und danach schrieb er unter anderem für die „WAZ“, die „Neue Westfälische“, „Chip“, den „FOCUS“ und „FOCUS Online“. Zudem entwickelte er das Lifestyle-Magazin „treat“ und leitete ein Jahr lang das Portal „Finanzen100.de“.

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