Solar Orbiter entdeckt chaotisches Magnetfeld am Südpol der Sonne
Solar Orbiter liefert erstmals Bilder von den Sonnenpolen – und zeigt ein überraschend unübersichtliches Magnetfeld am Südpol. Die Forschenden stehen erst am Anfang, noch vieles über die Pole zu verstehen.

Solar Orbiter untersucht die Sonnenpole erstmals aus der Nähe und enthüllt neue Einblicke in das komplexe Magnetfeld und die Dynamik der Sonnenatmosphäre.
Foto: ESA & NASA/Solar Orbiter/EUI Team, D. Berghmans (ROB)
Bisher konnten Astronomen die Sonne nur von der Seite sehen, weil sich die Erde, die Planeten und fast alle Sonnensonden in der Ebene um den Sonnenäquator bewegen. Deshalb war lange unklar, wie die Sonnenpole aussehen, wie sie sich verändern und was dort mit Magnetfeldern und Plasmaströmen passiert.
So wurden alle Bilder der Sonne, die wir kennen, aus der Nähe ihres Äquators aufgenommen. Das liegt daran, dass sich Erde, Planeten und Raumsonden in einer flachen Bahn um die Sonne bewegen – der Ekliptikebene. Solar Orbiter ist nun die erste Sonde, die ihre Bahn gekippt hat und die Sonne dadurch aus einem neuen, schrägen Blickwinkel zeigen kann.
Dank ihrer neuen geneigten Bahn um die Sonne ist die Raumsonde Solar Orbiter die erste, die die Pole der Sonne von oben und unten fotografieren kann. Dieser besondere Blickwinkel hilft nun den Forschenden, das Magnetfeld der Sonne, ihren Aktivitätszyklus und das Weltraumwetter besser zu verstehen.
Eine neue Ära der Sonnenforschung
„Heute zeigen wir der Menschheit zum ersten Mal überhaupt Bilder vom Sonnenpol“, wird Prof. Carole Mundell, ESA-Direktorin für Wissenschaft von der ESA zitiert. „Die Sonne ist unser nächster Stern – sie spendet Leben, kann aber auch moderne Technik im All und auf der Erde stören. Deshalb ist es entscheidend, dass wir verstehen, wie sie funktioniert, und lernen, ihr Verhalten vorherzusagen. Diese einzigartigen Aufnahmen unserer Solar Orbiter-Mission markieren den Beginn einer neuen Ära der Sonnenforschung.“

Das SPICE-Instrument an Bord der von der ESA geleiteten Raumsonde Solar Orbiter erhielt im März 2025 seinen ersten detaillierten Blick auf den Südpol der Sonne. Hier vergleichen wir zwei Ansichten des Sonnen-Südpols, basierend auf Messungen des von geladenen Kohlenstoffionen bei etwa 32.000 °C ausgesandten Lichts. Diese Ionen befinden sich in der Übergangsregion, einer dünnen Schicht um die Sonne, in der die Temperatur schnell von etwa 10.000 °C auf mehrere Hunderttausend Grad ansteigt.
Foto: ESA & NASA/Solar Orbiter/SPICE Team, M. Janvier (ESA) & J. Plowman (SwRI)
Instrumente von Solar Orbiter
Die Bilder wurden mit drei wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Solar Orbiter aufgenommen: dem PHI (Polarimetric and Helioseismic Imager), dem EUI (Extreme Ultraviolet Imager) und dem SPICE-Instrument (zur Spektralbildgebung der Sonnenkorona).
PHI zeigt die Sonne im sichtbaren Licht und misst das Magnetfeld auf ihrer Oberfläche.
EUI beobachtet sie im ultravioletten Licht und zeigt das heiße, geladene Gas in der äußeren Sonnenatmosphäre, der Korona.
SPICE misst Licht aus verschiedenen Temperaturbereichen des Gases über der Sonnenoberfläche und macht so verschiedene Schichten der Sonnenatmosphäre sichtbar.
Prof. Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, der das PHI-Team leitet, erklärte, man habe nicht genau gewusst, was bei den ersten Beobachtungen zu erwarten sei – die Sonnenpole seien bislang weitgehend unerforscht gewesen.
Forschende können nun die Bilder der drei Instrumente vergleichen und untersuchen, um herauszufinden, wie sich Materie in den äußeren Schichten der Sonne bewegt.
Solar Orbiter misst widersprüchliche Magnetfelder
Diese neuen Beobachtungen helfen auch zu verstehen, wie das Magnetfeld der Sonne funktioniert und warum es sich etwa alle elf Jahre umkehrt. Dabei wird die Sonnenaktivität besonders stark. Bisher können die Wissenschaftler aber noch nicht genau vorhersagen, wann und wie stark diese aktive Phase der Sonne sein wird.
Eine wichtige Entdeckung von Solar Orbiter ist, dass das Magnetfeld am Südpol der Sonne gerade sehr durcheinander ist. Normalerweise hat ein Magnet einen klaren Nord- und Südpol. Aber die Messungen zeigen, dass am Südpol der Sonne gerade beide Polaritäten gleichzeitig vorhanden sind.
Das passiert nur kurz während des Höhepunkts im Sonnenzyklus, wenn sich das Magnetfeld umdreht und die Sonne besonders aktiv ist. Danach sollte sich an den Polen langsam ein einheitliches Magnetfeld bilden. In etwa fünf bis sechs Jahren erreicht die Sonne ihr nächstes ruhiges Minimum, wenn das Magnetfeld wieder geordnet ist und die Aktivität niedrig.
Wie genau das Magnetfeld sich wieder aufbaut, wissen die Forschenden noch nicht. Solar Orbiter ist jetzt unterwegs, um diesen Prozess aus einer besonderen Sicht zu beobachten.
Wie die ESA berichtet, zeigt PHI das gesamte Magnetfeld der Sonne. Je dunkler die Farbe (rot oder blau), desto stärker ist das Magnetfeld entlang der Sichtlinie von Solar Orbiter zur Sonne.
Die stärksten Magnetfelder gibt es in zwei breiten Bereichen rechts und links vom Sonnenäquator. Die dunklen roten und blauen Stellen sind aktive Regionen, in denen sich das Magnetfeld in Sonnenflecken auf der Oberfläche sammelt.
Am Nord- und Südpol der Sonne sind viele kleine rote und blaue Flecken zu sehen. Das bedeutet, dass das Magnetfeld an den Polen sehr kompliziert ist und sich ständig verändert.

Diese Collage zeigt die Sicht von Solar Orbiter auf den Südpol der Sonne am 16. und 17. März 2025 aus einem Blickwinkel von etwa 15° unterhalb des Sonnenäquators.
Foto: ESA & NASA/Solar Orbiter/PHI, EUI and SPICE Teams
So verfolgt SPICE den Sonnenwind in Bewegung
Das SPICE-Instrument misst das Licht, das von bestimmten chemischen Elementen in der Sonne ausgesendet wird, zum Beispiel Wasserstoff, Kohlenstoff oder Sauerstoff. So kann es zeigen, was in verschiedenen Schichten über der Sonnenoberfläche passiert.
Zum ersten Mal ist es dem SPICE-Team jetzt gelungen, mit dieser Technik auch die Geschwindigkeit von Sonnenmaterial zu messen. Dabei nutzen sie einen Effekt, der ähnlich funktioniert wie der veränderte Ton einer Sirene, wenn ein Fahrzeug vorbeifährt – das nennt man Doppler-Effekt.
Mit diesen Messungen können die Forschenden genau sehen, wie sich das Sonnenmaterial in einer bestimmten Schicht der Sonne bewegt.
Wichtig ist, dass Doppler-Messungen zeigen können, wie Teilchen als Sonnenwind von der Sonne weggeschleudert werden. Zu verstehen, wie die Sonne diesen Sonnenwind macht, ist eines der Hauptziele von Solar Orbiter.
Frédéric Auchère, Leiter des SPICE-Teams von der Universität Paris-Saclay (Frankreich), erklärt, dass frühere Missionen den Sonnenwind nur seitlich an den Sonnenpolen beobachten konnten. Dadurch waren die Messungen schwierig. Jetzt kann Solar Orbiter aus einer besseren Position messen.
Mehr Neigung, mehr Details
Daniel Müller, Projektwissenschaftler von Solar Orbiter bei der ESA, sagt, dass dies erst der Anfang sei. In den kommenden Jahren wird die Raumsonde ihre Umlaufbahn weiter aus der Ekliptikebene heraus neigen, um die Sonnenpole noch genauer beobachten zu können.
Solar Orbiter ist die bisher komplexeste Raumsonde, die unsere Sonne untersucht. Im Februar 2025 neigte Solar Orbiter seine Umlaufbahn um 17° zum Sonnenäquator – viel mehr als Planeten und andere Raumsonden, die meist nur bis zu 7° geneigt sind. Nur die Mission Ulysses flog früher über die Pole, hatte aber keine Kameras an Bord.
Bis Dezember 2026 bleibt die Bahn bei 17°, dann wird sie durch einen Flug an der Venus auf 24° geneigt. Ab Juni 2029 beträgt die Neigung 33°.
Ein Beitrag von: