Intel stoppt Chip-Fabrik in Magdeburg – was jetzt geplant ist
Intel streicht Pläne für Mega-Fabrik in Magdeburg – Konzernchef setzt auf neue Strategie und warnt vor „maßlosen Investitionen“.
Das Intel-Logo wird nicht in Magdeburg leuchten. Der Bauplatz bleibt leer – der Chipkonzern zieht sich zurück und stoppt die Milliardeninvestition.
Foto: picture alliance / Jens Niering | Jens Niering
Was zunächst als Signal europäischer Industrieunabhängigkeit galt, endet nun im Stillstand: Intel zieht sich aus Magdeburg zurück. Der Halbleiterkonzern hatte dort ursprünglich eine Chipfabrik für rund 30 Milliarden Euro geplant. 3000 Arbeitsplätze sollten entstehen, der symbolische erste Spatenstich war für 2024 vorgesehen. Doch daraus wird nichts.
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Zu viel, zu früh, zu teuer
Schon im vergangenen Jahr zeichnete sich ab, dass das ambitionierte Projekt ins Wanken gerät. Im September 2024 legte Intel das Vorhaben auf Eis. Der Konzern stellte damals eine zweijährige Pause in Aussicht – verbunden mit der Hoffnung auf bessere Marktbedingungen. Doch nun ist klar: Die Fabrik in Sachsen-Anhalt wird nicht gebaut.
Intel-CEO Lip-Bu Tan begründet den Rückzug mit einer neuen finanziellen Disziplin. Investitionen in neue Standorte seien in der Vergangenheit zu früh und ohne gesicherte Nachfrage erfolgt. „Die geplanten Kapazitäten hätten die Nachfrage weit überschritten“, sagte Tan nach Bekanntgabe der Quartalszahlen. Künftig sollen neue Fabriken nur dann entstehen, wenn konkrete Kundenaufträge vorliegen.
Auch der ebenfalls geplante Standort in Polen fällt dieser Kurskorrektur zum Opfer. Darüber hinaus drosselt Intel selbst im Heimatmarkt USA das Tempo. Die laufenden Bauarbeiten im Bundesstaat Ohio werden verlangsamt.
Rückblick: Der Plan von Pat Gelsinger
Die Chipfabrik in Magdeburg war Teil eines umfassenden Sanierungsprogramms von Ex-CEO Pat Gelsinger. Er wollte Intel wieder auf die Überholspur bringen – als Zulieferer für andere Chip-Hersteller und unabhängiger Partner im Westen. Der Fokus lag dabei auch auf geopolitischen Verschiebungen. USA und EU wollten sich unabhängiger von asiatischer Chipproduktion machen. Intel positionierte sich als verlässliche Alternative.
Doch Gelsingers Strategie scheiterte an mehreren Fronten: Verzögerungen in der Produktion, stockende Nachfrage, fehlende Kunden. Und obwohl die Bundesregierung rund 9,9 Milliarden Euro an Subventionen in Aussicht stellte, reichte das nicht. Intel hätte die doppelte Summe selbst tragen müssen. In Anbetracht sinkender Umsätze und hoher Verluste erschien das nicht mehr tragbar. Ende 2024 musste Gelsinger gehen.
Tiefrote Zahlen und neuer Kurs
Sein Nachfolger Lip-Bu Tan verfolgt nun einen radikal anderen Kurs. Zwar sprach er nach Vorlage der aktuellen Zahlen von einem „soliden Quartal“. Der Umsatz stagnierte jedoch bei 12,9 Milliarden Dollar – unterm Strich stand ein Verlust von 2,9 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum waren es 1,6 Milliarden Dollar.
Zudem bricht ein Sondereffekt weg, der das Geschäft zuletzt stabilisiert hatte. Wegen drohender Handelsbarrieren unter US-Präsident Donald Trump stockten viele Kund*innen ihre Lager. Diese Vorsorgekäufe nehmen inzwischen deutlich ab.
Intel kündigte daher einen weiteren Stellenabbau an. Weltweit soll die Zahl der Beschäftigten bis Jahresende auf 75.000 sinken – ein Rückgang um etwa 15 %. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Konzern rund 15.000 Stellen gestrichen.
Der Brief des CEO: Neue Schwerpunkte
In einer internen E-Mail an die Belegschaft beschreibt Lip-Bu Tan seine künftige Ausrichtung. Drei Punkte stehen im Zentrum:
- Foundry-Geschäft mit Maß und Mitte
Tan kritisiert die vorherige Expansionsstrategie als überzogen. Die neue Devise lautet: „Wir werden das bauen, was unsere Kunden brauchen, wann sie es brauchen.“ Statt gigantischer Vorleistungen geht es nun um gezielte Investitionen. So wurde beschlossen, die Projekte in Deutschland und Polen nicht weiterzuverfolgen. Auch in Costa Rica sollen Montage- und Testaktivitäten nach Vietnam und Malaysia verlagert werden – obwohl der Standort als wichtiger Entwicklungsstandort erhalten bleibt. - Fokus auf x86-Kernbereiche
Im klassischen Geschäft mit Client- und Serverprozessoren will Intel verlorene Marktanteile zurückerobern. Dabei sollen neue Produktfamilien mit klarer Architektur, vereinfachten Varianten und niedrigeren Kosten helfen. Zitat Tan: „Ich habe eine Richtlinie eingeführt, wonach jedes wichtige Chipdesign vor dem Tape-Out von mir geprüft und genehmigt wird.“ - KI-Strategie neu aufgestellt
Im Bereich Künstliche Intelligenz plant Intel eine Abkehr vom alten Ansatz. Statt rein hardwareorientiert vorzugehen, sollen neue KI-Workloads analysiert und passende Software- und Systemlösungen entwickelt werden. Ziel ist es, sich auf Felder wie Inferenz und agentenbasierte KI zu konzentrieren – Bereiche mit viel Entwicklungspotenzial.
Intel 18A im Fokus – 14A auf dem Prüfstand
Ein technisches Kernstück bleibt dabei der Fertigungsprozess Intel 18A, der noch in diesem Jahr mit der Produktreihe Panther Lake starten soll. Diese Technologie soll langfristig große Stückzahlen liefern – auch für externe Kund*innen wie die US-Regierung.
Anders sieht es beim Nachfolgeprozess Intel 14A aus. Hier denkt das Unternehmen offen über einen Stopp nach, sollte die Nachfrage ausbleiben. Analyst Matt Bryson von Wedbush Securities sieht in dieser Möglichkeit ein strategisches Risiko.
Die Börse reagierte entsprechend: Nach Bekanntgabe der Zahlen fiel der Kurs der Intel-Aktie im nachbörslichen Handel um mehr als 4 %.
Ein Konzern im Umbau
Der Rückzug aus Magdeburg ist mehr als ein einzelner Projektstopp. Er steht sinnbildlich für eine strategische Kehrtwende bei Intel. Vom globalen Ausbau um jeden Preis hin zu kontrollierter Konsolidierung. Dabei will der Konzern agiler und effizienter werden. „Wir werden Bürokratie abbauen und Ingenieure in die Lage versetzen, Innovationen schneller und fokussierter voranzutreiben“, schreibt Tan an die Belegschaft.
Doch der Weg ist schmerzhaft. Der erneute Personalabbau trifft viele langjährige Mitarbeitende. Gleichzeitig erwartet der CEO von den verbleibenden Teams Disziplin, Tempo und Engagement. „Unsere Zukunft liegt in unseren Händen, aber wir haben keine Zeit zu verlieren.“ (mit dpa)
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