Römer und Umwelt: Das Imperium kannte keine Gnade
Die Römer bauten großartig, aber auf Kosten der Umwelt. Studien zeigen: Sie verursachten Abholzung, Bleivergiftung und Artenverlust – und das ohne schlechtes Gewissen.
Hafenmüll der antiken Römer liegt im Römisch-Germanischen Museum in einer Vitrine. Die Römer entsorgten ihre Alltagsgegenstände im Rhein. Auch sonst hatten sie wenig mit Umweltschutz am Hut.
Foto: picture alliance/dpa | Oliver Berg
Die Römer gelten als Meister der Technik. Sie bauten Straßen, Aquädukte und Brücken, von denen einige heute noch stehen. Ihre Bauwerke prägten ganze Landschaften. Doch hinter den beeindruckenden Leistungen verbirgt sich eine andere Geschichte – die eines Reiches, das Natur und Ressourcen in einem Ausmaß ausbeutete, das für die damalige Zeit beispiellos war.
Archäologische Funde und moderne Umweltforschung zeigen: Die Römer hinterließen Spuren, die noch heute messbar sind – sogar im arktischen Eis. Die Faszination für Natur verband sich bei ihnen mit dem Drang, sie zu kontrollieren. Nachhaltigkeit im modernen Sinne spielte dabei kaum eine Rolle.
Inhaltsverzeichnis
- Baukunst mit Nebenwirkungen
- Ein Imperium als Klimafaktor
- Blei in der Luft – eine antike Industrieverschmutzung
- Antiker Smog in der Provinz
- Holzverbrauch und Kahlschlag
- Müllentsorgung – ein Dauerproblem der Antike
- Tiere als Ressource – und Opfer
- Recycling – aus ökonomischen Gründen
- Gesundheitliche Folgen der Industriegesellschaft
- Wahrnehmung und Mentalität
Baukunst mit Nebenwirkungen
Brücken aus der Römerzeit trotzen seit fast 2.000 Jahren Wind und Wetter. In Trier etwa steht noch immer eine römische Moselbrücke, während Betonbrücken der 1960er Jahre oft schon nach einem halben Jahrhundert ersetzt werden müssen.
Doch Kathrin Jaschke vom Römisch-Germanischen Museum in Köln bremst die romantische Vorstellung von römischer Nachhaltigkeit: „Sie konnten super Brücken bauen, und die waren natürlich auch dafür gedacht, möglichst lange stehen zu bleiben. Aber es ging ihnen dabei nicht um Nachhaltigkeit“, sagt Jaschke. „Hätten sie unseren Spannbeton gekannt, hätten sie den mit Sicherheit auch benutzt.“
Die Langlebigkeit römischer Bauwerke war also eher eine Folge der Bauweise und der Materialien als ein bewusstes Umweltbewusstsein.
Ein Imperium als Klimafaktor
Die römische Wirtschaft setzte auf Größe und Expansion – und verursachte damit, gemessen an der damaligen Weltbevölkerung, die größte Umweltbelastung der Menschheitsgeschichte.
Die britische Althistorikerin Mary Beard berichtet in ihrer BBC-Dokumentation Rome – Empire without Limit, dass selbst in 2.000 Jahre alten Eisschichten aus Grönland der römische Einfluss sichtbar ist. Analysen zeigen in diesen Schichten erhöhte Methanwerte – ein Treibhausgas, das vor allem durch riesige Viehbestände und das Verbrennen von Holz freigesetzt wurde.
Beard vermutet sogar, dass die Römer auf ihre Weise stolz gewesen wären, wenn sie gewusst hätten, dass ihr „Impact“ noch Jahrtausende später nachweisbar wäre.
Blei in der Luft – eine antike Industrieverschmutzung
Besonders deutlich wird der ökologische Fußabdruck der Römer beim Thema Blei. Das Desert Research Institute (DRI) in Nevada konnte in einer Studie zeigen, dass während der Blütezeit des Reiches gewaltige Mengen dieses Schwermetalls in die Atmosphäre gelangten.
Der Hauptgrund: die Gewinnung von Silber. Dabei wurde das Erz Galenit geschmolzen – ein Prozess, bei dem pro Unze Silber tausende Unzen Blei freigesetzt wurden. Joseph McConnell vom DRI erklärt, dass zwischen 500 v. Chr. und 600 n. Chr. mehr als 500 Kilotonnen Blei in die Luft gelangten. Diese Menge übertraf alle vorherigen Epochen und belastete weite Teile Europas.
Das hatte Folgen für die Gesundheit: Blei reichert sich im Körper an, schädigt Nerven, Herz-Kreislauf-System und Organe. Kinder waren besonders betroffen – ihr IQ sank laut der Studie im Schnitt um zwei bis drei Punkte. Nathan Chellman, Co-Autor der Untersuchung, weist darauf hin: „Eine IQ-Reduktion um zwei bis drei Punkte klingt nicht nach viel, aber wenn man das auf die gesamte europäische Bevölkerung anwendet, ist das eine große Sache.“
Antiker Smog in der Provinz
Nicht nur in Bergbauregionen, auch in industriellen Zentren der Provinzen entstanden erhebliche Emissionen. In der Eifel etwa produzierten die Römer zwischen dem 2. und 5. Jahrhundert Keramik im großen Stil. Archäologe Holger Schaaff vom Leibniz-Zentrum für Archäologie entdeckte bei Speicher bis zu 240 Töpferbetriebe auf nur vier Quadratkilometern.
Eine Simulation der Universität Trier zeigte: Die Öfen setzten so viele Schadstoffe frei, dass heutige Grenzwerte für Stickoxide und Kohlenmonoxid überschritten worden wären. Filter- oder Abgasreinigungsanlagen gab es nicht. Zwar war der Ausstoß geringer als in moderner Industrie, doch die fehlende Technik machte die Emissionen lokal sehr hoch.
Ob die Römer die Gefahr erkannt haben, ist unklar. Wahrscheinlich merkten sie zumindest, dass die Luft nach der Verlagerung von Töpfereien aus Mayen sauberer wurde.
Holzverbrauch und Kahlschlag
Römische Städte verschlangen Unmengen Holz – zum Heizen, für Bauten, für öffentliche Thermen. In Köln war der Wald bald abgeholzt. Baumstämme wurden aus dem Schwarzwald über den Rhein transportiert. Kathrin Jaschke berichtet, dass die Römer durchaus wussten, dass Entwaldung Bodenerosion begünstigt. Geändert haben sie ihr Verhalten trotzdem nicht. War der Wald weg, zog man weiter.
Römer und Umwelt – Fakten auf einen Blick
- Blei im Blut: Zwischen 500 v. Chr. und 600 n. Chr. gelangten über 500 Kilotonnen Blei in die Luft, vor allem durch Silberabbau (Quelle: Desert Research Institute).
- IQ-Verlust: Die Bleibelastung senkte den durchschnittlichen IQ der Bevölkerung um 2–3 Punkte.
- Abholzung: Städte wie Köln verbrauchten so viel Holz, dass ganze Wälder verschwanden. Holz wurde über weite Strecken transportiert.
- Industriegebiete: In der Eifel produzierten bis zu 240 Töpfereien Keramik – Simulationen zeigen Überschreitungen heutiger Grenzwerte für Luftschadstoffe.
- Müllentsorgung: Abfälle landeten oft in Flüssen oder auf wilden Müllkippen. Hygienische Standards gab es kaum.
- Artenverlust: Löwen, Nilpferde und Nashörner verschwanden aus vom Imperium kontrollierten Regionen.
- Recycling: Metalle und Glas wurden wiederverwendet – aus Kostengründen, nicht aus Umweltbewusstsein.
Müllentsorgung – ein Dauerproblem der Antike
Das Bild von sauberen, geordneten römischen Städten trügt. In Wirklichkeit kämpften die Metropolen des Reiches mit Müllbergen und unhygienischen Zuständen. Mietshäuser hatten keine geordneten Abfallentsorgungswege. Bewohner*innen kippten Küchenabfälle, Scherben oder sogar menschliche Exkremente einfach aus den Fenstern. Flüsse und Bäche dienten vielerorts als Müllkippen.
In Rom gab es zwar Aedilen – gewählte Beamte, die unter anderem für die Müllabfuhr zuständig waren. Auch in anderen Städten wie Carnuntum existierten solche Ämter. Doch die Praxis sah anders aus. Offizielle Vorschriften, Müll nur an bestimmten Orten abzuladen, wurden häufig ignoriert.
Archäologinnen und Archäologen stoßen heute auf illegale Müllhalden, die für sie wertvolle Informationen über Ernährung, Konsumgewohnheiten und Handelswege liefern. Doch diese Fundplätze erzählen auch von hygienischen Problemen: Tiere wie Schweine, Hunde, Katzen oder Vögel ernährten sich vom Abfall, Flöhe und Läuse verbreiteten Krankheiten.
Ein interessantes Detail: Es gab einen frühen Ansatz von Recycling im Rahmen der Landwirtschaft. Bauern, die morgens ihre Waren in die Städte brachten, luden abends menschlichen und tierischen Dung auf denselben Karren und nutzten ihn als Dünger auf den Feldern. Dass damit Krankheitserreger verbreitet wurden, war niemandem bewusst.
Tiere als Ressource – und Opfer
Die Römer hatten einen enormen Bedarf an Tieren – nicht nur als Nahrungsquelle, sondern auch für Unterhaltung. Löwen, die einst in Griechenland lebten, wurden für Tierkämpfe in den Arenen gejagt und verschwanden bald aus der Region. Ähnlich erging es Nilpferden und Nashörnern in den vom Imperium kontrollierten Gebieten Ägyptens.
In Mitteleuropa fingen die Römer Bären und Wölfe. Solche Eingriffe in Ökosysteme hatten lokale Artenverluste zur Folge. Langfristige Folgen interessierten kaum.
Recycling – aus ökonomischen Gründen
Metalle und Glas wurden in der Antike oft wiederverwendet. Legionärshelme trugen mitunter mehrere eingravierte Namen – sie waren weiterverkauft oder vererbt worden. Das geschah jedoch nicht aus Umweltbewusstsein, wie Kathrin Jaschke betont: „Das geschah nicht, weil damit Ressourcen geschont wurden, sondern weil es preiswerter war.“
Das römische Alltagsdenken ähnelte in dieser Hinsicht unserer heutigen Wegwerfgesellschaft – mit dem Unterschied, dass Rohstoffe teurer und schwieriger zu beschaffen waren.
Gesundheitliche Folgen der Industriegesellschaft
Die Blei-Emissionen aus Bergbau und Metallverarbeitung hatten gravierende gesundheitliche Folgen. Das Desert Research Institute fand Hinweise, dass während der Pax Romana der durchschnittliche Bleigehalt im Blut der Bevölkerung so hoch lag, dass er kognitive Fähigkeiten messbar einschränkte.
Blei wirkt schon in geringen Mengen toxisch. Bei Erwachsenen kann es Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Unfruchtbarkeit oder Gedächtnisverlust verursachen. Kinder leiden besonders unter Entwicklungsstörungen. Nathan Chellman vom DRI sieht in der antiken Bleibelastung ein frühes Beispiel für die unbeabsichtigten Konsequenzen industrieller Aktivität.
Wahrnehmung und Mentalität
Waren sich die Römer ihrer Umweltbelastung bewusst? Teilweise ja. Plinius der Ältere prangerte im 1. Jahrhundert n. Chr. die rücksichtlose Ausbeutung der Natur an:
„Die heilige Mutter Erde muss erdulden, dass sie überall dort, wo Edelmetalle und andere Rohstoffe vermutet werden, durchlöchert und aufgeschürft wird. Der Mensch hat gelernt, die Natur herauszufordern.“
Doch auch Plinius störte nicht der Ressourcenverbrauch an sich, sondern die Gier nach Luxus. Viele Römer sahen die negativen Folgen ihrer Aktivitäten – wie Bodenerosion durch Abholzung – durchaus. Geändert wurde wenig.
Kathrin Jaschke zieht eine Parallele zur Gegenwart: „Wir wissen alle, wie schädlich Plastik ist – aber wir verwenden es trotzdem, weil es praktisch ist. Dieses Denken würden die Römer sofort wiedererkennen.“ (mit Material der dpa)
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