Kunststoffherstellung 25.08.2025, 07:53 Uhr

Lignin und CO2 sollen Erdöl ersetzen

US-Forschern ist es gelungen, aus vermeintlichem Abfall hochwertiges Polyurethan herzustellen, das in der Chemie, von Automobilherstellern, Baukonzernen und vielen anderen Branchen genutzt wird, ein Beitrag zur Rettung des Klimas.

Lignin

Lignin und CO₂ ersetzen Erdöl bei der Herstellung von Polyurethan – vielseitig, recycelbar und klimafreundlich.

Foto: Smarterpix / Wstockstudio

Polyurethan (PU) begegnet man auf Schritt und Tritt. Das Lenkrad des Autos besteht aus diesem Kunststoff, auch das Armaturenbrett. Wenn Töpfe zu reinigen sind geschieht das oft mit einem PU-Schwamm. Wer Fußball spielt, tritt gegen einen PU-Ball. Das Material findet sich in Farben, Harzen und Klebstoffen. Außenwände von Häusern werden mit diesem Material gedämmt und abends lässt man sich nach einem arbeitsreichen Tag auf die Matratze aus PU fallen, um für den nächsten Tag Kraft zu tanken. Rund 25 Millionen Tonnen dieses Kunststoffs werden weltweit jährlich eingesetzt, 2029 sollen es schon 29 Millionen sein.

Intelligente Verknüpfung von zwei Abfallstoffen

Ausgangsmaterial ist Erdöl, bis auf wenige Ausnahmen, die allerdings zunehmen werden. Forschern an der Florida State University in Tallahassee ist es gelungen, Lignin, ein natürliches Polymer, das jährlich im Millionen-Tonnen-Maßstab anfällt und nur zu einem kleinen Teil sinnvoll verwertet wird, als Alternative zum Erdöl zu nutzen. Zweite Komponente ist Kohlenstoffdioxid (CO2), das aus der Luft entnommen oder aus Rauchgasen abgeschieden wird, was ebenfalls einen Beitrag zur Verlangsamung des Klimawandels leistet.

„Wir haben ein hochwertiges Polymer mit weniger Schritten, weniger Energie und ohne giftige Inhaltsstoffe hergestellt“, so Ho Yong Chung, außerordentlicher Professor für Chemie- und Biomedizinisches Ingenieurwesen, der das Verfahren gemeinsam mit Arijit Ghorai entwickelt hat, der bei ihm promoviert hat. „Es ist besser für die Umwelt, besser für die Menschen und einfacher herzustellen.“ Das resultierende Material ist genauso fest und hitzebeständig wie herkömmliches PU.

CO2 wird oft langfristig gebunden

Die herkömmliche Polyurethanherstellung basiert auf Isocyanaten, Verbindungen, die hochreaktiv und gesundheitsschädlich sind. Chungs Verfahren verzichtet vollständig auf diese giftigen Inhaltsstoffe. Dabei reagieren die natürlich vorkommenden Hydroxylgruppen des Lignins mit CO2 und bilden so Polyurethannetzwerke. Hydroxilgruppen, auch OH-Gruppen genannt, sind Bestandteile von Alkoholen, Kohlenhydraten und anderen Verbindungen.

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Das CO2 wird direkt in die Polymerstruktur eingebunden, sodass das Treibhausgas zu einen funktionalen Bestandteil des jeweiligen Materials wird. Viele Produkte sind langlebig, wie etwa das Dämmmaterial der Fassaden von Gebäuden. Zudem lässt es sich recyceln, wenn es denn nicht mehr gebraucht wird. Der Einsatz von CO2 in Polyurethan ist eine leichter zu akzeptierende Alternative zur Lagerung des Klimagases in tiefen geologischen Formationen.

Ein Student entdeckte das Potenzial von Lignin

Chung untersuchte erstmals während seines Studiums die Anwendungsmöglichkeiten von Lignin mit dem Ziel, daraus einen Klebstoff zu entwickeln. Trotz des damals noch begrenzten Wissens auf diesem Gebiet setzte er die Entwicklung von Technologien auf Ligninbasis fort, da diese ein großes Potenzial für medizinische Anwendungen, Energiesysteme und nachhaltige Materialien bieten.

Aromastoff für die Energiewende

Lignin ist ein reichlich vorhandener, aber wenig genutzter Rohstoff, der in der Zellstoff- und Papierherstellung meist als Abfall behandelt wird. Kleine Mengen werden allerdings genutzt. So dient Lignin als Bindemittel in Holzbriketts, die aus Sägespänen hergestellt werden, um in Kaminen und Kaminöfen verfeuert zu werden. Forscher der Technischen Universität Graz in Österreich haben ein Verfahren entwickelt, um aus Lignin den Aromastoff Vanillin zu gewinnen, der nebenbei auch die Energiewende beflügeln kann.

Ebenfalls an der österreichischen Hochschule ist ein Elektrolyt auf Lignin-Vanillin-Basis für Redox-Flow-Batterien entwickelt worden. Diese Stromspeicher sind ideal als Puffer für Solar- und Windstrom, der zu Zeiten produziert wird, zu denen es keine Abnehmer gibt. Auch Synthesegas, ein wichtiger chemischer Rohstoff, und selbst Biokraftstoffe lassen sich aus dem vermeintlichen Abfallprodukt herstellen. Wegen zu hoher Kosten unter anderem wegen der Lignin-Aufbereitung werden diese Möglichkeiten allerdings noch nicht umfassend genutzt.

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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