Pulsare lügen nicht: Neue Hinweise auf Gravitationswellen im All
Pulsare enthüllen ein kosmisches Flüstern: Neue Beobachtungen liefern Beweise für Gravitationswellen im Universum.
Im Herzen des Krebsnebels rotiert ein Pulsar – der Überrest einer Supernova – mit unglaublicher Geschwindigkeit. Der winzige weiße Punkt nahe der Mitte treibt gewaltige Magnetfelder und energiereiche Teilchenströme an, die in dieser Aufnahme des Nasa-Röntgenteleskops Chandra als leuchtende Strukturen sichtbar werden. Solche Pulsare könnten flüsternde Gravitationswellen entlarven.
Foto: Nasa / Chandra
Stellen Sie sich einen Himmel vor, der voller Uhren hängt. Jede Uhr ist ein Pulsar: ein extrem dichter Neutronenstern, der wie ein Leuchtturm Radiopulse aussendet. Diese Pulse kommen mit großer Regelmäßigkeit bei unseren Radioteleskopen an. Genau das macht Pulsare so wertvoll. Sie dienen als Messgeräte, mit denen sich winzige Störungen im Gewebe der Raumzeit aufspüren lassen.
2023 meldeten internationale Pulsar-Timing-Array-Teams Auffälligkeiten im Nanohertz-Bereich. Das sind Wellen mit Perioden von einigen Jahren bis Jahrzehnte, Wellenlängen von mehreren Lichtjahren. Die Muster deuten auf Gravitationswellen hin, die sich wie eine sanfte Dünung durch die Milchstraße ziehen. Doch was steckt dahinter: ein diffuser Hintergrund vieler Quellen – oder wenige, besonders kräftige Sender in unserer kosmischen Nachbarschaft?
Inhaltsverzeichnis
„Starke Hinweise“ – aber noch keine Bestätigung
„Im Jahr 2023 gaben mehrere Pulsar-Timing-Array-Kooperationen – NANOGrav in den USA und europäische Teams – starke Hinweise auf Nanohertz-Gravitationswellen bekannt“, bemerkt Hideki Asada, theoretischer Physiker und Professor an der Hirosaki-Universität in Japan. Nanohertz-Wellen können wir nur über weit entfernte, sehr stabile Pulsare untersuchen. Die Signale sind schwach, die Auswertung langwierig. Und die Statistik?
„Das Signal war statistisch zuverlässig, lag jedoch unterhalb der 5-Sigma-Schwelle, die Teilchenphysiker normalerweise verlangen“, fährt Asada fort. „Es handelt sich um ‚starke Hinweise‘, aber noch nicht um eine bestätigte Entdeckung. Die Kosmologie- und Astrophysik-Gemeinschaft glaubt jedoch, dass wir uns der ersten Entdeckung von Nanohertz-Gravitationswellen nähern.“
Damit ist klar: Die Tür steht einen Spalt offen. Bestätigen künftige Daten den Befund, folgt sofort die nächste, spannendere Frage: Woher kommen die Wellen?
Zwei Wege, die die Raumzeit kräuseln
Für Nanohertz-Gravitationswellen gibt es zwei große Szenarien. „Es gibt zwei Hauptkandidaten für Nanohertz-Gravitationswellen“, erklärt Asada. „Der eine ist die kosmische Inflation, die in den Anfängen des Universums Raum-Zeit-Fluktuationen erzeugt hätte, die sich später auf kosmische Maßstäbe ausgedehnt hätten. Die andere sind supermassive Schwarze-Loch-Doppelsterne, die entstehen, wenn Galaxien verschmelzen. Beide Szenarien könnten grundsätzlich Nanohertz-Gravitationswellen erzeugen.“
Wahrscheinlich dominiert jedoch der Beitrag aus Schwarzen-Loch-Doppelsternen, die durch ihre enormen Massen und langsamen Umläufe genau in diesem Frequenzbereich abstrahlen.
Klingt nach klarer Sache, ist es aber nicht. Denn lange Zeit schien es, als würden die charakteristischen Muster in den Pulsardaten – also die Korrelationen der Zeitabweichungen am Himmel – in beiden Fällen ähnlich aussehen. Der Himmel rauscht, aber verrät uns nicht sofort, ob viele leise Stimmen sprechen oder wenige laute. Die charakteristische Winkelabhängigkeit dieser Korrelationen, die sogenannte Hellings-Downs-Kurve, gilt zwar als Signatur von Gravitationswellen – sie unterscheidet jedoch nicht zwischen den möglichen Ursprüngen.
Die Idee: dem Kosmos beim „Schweben“ zuhören
Genau hier setzen Hideki Asada und Shun Yamamoto an. Beide arbeiten an der Hirosaki-Universität und haben im Journal of Cosmology and Astroparticle Physics (JCAP) eine Methode vorgeschlagen, die ein bekanntes Phänomen aus der Akustik ins All überträgt: Schwebungen.
Wenn zwei Töne fast dieselbe Frequenz haben, überlagern sie sich so, dass die Lautstärke langsam an- und abschwillt. Dieses Auf und Ab nennen wir Schwebung. Übertragen auf Gravitationswellen heißt das: Senden zwei nahegelegene Doppelsterne aus supermassiven Schwarzen Löchern Wellen mit beinahe gleicher Frequenz, entsteht eine charakteristische Modulation. Sie wirkt wie ein Beat in den Daten – eine periodische Verstärkung und Abschwächung, die sich über Monate oder Jahre zieht.
„In unserer Arbeit haben wir die Situation untersucht, in der ein nahe gelegenes Paar supermassiver Schwarzer Löcher ein besonders starkes Signal erzeugt“, sagt Asada. „Wenn zwei solche Systeme sehr ähnliche Frequenzen haben, können ihre Wellen interferieren und ein Schwebungsmuster erzeugen, wie in der Akustik. Dieses Merkmal könnte es uns grundsätzlich ermöglichen, sie vom stochastischen Hintergrund der Inflation zu unterscheiden.“
Was die Radiouhren verraten könnten
Die praktische Umsetzung läuft über die Ankunftszeiten der Radiopulse. Radioteleskope messen, wann ein Puls eintrifft. Gravitationswellen dehnen und stauchen auf dem Weg die Raumzeit. Dadurch kommen manche Pulse einen Hauch früher oder später. Ein einzelner Pulsar verrät wenig; ein Verbund aus vielen Pulsaren am ganzen Himmel liefert das Muster.
Asada und Yamamoto schlagen vor, in diesen Korrelationsmustern gezielt nach der Schwebung zu fahnden. Findet sich eine wiederkehrende Modulation, spricht viel für wenige, konkrete Quellen – also Doppelsterne. Bleibt nur ein gleichmäßiges „Rauschen“, passt das eher zum stochastischen Hintergrund, wie er von der sehr frühen Universumsphase erwartet wird.
Die Methode wirkt auf den ersten Blick simpel. Tatsächlich steckt der Aufwand im Detail: Man braucht lange Beobachtungsserien, viel Datenpflege und robuste Statistik. Außerdem müssen Effekte herausgerechnet werden, die Pulsare und Instrumente selbst erzeugen können. Erst dann darf die Schwebung, die wir sehen, wirklich den Kosmos beschreiben und nicht das Teleskop.
Ein Beitrag von: