Kanzler Merz und das Heizungsgesetz: Ende oder Neuanfang?
Kanzler Merz will das Heizungsgesetz reformieren. Was bleibt, was sich ändert – und welche Folgen das für Eigentümer und Heizkosten hat.
Das Heizungsgesetz bleibt ein Zankapfel: Kanzler Merz will es reformieren – zwischen Klimazielen, EU-Vorgaben und den Sorgen der Eigentümer.
Foto: Panthermedia / Klaus Ohlenschläger
Das Heizungsgesetz hat eine ungewöhnliche Karriere hingelegt. Kaum ein anderes Vorhaben hat die Republik in den vergangenen Jahren so erhitzt wie die Frage, womit Bürgerinnen und Bürger ihre Wohnungen künftig wärmen sollen. Erst verabschiedete die Ampel-Regierung unter Olaf Scholz das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Dann kam die Bundestagswahl – und mit Friedrich Merz ins Kanzleramt eine neue politische Tonlage. Seine Regierung aus CDU, CSU und SPD will das Gesetz „abschaffen“. Doch wie viel davon bleibt Rhetorik, und was bedeutet das für Hauseigentümer, Kommunen und die Heizungsbranche?
Inhaltsverzeichnis
- Vom Wahlkampfschlager zum Regierungsprojekt
- Paragraf 71 – Symbol für Zwang oder Klimaschutz?
- Merz’ Strategie: Abstriche ohne Bruch?
- Technische Folgen: Gas verliert, Strom gewinnt
- Wirtschaftliche Dimension: Förderung auf dem Prüfstand
- EU-Druck: Spielräume schwinden
- Politische Gratwanderung
- Was Eigentümer jetzt wissen sollten
Vom Wahlkampfschlager zum Regierungsprojekt
Im Wahlkampf schlugen Merz und CSU-Chef Markus Söder scharfe Töne an. „Das Heizungsgesetz werden wir abschaffen“, hieß es damals. Das Versprechen fand Eingang in den Koalitionsvertrag. Gleichzeitig verpflichtet sich auch diese Regierung zu den Klimazielen, die sogar im Grundgesetz verankert sind. Ein Spagat, der kaum ohne Widersprüche zu meistern ist.
Denn die EU schreibt klar vor: Bis 2045 müssen alle Gebäude klimaneutral sein – Neubauten wie Bestandsgebäude. Merz kann das Gesetz also nicht einfach streichen. Stattdessen soll es reformiert werden. Offiziell heißt es: Das neue GEG soll „technologieoffener, flexibler und einfacher“ sein. Klingt harmlos, doch dahinter steckt eine grundlegende Neujustierung.
Paragraf 71 – Symbol für Zwang oder Klimaschutz?
Das ursprüngliche Gesetz drehte sich vor allem um Paragraf 71. Er legt fest, dass neue Heizungen zu 65 % mit erneuerbaren Energien laufen müssen. Für viele war das ein Signal Richtung Wärmepumpe. Kritiker*innen sprachen vom „Zwang zur Wärmepumpe“.
„Die derzeit sehr kleinteiligen und komplexen Regelungen lassen viel Skepsis gegenüber zahlreichen Wärmeversorgungsoptionen erkennen und diskriminieren einzelne Technologien“, kritisierte Andreas Lenz, energiepolitischer Sprecher der Union. Auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sieht in den Vorgaben einseitige Weichenstellungen.
Branchenvertreter wie Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft fordern vor allem Klarheit: „Es muss gekürzt und klar formuliert werden, damit auch private Hauseigentümer das Gesetz verstehen können.“
Merz’ Strategie: Abstriche ohne Bruch?
Merz steht vor einem Dilemma. Einerseits will er den Unmut vieler Bürger*innen entschärfen, die das Gesetz als Eingriff in ihr Eigentum empfinden. Andererseits darf er den Klimapfad nicht verlassen. CDU und SPD sprechen deshalb von „technologieoffen“. Gemeint ist: Ob Wärmepumpe, Pelletheizung, Biogas oder Geothermie – alles soll möglich sein, solange die CO₂-Bilanz stimmt.
Armand Zorn, SPD-Fraktionsvize, betont, die 65-%-Vorgabe solle im Kern erhalten bleiben. „Ein Rückschritt an dieser Stelle würde das Ziel der Klimaneutralität im Gebäudesektor gefährden.“ Die Union hingegen deutet an, die Regel weniger starr zu fassen. Es geht also nicht um ein schlichtes Streichen, sondern um die Frage, wie streng die Vorgaben formuliert bleiben.
Technische Folgen: Gas verliert, Strom gewinnt
Für Hauseigentümer stellt sich die Frage: Lohnt es sich noch, auf Gas zu setzen? Fachleute zweifeln daran.
„Die Rahmenbedingungen für eine Gasheizung verschlechtern sich rapide“, sagt Alexander Steinfeldt vom Verbraucherportal co2online. Wenn weniger Haushalte Gas nutzen, steigen die Netzentgelte für die Verbliebenen. In einigen Regionen, etwa Mannheim, ist sogar die Stilllegung von Netzen absehbar.
Uta Weiß von der Denkfabrik Agora Energiewende ergänzt: „Es ist unwahrscheinlich, dass eine Reform des GEG den laufenden Trend zur Elektrifizierung von Heizungen dauerhaft ausbremst.“ Ab 2027 treibt zudem der europäische Emissionshandel die Kosten fossiler Energien nach oben. Wer heute eine Gasheizung einbaut, könnte schon in wenigen Jahren mit hohen Rechnungen dastehen.
Für Wärmepumpen, Solaranlagen und Wärmenetze bedeutet das Rückenwind. Schon jetzt sparen Eigentümer damit häufig mehrere Hundert bis tausend Euro pro Jahr.
Wirtschaftliche Dimension: Förderung auf dem Prüfstand
Ein weiterer Streitpunkt ist die Förderung. Bislang zahlt der Staat bis zu 70 % der Kosten beim Heizungstausch, maximal 21.000 Euro. Dazu kommen Boni für schnelles Handeln und für Haushalte mit niedrigem Einkommen.
Angesichts knapper Kassen fordern Unionspolitiker Kürzungen. „Ich glaube, dass man das Förderregime smarter ausgestalten kann“, sagt CSU-Mann Lenz. Denkbar sei eine Umstellung von Zuschüssen auf steuerliche Abschreibungen bei Gutverdienenden.
Verbraucherschützer wie Florian Munder vom vzbv warnen dagegen: „Die Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen Planungssicherheit.“ Auch Agora Energiewende spricht sich für eine nach Einkommen gestaffelte Unterstützung aus. Für Menschen mit geringem Einkommen könne sogar eine fast vollständige Förderung sinnvoll sein.
EU-Druck: Spielräume schwinden
Hinzu kommt europäischer Druck. Deutschland muss bis 2026 die neue Gebäuderichtlinie umsetzen. Diese schreibt nicht nur strengere Effizienzstandards vor, sondern auch soziale Abfederungen. Förderungen für einkommensschwache Haushalte sind Pflicht.
Der europäische Emissionshandel (ETS 2) verschärft die Lage zusätzlich. Ab 2027 werden auch private Haushalte für ihren CO₂-Ausstoß zahlen. Zertifikate werden dann nötig, die pro Tonne CO₂ bald 100 bis 130 Euro kosten könnten. Für Öl- und Gasheizungen bedeutet das: Jährlich steigende Kosten, die Planungssicherheit untergraben.
Politische Gratwanderung
Merz bewegt sich damit auf einem schmalen Grat. Einerseits muss er die Erwartungen der eigenen Wähler*innen erfüllen, die ein „Ende des Heizungsgesetzes“ sehen wollen. Andererseits darf er die EU-Vorgaben und Klimaziele nicht ignorieren.
Die Folge: Viele Ankündigungen, wenig Konkretes. „Ziel der Bundesregierung ist es, so bald wie möglich einen Gesetzentwurf vorzulegen“, sagt das Wirtschaftsministerium. Klar ist bisher nur: Die Reform wird kommen – aber sie muss zwischen Sparzwang, sozialem Ausgleich und Klimaschutz vermitteln.
Was Eigentümer jetzt wissen sollten
Für Haus- und Wohnungseigentümer bedeutet das: Warten kann teuer werden. Gasnetze schrumpfen, CO₂-Preise steigen, und Förderbedingungen können sich ändern.
„Eigentum verpflichtet“, sagt Steinfeldt. „Am Ende müssen sie nur die Entscheidung treffen, die sich wirtschaftlich am meisten lohnt.“ Heute schon sei das oft die Wärmepumpe.
Das zeigt: Merz kann die politische Verpackung ändern. Die ökonomische Logik aber treibt viele ohnehin in Richtung klimafreundlicher Lösungen. (mit dpa)
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