CBAM: EU-Schutzschild gegen den Klimaschmutz
Ab 2026 ist für viele ausländische Waren beim Import in die EU ein CO2-Zoll fällig. Darunter auch Haushaltswaren. Was das System CBAM bringen soll und wo die Gefahr lauert.
Containerterminal im Hafen Hamburg: Ab 2026 ist für viele ausländische Waren beim Import in die EU ein CO2-Zoll fällig. Darunter auch Haushaltswaren. Was das System CBAM bringen soll und wo die Gefahr lauert.
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Es ist ein Versprechen, dass die EU – und auch diverse Bundesregierungen in Berlin – der Industrie schon lange gegeben hat: wenn ihr euch auf den Klimaschutz einlasst, dann sorgen wir dafür, dass ihr eure ergrünte Ware absetzen könnt und wettbewerbsfähig bleibt.
Heute hat die EU-Kommission einen wichtigen Baustein dafür vorgelegt: die Ausweitung des Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM. CO2-Grenzausgleichsmechanismus im Deutschen. Im Endeffekt ist es ein CO2-Zoll für in die EU importierte Waren.
Die Kernpunkte der Regelung (Service für ganz neugierige)
- CBAM gibt es schon, er gilt derzeit laut EU für Grundgüter: Aluminium, Zement, Elektrizität, Düngemittel, Wasserstoff sowie Eisen und Stahl.
- 180 nachgelagerte Produkte werden in CBAM neu aufgenommen. Es sind zu 94 % Industrieprodukte mit einem hohen Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen und einem hohen Anteil an Stahl und/oder Aluminium. 6 % sind Haushaltswaren wie z. B. Waschmaschinen.
- Der CO2-Zoll wird ab 1. Januar 2026 eingeführt und steigt bis 2028 stufenweise von 10 % auf 30 % an.
- Die EU erhofft sich, dass so mehr Produktion und Beschäftigung in der EU bleibt.
- Ein Hilfsfonds, u. a. gefüllt mit den CBAM-Einnahmen, soll EU-Herstellern direkt helfen.
- Kritikpunkte gibt es viele: die einen fürchten viel und komplexe Bürokratie, die anderen zu wenig Geld im Hilfsfonds. Und CBAM kann die EU-Hersteller nur in Teilen entlasten. Ob also das Ziel – Hersteller in der EU zu halten – erreicht wird, bleibt offen.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist die Aufgabe von CBAM?
- Wer ist von CBAM betroffen?
- Ab wann wie viel zu zahlen ist
- Was der CBAM-Hilfsfonds für EU-Hersteller bringen soll
- CBAM-Gefahr 1: Fehlende Berücksichtigung von Exporten
- CBAM-Gefahr 2: Die Wertschöpfungskette und ihre CO2-Emissionen zu erfassen ist schwierig und aufwändig
- CBAM-Gefahr 3: „Resource Shuffling“
- CBAM-Gefahr 4: Bürokratischer Aufwand
Was ist die Aufgabe von CBAM?
Klimaschutz kostet Geld. Erst einmal. Es muss in neue Technologien, Produktionsverfahren und -anlagen investiert werden. Plus Hochlauf in den Massenmarkt, der es einem erst erlaubt, relevante Kostenaspekte zu heben. Unternehmen, die also Verfahren und Produkte wegen des Klimaschutzes neu entwickeln, müssen in Vorleistung treten. Wenn die ausländische Konkurrenz da nicht mitzieht, erzielt sie einen Kostenvorteil.
Zudem: Die erfolgreiche Energiewende in Europa macht im Endeffekt auf Dauer fossile Energieträger weltweit gesehen preiswerter. Denn die Anbieter dieser Rohstoffe suchen neue Absatzmärkte. Die ausländische Konkurrenz kann also mit preiswerter Energie herstellen, vor allem, wenn es dort keinen eigenen CO2-Handel gibt. Hersteller in der EU zahlen zusätzlich CO2-Abgaben über den EU-Emissionshandel. Das nennt sich Exportproblem der in der EU beheimateten Hersteller.
CBAM soll für diese Nachteile einen Ausgleich schaffen. Er soll durch den CO2-Zoll verhindern, dass günstige, aber klimaschädlicher hergestellte Produkte auf dem europäischen Markt die heimische klimafreundliche Konkurrenz be- und verdrängen. Global gesehen ist es der erste Klimaabgabe dieser Art. Ein Beispiel: Ein Stahl aus China wird klimaschädlicher hergestellt als in der EU, es gibt dort auch keinen landesweiten Emissionshandel. Daher kann er preiswerter angeboten werden. Dieser Unterschied soll preislich ausgeglichen werden.
Der CBAM wurde Ende 2023 eingeführt. Er sollte den EU-Emissionshandel ergänzen. Zudem soll er nicht nur sicherstellen, dass in die EU importierte Produkte dieselben CO2-Kosten tragen wie die aus der EU, sondern auch „eine klimafreundliche Produktion und grüne Leitmärkte weltweit gefördert“, wie es seitens des Umweltbundesamtes heißt.
Wer ist von CBAM betroffen?
Die EU will das CBAM-System auf 180 so genannte „nachgelagerte Produkte“ ausweiten, um eine Umgehung der Abgabe durch ausländische Firmen zu verhindern. Das sind laut EU zu 94 % Produkte der industriellen Lieferkette mit einem hohen Stahl- und Aluminiumgehalt (durchschnittlich 79 %), die in schweren Maschinen und Spezialausrüstungen wie Halterungen aus unedlen Metallen, Zylindern, Industrieheizkörpern oder Gießmaschinen verwendet werden. Hinzu kommen zum Beispiel Fahrzeugkomponenten, Bauteile für Brücken, Leistungstransformatoren und Baumaschinen. Ein Beispiel für ein nachgelagertes Gut, das für die Aufnahme vorgeschlagen wird, sind Litzen, Seile und Kabel aus mehr als 95% Edelstahl.
Ein geringer Anteil (6 %) der betroffenen nachgelagerten Waren sind auch Haushaltswaren wie Waschmaschinen. Die, so die EU, bestünden zu rund 60 % aus Stahl, zu 5 % aus Aluminium und zu 5 % aus Zement. Die Einfuhren ausgewählter nachgelagerter Waren machen laut EU mengenmäßig etwa 15 % der bereits erfassten CBAM-Waren aus. Wertmäßig liegt dieser Anteil bei rund 53 %. Bis 2030 werden die erwarteten Einnahmen aus diesen Waren auf etwa 20 % bis 25 % der im Rahmen des derzeitigen CBAM-Anwendungsbereichs erwarteten Einnahmen geschätzt.
Die deutsche Wirtschaftsvereinigung Stahl hätte gerne mehr gesehen. Sie hätte gerne CBAM auf alle stahlintensiven Folgeprodukte angewendet gesehen. „Stückwerk reicht hier nicht aus und riskiert den Verlust stahlintensiver Branchen“, heißt es.
Ab wann wie viel zu zahlen ist

Symbolbild für den EU Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Kritikpunkte gibt es viele: die einen fürchten viel und komplexe Bürokratie, die anderen zu wenig Geld im Hilfsfonds. Und CBAM kann die EU-Hersteller nur in Teilen entlasten. Ob also das Ziel – Hersteller in der EU zu halten – erreicht wird, bleibt offen.
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Der neue CO2-Zoll soll ab Januar gelten und wird zunächst auf bestimmte, energieintensive Importprodukte wie Stahl und Zement erhoben. Für die CBAM-Sektoren beträgt der Aufschlag 10 % im Jahr 2026, 20 % im Jahr 2027 und 30 % im Jahr 2028. Allerdings gibt es zu Beginn einen Zahlungsaufschub, sodass für Güter aus 2026 erst Anfang 2027 bezahlt wird. Der CO2-Preis an der Grenze wird graduell angepasst und soll ab 2034 exakt dem Preis innerhalb des europäischen Emissionshandels entsprechen.
Bei Düngemitteln gilt eine Ausnahme: „Um den Besonderheiten des Sektors Rechnung zu tragen, wird in den ersten Jahren des endgültigen Zeitraums ein niedriger Aufschlag von 1 % auf die jeweiligen Standardwerte angewandt“, so die EU.
Schon im Oktober wurde eine Erleichterung für Importeure kleiner Mengen an Grundstoffen beschlossen. Ab 2026 gilt ein Schwellenwert von 50 t relevanter Grund- und Rohstoffe pro Jahr. „Damit entfällt für kleine Unternehmen künftig die Pflicht zur Teilnahme am CBAM und der damit verbundene bürokratische Aufwand. Die enorme Entlastung geht einher mit der Einhaltung der Klimaziele und trägt zu fairen Wettbewerbsbedingungen der deutschen und europäischen Wirtschaft bei“, so das Umweltbundesamt damals. 90 % der von CBAM betroffenen Unternehmen, die Grundstoffe importierten, seien so ab 2026 befreit.
Der Interessenverband VCI forderte heute, dass die Chemieindustrie weiter ausgenommen bleiben müsse. Die Branche sei mit zehntausenden Produkten und hochkomplexen Produktionsketten für dieses Instrument ungeeignet.
Was der CBAM-Hilfsfonds für EU-Hersteller bringen soll
Industrieverbände in Europa hatten im Vorfeld des CBAM-Vorschlages der EU-Kommission einen Ausgleich verlangt. Nur so könne man auf auf ausländischen Märkten wettbewerbsfähig bleiben, auf denen die Konkurrenz keine CO2-Kosten zahlen müsse. Dieser Hilfsfonds soll zu 25 % aus den CBAM-Einnahmen, zu 75 % aus EU-Eigenmitteln kommen.
Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken betont, es müsse sichergestellt werden, dass die Förderung unbürokratisch nutzbar ist und zugleich wirksame Anreize für klimafreundlichere Produktionsprozesse setze. „Der vorliegende Vorschlag bietet dafür eine Grundlage, die wir im parlamentarischen Verfahren jedoch noch verbessern müssen“, so der Politiker.
Dem Verband der europäischen Stahlindustrie (Eurofer) erscheint die Basis der finanziellen Mittel des Unterstützungsfonds „höchst ungewiss“.
Die EU rechnet bis 2030 mit Einnahmen in Höhe von 2,1 Mrd. € . Allerdings: Die Mittel des Hilfsfonds stopfen nicht einfach Löcher in leeren Kassen. Sie sollen zweckgebunden an die Unternehmen gezahlt werden, damit diese in die Verringerung des CO2-Fußabdrucks ihrer Produktion investieren.
CBAM-Gefahr 1: Fehlende Berücksichtigung von Exporten
Als zentrales Problem des EU-CBAM gilt, dass die Exportseite nicht mit berücksichtigt. Im Rahmen einer Expertenanhörung des Science Media Centers beschrieb Robin Sogalla, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim, den aktuellen CBAM als „ein Weg hin zum Idealen“. Der jetzige CBAM sei ein „Mittelweg“. Denn der theoretisch ideale Grenzausgleich würde auch die CO2-Kosten auf der Exportseite erstatten, wenn Exporteure „ihre emissionsintensiven Güter in den Rest der Welt verschiffen“.
Dass der Export nicht mit erfasst ist, hält Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin für ein signifikantes Risiko, falls ab 2034 es tatsächlich so sei, dass der CBAm scharf geschaltet werde und man bei EU-CO2-Preisen von 75 €/t bleibe und andere Länder keine effektives CO2-Bepreisungssystem hätten: „Dann würden bei 23 % der europäischen gesamten Exporte die Kosten der europäischen Unternehmen für die höheren Grundstoffpreise mehr als 5 % relativ zur Wertschöpfung ansteigen, also das Carbon-Leackage-Risiko erfüllen.“
Bundesumweltminister Carsten Schneider hatte das Problem bereits im Oktober im Visier: „So lange der CBAM nicht zufriedenstellend funktioniert, sollte die Zuteilung kostenloser Zertifikate für Exporteure verlängert werden“, sagte er laut Pressemitteilung.
CBAM-Gefahr 2: Die Wertschöpfungskette und ihre CO2-Emissionen zu erfassen ist schwierig und aufwändig
Der aktuelle CBAM wurde konzipiert, um produktspezifisch messen zu können, wie CO2-intensiv importierte Produkte sind. Das soll eigentlich Anreize für andere Länder schaffen auch einen zumindest nationalen CO2-Preis einzuführen. Nur: Danach sieht es nicht aus. Und damit entfällt auch ein Anreiz für die Hersteller in diesen Ländern, ihrerseits sich um die CO2-Intensität ihrer Produkte zu kümmern und sie systematisch und gesichert zu erfassen.
CO2-Intensität zu erfassen heißt, sie entlang der Wertschöpfungskette zu ermitteln. Das mag bei Grundstoffen, die anfänglich bei CBAM im Fokus stehen, noch vergleichsweise einfach sein. Aber bei der Ausweitung auf 180 weiter verarbeitete Produkte, wird es wesentlich komplexer. Neuhoff zufolge sei die Erfassung dieser Produkte im Grenzausgleich „sehr aufwendig“ ist, da man „für alle Komponenten des Produktes schauen muss: Was war wo produziert worden? Das muss ich nachhalten, berichten, verifizieren“.
Wenn es so aufwendig und komplex ist, steigt das Risiko, dass die Wertschöpfungskette nur in Teilen wirklich erfasst wird. Dadurch besteht das Risiko, so Karsten Neuhoff, „dass dann Unternehmen nicht Stahl importieren, sondern weiterverarbeitete Produkte, die den Stahl beinhalten und dadurch die Produktion und die Emissionen verlagert werden“.
CBAM-Gefahr 3: „Resource Shuffling“
Das sogenannte „Ressource Shuffling“ sei laut Neuhoff ein Problem, was er „sehr ernst“ nehme. Das beschreibt die Gefahr, dass Unternehmen in Drittstaaten ihre bereits vorhandene, sauberere Produktion gezielt nach Europa verkaufen, um weniger Grenzausgleich zahlen zu müssen. Das könnte zum Beispiel bei China passieren, das gezielt Kapazitäten für grünen Stahl und grünen Wasserstoff aufbaut.
Neuhoff warnt, dass dies eher zu „einer Verschiebung der Produktionsströme führen, als zu Anreizen, wirklich was in Drittstaaten zu tun“, als dort in weitere grüne Produktionskapazitäten zu investieren.
CBAM-Gefahr 4: Bürokratischer Aufwand
Obwohl der aktuelle Gesetzesentwurf nicht die Emissionen entlang der gesamten vorgelagerten Wertschöpfungskette nachverfolgen muss, ist die Erfassung der Emissionen im jetzigen System mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Laut Sogalla trage der Importeur am Ende die Beweislast trägt, er sei „am Ende die Firma, die den CO2-Gehalt nachweisen muss“. Obwohl er in der Praxis sicherlich diese Daten vom Exporteur erhält, sie also in der Regel nicht selbst erhebt.
Sogalla merkte an, dass die Nutzung von „pauschalisierten Werten“ helfen könnte und den „bürokratischen Aufwand verringern“ würde. Das könnte zwar erst einmal die Anreizwirkung im Ausland verringern. Dem entgegen stünde ein unkompliziertes System, was klare Investitions- und Rahmenbedingungen schafft. Und wenn dann damit gezeigt würde, dass es auch in Europa mit der Transformation funktionierten, dann gäbe es eine Grundlage für Nachahmereffekte im Ausland.
Mit Material von dpa
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