Neue Signale 08.11.2025, 17:32 Uhr

Heißer als gedacht: Saturnmond Enceladus könnte Leben ermöglichen

Cassini-Daten zeigen: Enceladus verliert an beiden Polen Wärme – und könnte unter seiner Eiskruste Bedingungen für Leben bieten.

Eisige Schönheit mit heißem Inneren – Enceladus spiegelt das Sonnenlicht, während unter der Oberfläche ein Ozean brodelt, der vielleicht Leben beherbergt

Eisige Schönheit mit heißem Inneren – Enceladus spiegelt das Sonnenlicht, während unter der Oberfläche ein Ozean brodelt, der vielleicht Leben beherbergt.

Foto: picture alliance / Cover Images | NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute/Cover Images

Neue Auswertungen der Cassini-Mission zeigen: Enceladus verliert sowohl am Süd- als auch am Nordpol Wärme. Der Energiefluss im Inneren ist stabil – genug, um den unterirdischen Ozean dauerhaft flüssig zu halten. Das Gleichgewicht zwischen Wärmeproduktion und Abstrahlung deutet darauf hin, dass dieser kleine Saturnmond die Voraussetzungen für Leben erfüllen könnte.

Globaler Ozean unter der Kruste

Enceladus gehört zu den faszinierendsten Himmelskörpern im Sonnensystem. Der nur rund 500 Kilometer große Saturnmond hat eine eiskalte Oberfläche – und darunter offenbar eine äußerst lebendige Welt. Seit der NASA-Orbiter Cassini zwischen 2004 und 2017 immer wieder an ihm vorbeiflog, wissen Forschende, dass sich unter der Kruste ein globaler Ozean verbirgt. Nun zeigen neue Daten: Enceladus verliert an beiden Polen Wärme.

Das klingt zunächst unspektakulär, ist aber ein wichtiger Hinweis auf Stabilität – und damit auf mögliche Lebensbedingungen. Die neue Studie, veröffentlicht am 7. November in Science Advances, stammt von einem Team um die Universität Oxford, das Southwest Research Institute (SwRI) und das Planetary Science Institute in Tucson, Arizona.

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„Enceladus ist ein wichtiges Ziel bei der Suche nach Leben außerhalb der Erde, und das Verständnis der langfristigen Verfügbarkeit seiner Energie ist entscheidend, um festzustellen, ob er Leben unterstützen kann“, sagt Dr. Georgina Miles, Hauptautorin der Studie.

Unerwartete Wärme am Nordpol

Bisher konzentrierten sich die Beobachtungen auf den Südpol von Enceladus. Dort schießen aus mehreren kilometerlangen Spalten – den sogenannten „Tigerstreifen“ – Fontänen aus Eispartikeln und Wasserdampf ins All. Der Nordpol dagegen galt lange als still und geologisch inaktiv.

Doch die neuen Messungen zeigen: Auch dort tritt Wärme aus. Das Team verglich Infrarotdaten aus der Polarnacht 2005 mit jenen aus dem Sommer 2015. Mit dem Composite InfraRed Spectrometer (CIRS) an Bord von Cassini konnten sie Temperaturunterschiede feststellen, die sich nicht durch Sonnenlicht erklären lassen.

Die Oberfläche des Nordpols war rund 7 Kelvin wärmer als theoretisch erwartet. Diese Abweichung lässt sich nur durch Wärme erklären, die aus dem Inneren nach außen strömt. Der gemessene Wärmefluss beträgt etwa 46 ± 4 Milliwatt pro Quadratmeter – das klingt wenig, entspricht aber in Summe rund 35 Gigawatt. Zum Vergleich: Das ist ähnlich viel Leistung, wie über 10.000 Windkraftanlagen oder mehr als 60 Millionen Solarzellen erzeugen könnten.

Ein Gleichgewicht aus Wärme und Kälte

Wie bleibt dieser kleine Eismond so aktiv? Verantwortlich ist die Gezeitenerwärmung. Die Schwerkraft des Saturns zerrt an Enceladus, dehnt und staucht ihn während seiner Umlaufbahn. Diese Bewegung erzeugt Reibung im Inneren, die wiederum Wärme freisetzt – ähnlich wie das Kneten eines Gummiballs.

Wenn der Mond zu viel Energie verliert, würde sein unterirdischer Ozean mit der Zeit einfrieren. Gewinnt er zu viel Energie, könnte die Aktivität im Inneren überhandnehmen. Doch laut der neuen Studie scheint genau das richtige Maß gefunden zu sein.

„Es ist wirklich spannend, dass dieses neue Ergebnis die langfristige Nachhaltigkeit von Enceladus bestätigt – eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung von Leben“, sagt Dr. Carly Howett von der Universität Oxford, die an der Arbeit beteiligt war.

Insgesamt strahlt Enceladus laut Modellrechnungen rund 54 GW Wärmeenergie ab – die Summe aus Nord- und Südpol. Das deckt sich erstaunlich gut mit den Werten, die durch Gezeitenkräfte im Inneren entstehen. Das System scheint also im Gleichgewicht zu sein.

Enceladus heat transfer

Eine neue Studie hat den globalen Wärmeleitfluss von Enceladus durch die Untersuchung seiner saisonalen Temperaturschwankungen am Nordpol (gelb) eingegrenzt. In Kombination mit den bereits vorliegenden Ergebnissen zur hochaktiven Südpolregion (rot) liefern diese Ergebnisse die erste Beobachtungsbeschränkung für den Energieverlust von Enceladus (<54 GW) – was mit der vorhergesagten Energiezufuhr (50 bis 55 GW) durch Gezeitenerwärmung übereinstimmt. Dies bedeutet, dass die derzeitige Aktivität des Enceladus langfristig nachhaltig ist – eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Leben, dessen Existenz in seinem globalen unterirdischen Ozean für möglich gehalten wird.

Foto: University of Oxford/NASA/JPL-CalTech/Space Science Institute (PIA19656 und PIA11141)

Ein Ozean unter Eis

Unter der Oberfläche befindet sich ein globaler Ozean, der vermutlich salzig ist und gelöste Mineralien enthält. Seine Existenz wurde bereits 2014 durch Gravitationsmessungen und Magnetfeldanalysen bestätigt. Dass dieser Ozean über Milliarden Jahre flüssig bleibt, ist nur möglich, wenn der Wärmehaushalt stabil ist – und genau darauf deuten die neuen Daten hin.

Forschende konnten außerdem aus den Temperaturmustern Rückschlüsse auf die Dicke der Eiskruste ziehen. Am Nordpol beträgt sie demnach 20 bis 23 km, im globalen Mittel 25 bis 28 km. Frühere Modelle hatten sie etwas dünner geschätzt. Diese Information ist bedeutsam für künftige Missionen – sie zeigt, wo sich mögliche Landestellen befinden, um den Ozean mit Sonden oder Bohrsystemen zu erreichen.

Dr. Miles erläutert: „Es war eine Herausforderung, die subtilen Oberflächentemperaturschwankungen herauszufiltern, die durch den Wärmestrom von Enceladus verursacht werden – und das war nur dank der langen Cassini-Mission möglich.“

Alte Daten, neue Erkenntnisse

Dass Cassini noch Jahre nach ihrem kontrollierten Absturz 2017 neue Erkenntnisse liefert, liegt an der gewaltigen Datenmenge. Das Team hat über zehn Jahre Messungen auswerten können – von thermischen Infrarotwerten bis hin zu Partikelanalysen der Eisfontänen.

Diese Fontänen enthalten Wasser, Salze und komplexe organische Moleküle. Manche sind Bausteine des Lebens, wie sie auch auf der Erde vorkommen. In Kombination mit Wärme und flüssigem Wasser ergibt das eine chemische Umgebung, in der sich Mikroorganismen entwickeln könnten – zumindest theoretisch.

„Unsere Studie unterstreicht die Notwendigkeit langfristiger Missionen zu Ozeanwelten, die möglicherweise Leben beherbergen“, sagt Miles. „Die Daten zeigen, dass manche Geheimnisse erst Jahrzehnte nach ihrer Erfassung alle ihre Geheimnisse preisgeben.“

Leben im Eis?

Niemand weiß, ob es im Ozean unter der Eiskruste tatsächlich Leben gibt. Noch fehlt jeder direkte Nachweis. Doch Enceladus erfüllt viele der Voraussetzungen: flüssiges Wasser, chemische Energiequellen und die richtigen Elemente – darunter Phosphor, Kohlenstoff und Stickstoff.

Die entscheidende Frage ist, wie alt der Ozean ist. Wenn er schon seit Milliarden Jahren besteht, hätte Leben genug Zeit gehabt, sich zu entwickeln. Sollte er jedoch erst vor Kurzem entstanden sein, stünden die Chancen schlechter.

„Um zu wissen, ob Enceladus Leben ermöglichen kann, ist es entscheidend zu verstehen, wie viel Wärme der Mond insgesamt verliert“, so Miles. Das Gleichgewicht zwischen Wärmeproduktion und Abstrahlung ist also der Schlüssel zur Frage nach Leben jenseits der Erde.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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