Gamescom 2025: Rekorde, Krisen und die Suche nach dem Neuanfang
Die Gamescom 2025 lockt Hunderttausende nach Köln – während die Spieleindustrie ihre größte Krise seit Jahren durchlebt.
Same procedure as every year: Auch in diesem Jahr können Besucher die neuesten Videospiele auf der Gamescom testen.
Foto: picture alliance / Chris Emil Janßen | Chris Emil Janssen
Die Hallen sind berstend voll, der Beat wummert und vor unzähligen Monitoren hocken Gamer und zocken ihre kommenden Lieblingsspiele an. Abertausende Menschen quetschen sich durch enge Gänge, stehen in langen Warteschlangen, feiern ihre Stars. Streamer, Show-Acts und Cosplay heizen die Stimmung an. Diese Bilder produziert die Gamescom in Köln jedes Jahr aufs Neue.
Computerspiele sind – neben der Musikindustrie – das größte Unterhaltungsmedium der Welt. Auf der Gamescom im vergangenen Jahr wurden rund 330.000 Besucherinnen und Besucher aus 120 Ländern gezählt, in diesem Jahr erwarten die Veranstalter noch mehr.
Inhaltsverzeichnis
- Die Games-Industrie hat harte Einschnitte hinter sich
- Unter der Oberfläche brodelt es
- Die Spiele treffen auf ein zunehmend anspruchsvolles Publikum
- Sparzwang bei leistungsstarker Hardware
- Die Blockbuster-Titel ziehen nach wie vor
- Deutsche Hoffnung: „Anno 117: Pax Romana“
- Die VR-Brille spielt beim Spiel immer noch keine große Rolle – aber die Technik hat sich in der Industrie etabliert
- VR hat sich in der Industrie etabliert
- Und was macht KI im Spiel und in der Spieleentwicklung?
- Wohin die Reise gehen könnte
- Die neue Regierung will die Games-Branche mit Fördergeldern ausstatten
Die Games-Industrie hat harte Einschnitte hinter sich
Doch der schöne Schein trügt: Denn die Industrie hat harte Einschnitte hinter sich, die alles andere als ausgestanden sind. Im vergangenen und auch in diesem Jahr gingen weltweit Tausende Jobs in der Spieleentwicklung verloren, viele große Produktionen wurden eingestellt, Studios zusammengelegt. Allein Microsoft hat dieses Jahr 9000 Menschen entlassen.
Besonders betroffen war die Xbox-Game-Studios-Sparte. Immer wieder gibt es Verschiebungen lang erwarteter Titel oder sie kommen in einem Zustand auf den Markt, der die Spielerinnen und Spieler enttäuscht – dann hagelt es negative Kritiken auf Youtube und anderen Internetplattformen, die jahrelange Bemühungen im Handumdrehen zunichtemachen.
Unter der Oberfläche brodelt es
Oberflächlich betrachtet scheint auf der Gamescom alles wie eh und je – doch unter der Oberfläche brodelt es. Mehr noch: Die Branche befindet sich in einem Umbruch. Kein Wunder: Die vermeintlich junge Branche ist bereits 40 Jahre alt und hat mittlerweile jedes nur erdenkliche Genre in Tausenden Variationen aufgegriffen und in Spiele übersetzt. Seit Jahren setzt die Games-Branche auf die immer gleichen Konzepte. Kurzum: Nach vier Jahrzehnten Spieleentwicklung muss sich die Branche neu erfinden.
Lesen Sie auch: Master werden mit „Game Technologies“
Die Spiele treffen auf ein zunehmend anspruchsvolles Publikum
Kein leichtes Unterfangen. So treffen die Spiele auf ein zunehmend älteres, anspruchsvolleres Publikum. Inzwischen liegt das Gamer-Durchschnittsalter in Deutschland bei rund 40 Jahren, längst ist es dem Kinder- und Jugendzimmer entwachsen. Deutschland ist dabei einer der weltweit wichtigsten Märkte für Computerspiele – in den vergangenen Jahren eilte der Games-Markt hierzulande von Rekord zu Rekord: So wurden 2024 in Deutschland mit Games, Spielehardware und Online-Gaming-Services 9,4 Mrd. € umgesetzt.
Allerdings musste die Branche auch einen Rückgang hinnehmen – ein Minus von 6 % zum Vorjahresvergleich. Im ersten Halbjahr 2025 ist die Branche laut Game aber zurück auf dem Wachstumspfad. Insgesamt wurden rund 4,6 Milliarden Euro umgesetzt. Das entspricht einem Plus von 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Besonders deutlich fiel der Rückgang im vergangenen Jahr beim Kauf von Spielen für PC und Konsolen aus – der Teilmarkt verzeichnete ein Minus von 17 % und fiel auf 921 Mio. €.

Zum Messestart am 20. August sind die Zocker bereits ganz in ihrem Element.
Foto: picture alliance / Chris Emil Janßen | Chris Emil Janssen
Sparzwang bei leistungsstarker Hardware
Auch bei leistungsstarker Hardware wurde gespart: Hier betrug der Rückgang 10 % und lag bei 2,9 Mrd. € Umsatz. Wer moderne Spiele in voller Pracht, etwa in 4K-Auflösung, genießen möchte, muss tief in die Tasche greifen und kann allein für eine passende Grafikkarte mehr als 1000 € ausgeben – Geld, dass nur noch Hardcore-Fans bereit sind zu investieren.
Vor allem eine Sparte erfreut sich seit Jahren daher steigender Beliebtheit: das Zocken auf Smartphones und Tablets. Seit 2019 ist der Markt für Mobile Games laut Bundesverband Game um 63 % gewachsen. Insgesamt spielen 24,3 Mio. Deutsche Mobile Games. Seit Jahren behauptet sich das Smartphone als meistgenutzte Spieleplattform in Deutschland.
Die Blockbuster-Titel ziehen nach wie vor
Doch große Blockbuster-Titel ziehen Gamer nach wie vor in ihren Bann – und werden auch auf der Gamescom wieder die Massen anlocken: In diesem Jahr hatte etwa bereits die Mittelaltersimulation „Kingdome Come Deliverance II“ begeistert, die im Böhmen des 15. Jahrhunderts spielt und eine extrem realistische Nachbildung der damaligen Zeit bietet. Eine Spieladaption des Science-Fiction-Klassikers „Dune“ lockt aktuell Hunderttausende vor die Monitore.
Vor wenigen Tagen wurde mit „Mafia – The Old Country“ ein Spiel veröffentlicht, dass an eine 20 Jahre alte Spielreihe anknüpft und die Geschichte rund um eine sizilianische Gangsterfamilie erzählt. Und für das nächste Jahr ist mit „GTA VI“ des US-amerikanischen Herstellers Rockstar das vielleicht ambitionierteste Spieleprojekt aller Zeiten als Heilsbringer angekündigt, eine Verbrechersimulation samt komplett simulierter Stadt und ihrem vielfältigen Stadtleben.
Deutsche Hoffnung: „Anno 117: Pax Romana“
Auf der Gamescom anspielbar ist aktuell etwa mit „Anno 117: Pax Romana“ von Hersteller Ubisoft ein deutscher Titel, an den ebenfalls große Hoffnungen geknüpft sind: Diesmal geht es bei der neuen Auflage der Städtebausimulation in das alte Rom – mit einem bisher nie gesehenen Detailgrad der Gebäude. Mit einer überarbeiteten Version des Rollenspiels „Gothic“ greift man gleichzeitig auf Bewährtes zurück, wobei das deutsche Studio Piranha Bytes, das das Spiel einst geschaffen und damit große Erfolge gefeiert hatte, gerade im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden musste.
Hardwareseitig sind aktuelle Hoffnungsträger die sogenannten Handheld-Geräte, mobile Spielekonsolen mit immenser Rechenleistung, die möglich machen, was noch vor wenigen Jahren nur auf schnellen Gaming-PCs oder Spielkonsolen lief: Der neueste Blockbuster kann mit ihnen überall gespielt werden.
Berlin als Sprungbrett für Videospieleentwickler
Die VR-Brille spielt beim Spiel immer noch keine große Rolle – aber die Technik hat sich in der Industrie etabliert
Viel Licht und Schatten also und vieles ist in Bewegung. Doch Voraussagen sind generell schwierig in einem Markt, in dem sich die Fanliebe rasend schnell dreht. Wie sehr die Branche danebenliegen kann, hat etwa die Entwicklung von virtueller Realität (VR) gezeigt: Vor mehr als zehn Jahren als großer Durchbruch einer neuen Technologie quer durch die Szene gefeiert, hat es lange gedauert, bis sich die Technologie halbwegs etabliert hatte: Bis heute gibt es – abgesehen von Simulationen wie der Flugsimulation – kaum große Blockbuster-Titel, für die sich Spieler die immer noch großen klobigen Brillen dauerhaft auf die Nase setzen oder in einen Computer investieren, der die entsprechende Leistung bringt.
Zwar gibt es mittlerweile VR-Brillen samt eingebautem Computer, wie die Meta Quest 3, auf denen dann das ganze Spiel läuft. Der Preis dafür ist aber, dass die meisten VR-Titel eher kleine Spiele mit moderaten Hardwareanforderungen für zwischendurch geblieben sind. Es gibt schon Dutzende verschiedene VR-Brillen auf dem Markt – doch sie alle haben das gleiche Problem: Die große Gamer-Masse hat sie nicht so angenommen wie einst gedacht.
VR hat sich in der Industrie etabliert
Doch umsonst war die Entwicklung dennoch nicht – denn stattdessen hat sich VR mittlerweile in der Industrie etabliert – und die Einsatzbereiche für Virtual Reality sind vielfältig. Entsprechende Anwendungen ermöglichen es Unternehmen, Produkte zu simulieren, Mitarbeiter in virtuellen Umgebungen zu schulen und Kunden immersive Erlebnisse zu bieten. So können Ingenieure und Designer mithilfe von VR Produkte testen und auf Fehler überprüfen. Die VR-Technologie macht es möglich, dass ein Produkt bereits vor seiner Fertigstellung aus allen Blickwinkeln betrachtet werden kann.
Ein Beispiel hierfür ist die Firma Bell Helicopter, die das erste „Konzeptflugzeug des Unternehmens“ komplett mit VR entwickelte. In der Regel dauert es fünf bis sieben Jahre, um einen Hubschrauber zu entwerfen. Durch den Einsatz der VR-Technologie gelang es Bell den FCX-001 in weniger als sechs Monaten zu entwerfen – die Ingenieure konnten von Anfang an mit dem vollständigen virtuellen Modell arbeiten und dies den Testpiloten zur Verfügung stellen. Deren Feedback wurde dadurch schneller umgesetzt. Die Games-Branche war hier Innovationstreiber, selbst profitiert hat sie davon jedoch kaum – zumindest nicht so wie einst gehofft.
Und was macht KI im Spiel und in der Spieleentwicklung?
Aktuell macht nun ein neues Zauberwort die Runde in der Spieleindustrie: künstliche Intelligenz. Mit ihr soll die Programmierung deutlich schneller gehen – die Herstellung eines Spiels ist schließlich extrem personal- und zeitintensiv, oft arbeiten mehrere Hundert Menschen über Jahre an einem einzigen Projekt.
Doch ob KI das Werkzeug ist, auf das alle gewartet haben, ist keineswegs ausgemacht, auch wenn die Verheißungen erneut riesig sind: Spielcharaktere sollen künftig nicht mehr nur festgelegten Abläufen folgen, sondern individuelle Entscheidungen des Spielers erkennen, sich daran anpassen und dann so handeln, als hätten sie einen eigenen Willen. Die künstliche Spielwelt soll so noch glaubwürdiger wirken. „AI-native Games“ heißen Spiele, die künstliche Intelligenz derart in den Mittelpunkt rücken möchten.
Wohin die Reise gehen könnte
Allerdings: Vieles davon sind noch Experimente – aber sie zeigen, wohin die Reise gehen könnte: Man unterhält sich mit der Figur wie mit einem echten, lebendigen Freund. Gleichwohl kann man die Sprachmodelle nicht ohne Weiteres in Spielen adaptieren, da die Pixelfiguren kein Verständnis für die Welt um sie herum haben. Eine virtuelle Spielfigur in einem Ego-Shooter wird daher auf absehbare Zeit weiter wie bisher mit einer Vielzahl von Parametern gefüttert.
Diese fließen dann in einen traditionellen KI-Ansatz ein, der durch Verhaltensbäume bestimmt wird. Daraus lässt sich dann wiederum festlegen, was die Figur in einer bestimmten Situation tun kann – zum Beispiel angreifen, flüchten oder sich verstecken. Wann rein durch KI getriebene Figuren, die sich dynamisch anpassen und unvorhersehbar verhalten, in Spielen zu sehen sind, ist daher noch offen und dauert laut Experten wenigstens noch zwei bis drei Jahre.
Lesen Sie auch: Gaming: Diese Technik darf beim Zocken nicht fehlen
Die neue Regierung will die Games-Branche mit Fördergeldern ausstatten
Deutschland will bei diesen Entwicklungen jedoch ganz vorn mitspielen: So will die Bundesregierung ab 2026 die Games-Branche mit jährlich 125 Mio. € fördern. Dieses Jahr werden 88 Mio. € ausgeschüttet. Bereits seit fünf Jahren wird die Spieleentwicklung auf Bundesebene gefördert, weil im internationalen Vergleich mit anderen Top-Standorten in Deutschland laut Branchenverband der deutschen Games-Branche Game Kostennachteile von rund 30 % bestehen.
Der Start der bundesweiten Förderung hatte einst eine regelrechte Gründungswelle in der deutschen Games-Branche ausgelöst: Von 2020 bis 2023 war die Anzahl der Games-Unternehmen, die in Deutschland Computer- und Videospiele entwickeln, zunächst stark gewachsen. Die große Nachfrage nach der Games-Förderung bei gleichzeitig fehlender Anpassung der Mittel an den tatsächlichen Bedarf hatte dann aber zu Antragsstopps und Unmut unter Gründern geführt. Die Anzahl der Firmen ist um 4 % geschrumpft. Von den 910 Unternehmen sind 454 ausschließlich in der Entwicklung aktiv, 52 arbeiten ausschließlich als Publisher. Die übrigen 404 Unternehmen entwickeln und publishen Games.

Felix Falk, Geschäftsführer des Branchenverbands Game, freut sich über positive Signale aus der Politik und ist zuversichtlich, dass die Angleichung der Föerdermittel der Branche wieder Auftrieb gibt.
Foto: Dirk Mathesius
„Die aktuelle Entscheidung ist daher ein wichtiges und ermutigendes Zeichen, dass Deutschland international vergleichbare Rahmenbedingungen schafft und im Wettbewerb der Games-Standorte schnell aufholen will“, sagt Felix Falk, Geschäftsführer vom Bundesverband Game. Insgesamt sichere die Games-Branche schließlich über 30.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Allerdings ist die Anzahl der Beschäftigten beim Kernsegment Entwickler und Publisher rückläufig und sank um 2 % auf 12.134.

Alles andere als ein Spiel: Die Zahl der Beschäftigten ist rückläufig. Grafik: VDI nachrichten
Trotz der Rückschläge sind die Aussichten auf dem Games-Markt daher immer noch gut – vor allem für kleine Indie-Studios, die mit geringerem Budget ihre kreativen Träume verwirklichen und sie dann auf Plattformen wie Steam veröffentlichen. Gerade hier haben Projekte, die nur aus kleinen Teams mit bis zu fünf Personen bestehen, in letzter Zeit oft für Furore gesorgt. Vielen dieser kreativen Köpfen kann man vom 20. bis 24. August auf der Messe in Köln begegnen – und mit ihnen ins direkte Gespräch kommen. Wenn es die Lautstärke in den Messehallen denn zulässt.
Ein Beitrag von: