CO₂ binden 05.09.2025, 12:30 Uhr

Bioöl in alte Ölquellen kippen: was steckt hinter dieser Idee?

Forschende wollen alte Ölquellen mit Bioöl füllen – und so CO₂ binden. Kann das wirklich funktionieren oder ist das eine Schnappsidee?

alte Ölquelle

Alte Ölquellen mit Bioöl füllen: Ist das cleverer Klimaschutz oder nur ein riskantes Spiel mit Abfällen im Untergrund?

Foto: Smarterpix / cta88

Stillgelegte Öl- und Gasquellen gelten oft als Risiko. Viele sind undicht, setzen Methan frei oder gefährden das Grundwasser. In den USA gibt es Hunderttausende solcher Bohrlöcher. Ein Team der Iowa State University schlägt nun vor, sie mit Bioöl zu füllen, das aus Pflanzenabfällen hergestellt wird. Ist das eine gute Idee?

Abfälle als Rohstoff

Bioöl entsteht aus Reststoffen, die sonst kaum verwendet werden: Maisstängel, Holzreste, Gräser oder sogar alte Holzplatten. Die Forschenden rund um Maschinenbauprofessor Mark Mba-Wright sehen darin eine doppelte Chance. „Auf der einen Seite haben wir diese ungenutzten Abfallprodukte. Auf der anderen Seite haben wir stillgelegte Ölquellen, die verschlossen werden müssen. Es handelt sich um eine reichlich vorhandene Ressource, die einen dringenden Bedarf deckt“, sagt er.

Aus Abfall wird ein Produkt, das Kohlenstoff dauerhaft binden kann. Denn die Pflanzen haben während ihres Wachstums Kohlendioxid aus der Luft aufgenommen. Dieser Kohlenstoff steckt im Bioöl – und würde im Boden bleiben, wenn man es tief in alte Bohrlöcher pumpt.

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So funktioniert die Technik

Die Grundlage ist die sogenannte schnelle Pyrolyse. Dabei werden getrocknete Pflanzenteile in einer sauerstofffreien Umgebung auf extreme Temperaturen erhitzt – über 500 Grad Celsius. In wenigen Sekunden zerfällt das Material.

  • Es entsteht ein dunkles, zähes Bioöl.
  • Nebenprodukte sind Biokohle, die als Dünger verkauft werden kann, und ein brennbares Gas, das direkt wieder zur Beheizung des Prozesses dient.

Das Verfahren gibt es bereits in kleinem Maßstab. Neu ist die Idee, das Bioöl gezielt als Füllstoff in Bohrlöchern einzusetzen.

Was kostet das?

Die Forschenden haben berechnet, wie viel CO₂ sich so einfangen lässt. Pro Tonne Kohlendioxid liegen die Kosten bei rund 152 US-Dollar. Damit ist die Methode vergleichbar mit anderen Techniken, wie der direkten CO₂-Abscheidung aus der Luft. Sie hat aber den Vorteil, dass die Anlagen kleiner und günstiger sind.

„Eine der Innovationen hierbei ist, dass man die Kohlenstoffabscheidung mit Geräten von der Größe eines Kompaktladers oder eines Mähdreschers durchführen kann. Man kann klein anfangen“, erklärt Mba-Wright.

Zahlen und Fakten

• Durchschnittliche Tiefe einer Ölquelle: ca. 4.200 Meter
• Zum Füllen eines Bohrlochs nötig: über 216.000 Gallonen Bioöl
• Kosten für Versiegelung mit Beton: bis zu 1 Mio. US-Dollar pro Bohrloch
• Geschätzte Zahl verlassener Bohrlöcher in den USA: 300.000 – 800.000
• Kosten für Bioöl-Sequestrierung: ca. 152 US-Dollar pro Tonne CO₂

 

Politische Dimension

Die USA haben bereits Milliarden Dollar bereitgestellt, um stillgelegte Ölquellen zu versiegeln. Doch die Zahlen zeigen: Das Geld reicht nicht, wenn tatsächlich Hunderttausende unentdeckte Schächte existieren. Bioöl könnte hier eine günstigere Alternative sein.

Ein weiterer Vorteil: Die Anlagen sind mobil. Im Mittleren Westen könnte man Maisreste direkt vor Ort verarbeiten. In den Wäldern des Westens könnten Holzabfälle genutzt werden, die ohnehin aus Brandschutzgründen entfernt werden müssen.

Unternehmen steigen ein

Das Start-up Charm Industrial finanziert Teile der Forschung. Das Unternehmen aus San Francisco hat bereits Verträge mit großen Firmen abgeschlossen, die sich CO₂-Reduktionen gutschreiben lassen wollen.

„Wir hören es immer wieder: Nach genauer Prüfung ihrer Optionen kommen führende Käufer von Kohlenstoffentfernungsgutschriften zu dem Schluss, dass die Sequestrierung von Bioölen einer der hochwertigsten und kostengünstigsten Ansätze ist“, sagt CEO Peter Reinhardt.

Charm will mit landwirtschaftlichen Betrieben und Forstwirtschaft zusammenarbeiten, um Biomasse zu nutzen, die sonst keine Verwendung findet.

Konkurrenz zur CO₂-Filterung aus der Luft?

Heute gilt die sogenannte Direct Air Capture als wichtigste technische Lösung zur Bindung von CO₂. Dabei wird Luft durch große Filteranlagen gesogen, die das Gas herausziehen. Doch die Geräte sind teuer und liefern wenig Zusatznutzen.

Das Bioöl-Modell ist einfacher: Abfall wird verwertet, Bohrlöcher werden geschlossen, CO₂ gebunden. „Was wir hier zeigen wollen, ist, dass die Entfernung von Kohlenstoff keine Entweder-oder-Entscheidung sein muss. Es gibt viele Möglichkeiten“, sagt Mba-Wright.

Neue Märkte für ländliche Regionen

Ein oft übersehener Aspekt: Die Technik könnte neue Einnahmequellen schaffen. Landwirte könnten Erntereste verkaufen, die bisher einfach liegen bleiben. Die ländliche Wirtschaft bekäme einen zusätzlichen Wertschöpfungszweig.

Reinhardt betont: „Die Experten der Iowa State University haben gezeigt, dass die Bioöl-Sequestrierung unter Verwendung von Maisstroh ein hochwertiges, langlebiges Produkt zur Kohlenstoffentfernung liefern kann, das andere Technologien übertrifft, gleichzeitig neue Märkte für Ernterückstände erschließt und der ländlichen Wirtschaft einen neuen wirtschaftlichen Wert verschafft.“

Warum überhaupt Bioöl in alte Bohrlöcher?

Dafür sprechen mehrere Gründe:

  • Versiegelungspflicht: Verlassene Öl- und Gasquellen müssen ohnehin sicher verschlossen werden. Mit Bioöl ließe sich dieser Schritt mit Klimaschutz verbinden.
  • CO₂-Bindung: Pflanzenreste speichern Kohlenstoff, den sie beim Wachsen aufgenommen haben. Wird das Bioöl tief im Boden eingelagert, bleibt dieses CO₂ langfristig gebunden.
  • Abfallnutzung: Reststoffe wie Maisstängel oder Holzabfälle finden kaum andere Verwendung. Sie würden hier sinnvoll verwertet.
  • Kostenargument: Das Verschließen mit Beton ist teuer. Bioöl könnte günstiger sein, wenn man die CO₂-Bindung gegenrechnet.

Aber es gibt auch offene Fragen:

  • Sicherheit: Niemand weiß, wie stabil die Bohrlöcher über Jahrzehnte bleiben. Es besteht das Risiko von Lecks.
  • Transport & Logistik: Bioöl ist flüssig und muss zu abgelegenen Bohrstellen gebracht werden – das könnte teuer und unpraktisch sein.
  • Alternative Nutzung: Biomasse könnte auch zur Energiegewinnung oder als Rohstoff genutzt werden. Kritiker fragen: Warum im Boden vergraben, statt sie direkt zu nutzen?

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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