Betriebliche Altersvorsorge (bAV): Lieber ETF-Sparplan statt Direktversicherung
Millionen Angestellte zahlen Monat für Monat in eine Direktversicherung ein. Dabei verdient an dem Modell vor allem einer: der Versicherer. Diese Alternativen gibt es.
Beinahe 9 Mio. Direktversicherungen gibt es in Deutschland. In vielen Fällen sind die Renditen aber völlig unattraktiv.
Foto: panthermedia.net/Olaf Karwisch
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Das Angebot klingt verlockend. Die Arbeitnehmerin zahlt 100 € von ihrem Brutto-Gehalt, was einem Netto-Eigenbeitrag von gerade einmal 48,47 € entspricht, in eine Direktversicherung ein. Der Arbeitgeber legt noch einmal 100 € drauf. Wenn die heute 28-Jährige dann mit 67 in den Ruhestand geht, kann sie sich über eine lebenslange garantierte monatliche Rente von 293,27 € freuen. Wer da nicht zuschlägt, ist doch blöd, oder?
Hartmut Walz ist anderer Meinung. Der Professor für Bankbetriebslehre und Finanzdienstleistungen an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein hat auf seinem Finanzblog berechnet, dass am Ende von der garantierten Bruttorente von 293,27 € netto nur noch 176,32 € übrig bleiben. Denn die Person, hier Petra genannt, muss die Rente im Alter nicht nur mit ihrem individuellen Steuersatz versteuern. Sie hat außerdem Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge darauf zu entrichten. Und da sie – wie viele Betriebsrentner – den Freibetrag der Krankenversicherung und die Freigrenze der Pflegeversicherung überschreitet, muss sie auch für den Arbeitgeberanteil aufkommen.
Eine Direktversicherung minder die Rentenhöhe
„Durch die Entgeltumwandlung in der Ansparphase zahlt Petra außerdem weniger in die gesetzliche Rentenversicherung ein und hat daher 39,39 € weniger Altersrente.“ Die betriebliche Rente bleibt über die Zeit konstant, sodass deren reale Kaufkraft angesichts der kumulierten Inflation während der Bezugsdauer von Jahr zu Jahr geringer wird.
Selbst ohne Berücksichtigung von Inflation oder einer Verzinsung müsste Petra 81 Jahre alt werden, um ihre Nettosparleistung, also das Geld, das sie eingezahlt hat, wieder hereinzuholen. Bei einer Einmalauszahlung statt der lebenslangen Rente würde die Abgabenquote laut Walz noch höher liegen.
Fazit: „Die garantierte Kapitalauszahlung ist selbst mit Arbeitgeberzuschuss, der ja meist nur den eingesparten Arbeitgeberanteilen in die gesetzliche Sozialversicherung entspricht, oft enttäuschend niedrig.“ Einen Grund sieht Walz in den hohen Abschluss- und Verwaltungskosten der Direktversicherung, die die Rendite erheblich schmälern.
Dennoch ist sie die häufigste Form der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Laut Gesamtverband der Versicherer (GDV) gab es 2024 rund 8,8 Mio. Verträge. „Arbeitgeber müssen ihren Mitarbeitern eine bAV ermöglichen, wenn diese das möchten.“ Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sei eine Direktversicherung mit Gehaltsumwandlung der mit Abstand aufwands- und haftungsärmste Durchführungsweg für Arbeitgeber.
Arbeitgeber sind zur Beratung verpflichtet
„Diese sind außerdem gesetzlich verpflichtet, ihre Arbeitnehmer zur betrieblichen Altersversorgung zu beraten, wenn sie danach fragen.“ Wenn Arbeitgeber das selbst nicht können oder wollen, könnten sie die Beratung an einen Dritten übertragen. „Hier wäre die sachgerechte Lösung, einen echten Versicherungs- oder Rentenberater mit der Aufklärung der Mitarbeiter zu beauftragen.“
Diese werden direkt vom Mandanten – in diesem Fall vom Arbeitgeber – bezahlt und beraten neutral und ergebnisoffen. Viele Berater aus dem Umfeld von Walz berichten, dass die Mitarbeiter nach einer neutralen Information über die Vor- und Nachteile der Direktversicherung meist hierauf verzichten und lieber privat vorsorgen.
In vielen Fällen würden sich die Arbeitgeber aber statt echter Versicherungs- oder Rentenberater lieber Versicherungsvermittler ins Haus holen. „Dadurch spart der Arbeitgeber zwar das Beratungshonorar, jedoch verdienen die Vertriebshelfer attraktive Provisionen.“ Diese seien in ihrer Höhe schwer erkennbar, da sie in die vermittelten Produkte einkalkuliert und letztlich von den Arbeitnehmern bezahlt werden.
„Daher sind die Vermittler natürlich stark an einem Abschluss interessiert und informieren nicht ausgewogen, sondern zugunsten der Direktversicherung.“ Und die hohen Provisionen würden fatalerweise erheblich zur Unvorteilhaftigkeit versicherungsgebundener bAV-Lösungen beitragen.
Kündigung der Direktversicherung schwer möglich
Was aber tun, wenn der Vertrag schon unterschrieben ist und es einen reut? „Eine vorzeitige Kündigung ist oftmals nicht möglich oder zumindest mit erheblichen finanziellen Nachteilen verbunden, da Steuervorteile und Sozialabgaben nachgezahlt werden müssen“, so Walz. Je nach Ausgestaltung sei eine Kündigung aber auch nur eingeschränkt oder gar nicht möglich.
„Die Verträge sind auf Langfristigkeit angelegt und mit vielen Restriktionen versehen.“ Und erst wenn unzufriedene Arbeitnehmer Kontakt mit dem Versicherer aufnehmen wollen, würden sie erfahren, dass nicht sie, sondern der Arbeitgeber der Versicherungsnehmer ist. „Viele Versicherer ignorieren daher die Arbeitnehmer einfach.“
Walz rät, hier unbedingt einen unabhängigen Versicherungsberater mit ins Boot zu holen. „In vielen Fällen wird als kleinstes Übel die Versicherung beitragsfrei gestellt, wobei die Kosten jedoch weiterlaufen.“ Diese Option wird meist auch bei einem Arbeitgeberwechsel gewählt. Die bAV kann zwar rein theoretisch mitgenommen werden.
In der Praxis gestaltet sich das aber sehr schwierig. Der neue Arbeitgeber muss der Übertragung zustimmen. Das tut er meist nicht, weil der bürokratische Aufwand für ihn zu hoch ist. „Würde der Arbeitgeber nämlich die Altverträge der neu eingestellten Arbeitnehmer akzeptieren, hätte er bald ein völlig unübersichtliches Sammelsurium unterschiedlichster bAV-Verträge mit vielen verschiedenen Versicherern am Hals.“ Das wolle kein Arbeitgeber.
„Die Politik verspricht seit Langem Reformen, aber die Umsetzung lässt weiter auf sich warten.“ Und weiter: „Ich kenne fleißige und erfolgreiche Menschen, die nach mehreren Karriereschritten durch Arbeitgeberwechsel nun vier verschiedene bAV-Leichen besitzen, von denen keine einzige vorteilhaft ist.“
ETF-Sparen als Alternative
Die bessere Alternative zur betrieblichen Altersvorsorge mit Entgeltumwandlung in Direktversicherung seien ungeförderte, aber dafür kostenarme und renditestarke ETF-Sparpläne, die der Arbeitnehmer ohne Zutun seines Arbeitgebers abschließt. „Zum langfristigen Vermögensaufbau eignen sich insbesondere Aktien-ETFs“, rät Walz.
Bei nahendem Ruhestand seien ergänzend Anleihen-ETFs empfehlenswert. Er selbst bevorzugt ausschüttende ETFs. Die Dividenden sind beim Zufluss bereits versteuert und können in neue Anteile investiert oder zur Aufstockung des Einkommens genutzt werden. „Die ersten 1000 € bzw. 2000 € bei einer Zusammenveranlagung bleiben wegen des Sparerfreibetrages völlig unbelastet.“ Danach werden die Ausschüttungen mit der pauschalen Kapitalertragsteuer versteuert. „Da für Aktien-ETFs eine Teilfreistellung von 30 % gewährt wird, beträgt der effektive Steuersatz lediglich 18,46 % statt 26,375 % ohne Kirchensteuer wie bei Zinsen.“
Auf seinem YouTube-Kanal gibt Walz im Video „ETF – 10 Filterfragen, wie Sie Ihren ETF finden“ praktische Tipps zur Auswahl geeigneter ETFs:
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Petra, die tatsächlich existiert, aber anders heißt, konnte ihre bAV nach zwei Jahren auflösen. Nun legt sie das Geld am freien Kapitalmarkt an.
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