Rebholz statt Plastik: Neue Folien lösen sich in 17 Tagen auf
Alternative zu Plastik: Die Verpackung aus Weinreben ist stabil, transparent und in nur 17 Tagen im Boden abgebaut – ohne Rückstände.
Weinreben liefern nicht nur Trauben – aus ihrem holzigen Schnittgut lässt sich auch biologisch abbaubare Verpackung herstellen.
Foto: Smarterpix / bperezblasco@yahoo.es
Forschende der South Dakota State University haben aus Schnittresten von Weinreben transparente Folien hergestellt. Sie sind stabil wie Plastik, lassen sich für Verpackungen nutzen und zersetzen sich in 17 Tagen im Boden. Das Verfahren nutzt landwirtschaftliche Abfälle und könnte so Plastikmüll und CO₂-Ausstoß senken.
Plastikmüll als Dauerproblem
Plastikverpackungen gehören zu den größten Umweltbelastungen. Sie bestehen meist aus Erdöl, werden oft nur einmal verwendet und bleiben Jahrhunderte in der Natur. Weltweit sind nur rund 9 % des Plastiks recycelbar.
Der Rest landet in Verbrennungsanlagen, auf Deponien oder in Flüssen und Meeren. Dort entstehen mit der Zeit winzige Plastikpartikel, sogenanntes Mikroplastik. Diese Partikel finden Forschende inzwischen überall – auch in menschlichem Gewebe. Welche gesundheitlichen Folgen das hat, ist noch weitgehend unklar.
Eine Idee aus dem Weinberg
An der South Dakota State University arbeitet der Lebensmittelwissenschaftler Srinivas Janaswamy daran, Plastikmüll zu reduzieren. Sein Ziel: Verpackungen entwickeln, die sich in kurzer Zeit zersetzen. Dabei setzt er auf Cellulose – ein natürlicher Stoff, der in den Zellwänden von Pflanzen vorkommt. Cellulose ist stabil, formbar und reichlich vorhanden. Sie findet sich zum Beispiel in Baumwolle oder Holz und ist vollständig biologisch abbaubar.
Eine entscheidende Anregung kam von der Pflanzenwissenschaftlerin Anne Fennell. Sie kennt sich mit Weinreben aus und weiß: Nach der Ernte fallen jedes Jahr große Mengen holziger Ranken an, die kaum genutzt werden. „Die abgeschnittenen Reben werden entweder gemäht, kompostiert oder verbrannt“, erklärt sie. Da dieses Rebholz viel Cellulose enthält und trocken geerntet werden kann, eignet es sich besonders gut für eine Weiterverarbeitung.
Vom Abfall zur Folie
In der Kooperation mit Fennell entwickelte Janaswamy ein Verfahren, um Cellulose aus Rebholz zu gewinnen. Vereinfacht gesagt wird das Holz gereinigt, zerkleinert und in mehreren Schritten so behandelt, dass störende Bestandteile entfernt werden. Am Ende bleibt reine, fast weiße Cellulose zurück, die optisch an Baumwolle erinnert.
Diese Cellulose wird in einer Lösung aufgelöst, mit Zusatzstoffen vermischt und in dünnen Schichten ausgegossen. Nach dem Trocknen entstehen transparente Folien, die sich ähnlich wie Plastik anfühlen. Ein Weichmacher sorgt dafür, dass das Material nicht bricht, sondern flexibel bleibt.
Eigenschaften, die überzeugen
Die aus Rebholz hergestellten Folien sind durchsichtig genug, um verpackte Produkte gut zu erkennen. Das kann im Handel und in der Qualitätskontrolle Vorteile bringen, weil Verpackungen nicht geöffnet werden müssen. Auch die Stabilität ist hoch: In Zugtests hielten die Folien mehr Belastung aus als viele handelsübliche Plastiktüten.
Ein besonderer Vorteil ist der schnelle Abbau. In Bodentests lösten sich die Folien innerhalb von 17 Tagen vollständig auf – ohne schädliche Rückstände. Zum Vergleich: Kunststoffverpackungen bleiben oft über Jahrhunderte in der Umwelt.
„Die Verwendung von ungenutzten Rebschnittresten als Zellulosequelle für Verpackungsfolien verbessert die Abfallwirtschaft in diesem Bereich und trägt zur Lösung des globalen Problems der Plastikverschmutzung bei“, sagt Janaswamy.
Weinreben-Folie vs. konventionelle Kunststofffolie
| Kriterium | Weinreben-Folie (Cellulose-basiert) | Konventionelle Kunststofffolie (z. B. PE, PP) |
| Rohstoff | Rebholz-Abfälle aus Weinbau (nachwachsend, Nebenprodukt) | Erdöl oder Erdgas (nicht erneuerbar) |
| Transparenz | ~84 % pro mm Dicke | 85–92 % pro mm Dicke |
| Zugfestigkeit | 15,4–18,2 MPa | 20–40 MPa |
| Elastizität/Flexibilität | Durch Glycerin flexibel, jedoch weniger dehnbar als PE | Sehr flexibel und dehnbar |
| Feuchtigkeitsbarriere | Mittel – empfindlicher gegenüber Wasserdampf | Hoch – nahezu wasserdicht |
| Biologische Abbaubarkeit | Vollständig in ~17 Tagen (unter Bodenfeuchte-Bedingungen) | Nicht biologisch abbaubar (Jahrhunderte in Umwelt) |
| CO₂-Bilanz | Gering – nutzt Abfallströme, vermeidet Verbrennung | Hoch – energieintensive Herstellung aus fossilen Ressourcen |
| Entsorgung | Kompostierbar, rückstandsfrei | Recycling oft möglich, aber real geringe Quote (~9 %) |
| Kostenpotenzial | Niedrig (Rohstoff quasi kostenlos, Prozess skalierbar) | Abhängig vom Ölpreis, derzeit industriell günstiger |
| Einsatzbereich | Lebensmittelverpackungen, Einwegfolien, Sichtfenster | Breites Spektrum: Lebensmittel, Industrie, Logistik |
Potenzial für Kreislaufwirtschaft
Das Verfahren verbindet zwei Ziele: Plastikmüll verringern und landwirtschaftliche Abfälle sinnvoll nutzen. Weinbaubetriebe könnten aus einem bisherigen Entsorgungsproblem eine Einnahmequelle machen. Die Rohstoffkosten sind gering, und Wein wird in vielen Regionen der Welt angebaut.
Auch aus Klimasicht gibt es Pluspunkte. Wenn Rebholz nicht verbrannt, sondern verarbeitet wird, entsteht weniger CO₂. Zudem ersetzt die neue Folie Verpackungen aus Erdöl, was die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen verringert.
Noch nicht im Supermarkt
Bis diese Folien großflächig eingesetzt werden können, sind noch Schritte nötig. Der Herstellungsprozess muss für die Industrie angepasst werden, damit sich die Produktion in größerem Maßstab lohnt. Außerdem gilt es, Haltbarkeit und Eignung für verschiedene Verpackungsarten zu testen.
Das Team sieht darin jedoch keine unlösbaren Hürden. „Diese Folien haben ein herausragendes Potenzial für Lebensmittelverpackungen“, betont Janaswamy. Sie könnten zum Beispiel für Obst, Gemüse oder trockene Lebensmittel eingesetzt werden.
Einsatzmöglichkeiten in der Verpackungsindustrie
Wenn sich die Herstellung der Rebholz-Folie industriell umsetzen lässt, könnten Unternehmen sie für viele Verpackungsarten nutzen. Besonders naheliegend ist der Einsatz im Lebensmittelbereich. Hier spielt Transparenz eine wichtige Rolle, damit Kund*innen den Inhalt sehen können. Obst, Gemüse oder Backwaren ließen sich in Beuteln oder Folien aus Weinreben verpacken, ohne dass die Produkte austrocknen oder beschädigt werden.
Auch für Non-Food-Artikel gibt es Optionen. Kleine Ersatzteile, Bürobedarf oder Textilien könnten ebenfalls in dieser Folie verpackt werden. Für Versandunternehmen könnte das Material interessant sein, um Kunststoffpolster oder dünne Umverpackungen zu ersetzen.
Ein weiterer Vorteil: Die Folie lässt sich nach Gebrauch kompostieren. Für Betriebe mit eigener Bioabfall-Verwertung könnte das die Entsorgung vereinfachen. In Regionen, in denen Weinbau eine große Rolle spielt – etwa in Südeuropa, Kalifornien, Südafrika oder Australien – wäre zudem eine lokale Produktion denkbar. So ließen sich Transportwege verkürzen und Emissionen weiter senken.
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