Samarium: Forschende entdecken unbekannte Eigenschaften
Forschende aus Mainz haben eine Methode entwickelt, mit der sich bislang unbekannte Übergänge im Element Samarium sichtbar machen lassen. Ihre Arbeit eröffnet neue Perspektiven für die Atomphysik und könnte die Spektroskopie grundlegend verändern.
Forschende haben erstmals die innere Struktur einer Samariumzelle bei hoher Temperatur untersucht.
Foto: Razmik Aramyan
Die Arbeitsgruppen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) haben einen neuartigen Zugang gefunden, um tiefer in die innere Struktur von Atomen vorzudringen. Mit Hilfe ihres Verfahrens konnten sie atomare Übergänge beim seltenen Erdmetall Samarium entdecken, die bisher in keinem Datensatz verzeichnet waren.
Diese ersten Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Physical Review Applied veröffentlicht und enthalten Hinweise darauf, dass sich künftig weitere schwer zugängliche atomare Prozesse sichtbar machen lassen, die für theoretische Modelle von großer Bedeutung sind. Besonders interessant ist dabei, dass das Team nicht nur neue Linien in Spektren aufdeckte, sondern mit der Methode auch eine Grundlage für internationale Projekte legte, die die Präzisionsforschung an Atomen beschleunigen könnten.
Bedeutung der inneren Struktur von Atomen für die Physik
Das Verständnis der inneren Struktur von Atomen gilt als zentrales Element moderner Grundlagenforschung. Wer weiß, wie Energieniveaus und atomare Übergänge organisiert sind, kann neue Experimente planen und die Eigenschaften von Atomen oder Molekülen gezielt sichtbar machen. Denn viele Vorhaben in der Physik erfordern Proben mit sehr speziellen Eigenschaften, die genau auf das zu untersuchende Phänomen abgestimmt sein müssen. Dabei existieren nach wie vor große Lücken, insbesondere bei Elementen der Seltenen Erden und den Aktiniden. Gerade dort sind Energieniveaus oft nur teilweise bekannt oder schwer zu messen.
Geht es darum, atomare Eigenschaften sichtbar zu machen, hat sich die Spektroskopie als ein besonders wirkungsvolles Instrument etabliert. Dabei basiert die Methode auf einem einfachen, aber starken Prinzip: Elektronen wechseln zwischen Energieniveaus und senden oder absorbieren Licht mit ganz bestimmten Wellenlängen. Jedes Element weist so ein klar erkennbares Muster auf, das sein sogenanntes atomares Spektrum bildet. Besonders relevant wird das, wenn es darum geht, winzige Unterschiede zwischen theoretischen Vorhersagen und experimentellen Ergebnissen aufzuspüren. Gerade Samarium, das wegen seiner komplexen Elektronenstruktur schwer zu beschreiben ist, profitiert von solchen hochauflösenden Verfahren, da selbst kleine Abweichungen wichtige Erkenntnisse über materielle Grundlagen liefern können.
Fortschritt durch Dual-Comb-Spektroskopie
„Hochauflösende Breitbandspektroskopie ist für Präzisionsmessungen in der Atomphysik und die Suche nach neuen fundamentalen Wechselwirkungen unerlässlich“, erklärt Razmik Aramyan, Doktorand und Hauptautor der Studie. Er verweist zugleich auf bestehende Probleme: Messungen scheitern oft daran, schwache Signale klar zu unterscheiden oder den gesamten relevanten Wellenlängenbereich erfassen zu können. Um diese Hürden zu überwinden, nutzte das Team eine spezielle Technik: die Dual-Comb-Spektroskopie (DCS). Dieses Verfahren baut auf der Erkenntnis der Nobelpreis-prämierten Frequenzkamm-Methode auf und erlaubt es, die Spektren einer Probe mit bislang unerreichter Genauigkeit und Auflösung zu bestimmen. So wird sichtbar, was mit klassischen Spektrometern oft im Rauschen verborgen bleibt.
Der technische Kern liegt in der Nutzung zweier kohärent betriebener Frequenzkämme. Diese Laser liefern exakte Lichtfrequenzen und können überlagert werden, sodass selbst winzige energetische Unterschiede in atomaren Übergängen erfasst werden. Eine weitere Herausforderung bestand darin, die schwachen Signalanteile von störendem Rauschen zu trennen. Dazu griff die Arbeitsgruppe auf mehrere Fotodetektoren zurück. Dieses Messprinzip führte zu einem deutlich besseren Signal-Rausch-Verhältnis. „Wir haben einen verbesserten Mehrkanal-DCS-Ansatz entwickelt, der ein Photodetektor-Array mit einem neuartigen Schema zur Auflösung von Frequenzmehrdeutigkeiten kombiniert und so mehrdeutigkeitsfreie Breitbandmessungen mit einem hohen Signal-Rausch-Verhältnis ermöglicht“, erläutert Aramyan.
Atomare Struktur von Samarium entschlüsseln
Anschließend testeten die Forschenden das entwickelte Verfahren an Samariumdampf. Dabei wurden die Spektren bei unterschiedlichen Temperaturen und Konzentrationen aufgenommen. Der Vergleich mit bekannten Daten brachte eine bemerkenswerte Entdeckung: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten mehrere bisher unbekannte Absorptionslinien nachweisen. Damit zeigte sich unmittelbar, dass die Dual-Comb-Spektroskopie nicht nur theoretische Verbesserungen bietet, sondern auch in der praktischen Anwendung bisher unzugängliche Details sichtbar macht. Genau darin liegt ihre Bedeutung: Sie schließt bestehende Datenlücken und gibt neue Impulse für Untersuchungen der inneren Struktur von Atomen. Aramyan erklärt: „Wir haben mehrere bisher nicht beschriebene Samarium-Absorptionslinien entdeckt. Das illustriert das Potenzial unserer Methode, bisher unbekannte atomare Eigenschaften aufzudecken.“
Die Ergebnisse verstehen die Forschenden als Anfang einer größeren Entwicklung. Denn das Team arbeitet im Rahmen von „Spectroscopy 2.0“ an einem internationalen Projekt, das ein massiv-paralleles Messwerkzeug hervorbringen soll. Dieses neuartige Instrument könnte eine große Anzahl spektroskopischer Messungen gleichzeitig ermöglichen – auch unter extremen Bedingungen wie starken Magnetfeldern. Damit läge ein Werkzeug vor, das die Analyse dichter atomarer und molekularer Systeme auf ein bisher unerreichtes Niveau hebt.
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