Jupiters Kern: Neue Studie widerlegt Einschlag-Theorie
Neue Studie zeigt: Jupiters Kern entstand nicht durch Einschlag, sondern durch langsames Wachstum und Vermischung.
Der Gasriese Jupiter im Blick: Neue Simulationen zeigen, dass sein Kern nicht durch einen gigantischen Einschlag, sondern durch langsames Wachstum entstand.
Foto: Durham University
Jupiter ist der Riese unter den Planeten unseres Sonnensystems. Er besteht zu großen Teilen aus Wasserstoff und Helium. Doch im Inneren verbirgt sich ein Rätsel, das Forschende seit Jahren beschäftigt: sein sogenannter verdünnter Kern.
Anders als bei der Erde oder dem Mars gibt es im Zentrum keine scharfe Grenze zwischen festem Material und gasförmiger Hülle. Stattdessen geht der Bereich allmählich in die umgebenden Schichten über. Das wirft Fragen auf: Wie ist eine solche Struktur entstanden?
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Frühere Annahmen: ein gigantischer Einschlag
Lange hielt sich die Theorie, ein junger Planet habe den Jupiter in seiner Entstehungsphase gerammt. Dieser Einschlag sollte den Kern durchmischt und in die heute sichtbare Form gebracht haben. Solche Kollisionen sind in den frühen Tagen des Sonnensystems durchaus denkbar. Schließlich prallten ständig Himmelskörper aufeinander.
Doch neue Ergebnisse stellen diese Vorstellung infrage. Ein Forschungsteam der Durham University hat mit Unterstützung von NASA, SETI und der Universität Oslo Computersimulationen durchgeführt, die eine andere Erklärung nahelegen.
Supercomputer statt Teleskop
Für ihre Arbeit nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Supercomputer DiRAC COSMA in Durham. Er zählt zu den leistungsfähigsten Rechnern Europas. Mit der Open-Source-Software SWIFT simulierten sie Kollisionen zwischen Planeten und analysierten, wie sich Gesteins- und Eismaterial im Inneren verteilt.
Das Ergebnis überraschte: Selbst unter extremen Bedingungen zeigte keine Simulation die Bildung eines stabilen, verdünnten Kerns. Stattdessen setzten sich die schweren Materialien schnell wieder ab. Sie bildeten eine klare Grenze zum leichten Wasserstoff und Helium – genau das, was man im heutigen Jupiter eben nicht sieht.
„Der Planet wird bis in seinen Kern erschüttert“
Der Hauptautor der Studie, Dr. Thomas Sandnes von der Durham University, beschreibt die Erkenntnisse so:
„Es ist faszinierend zu untersuchen, wie ein riesiger Planet wie Jupiter auf eines der gewaltigsten Ereignisse reagieren würde, die ein wachsender Planet erleben kann. Wir sehen in unseren Simulationen, dass ein solcher Einschlag den Planeten buchstäblich bis in seinen Kern erschüttert – nur nicht in einer Weise, die das Innere des Jupiter, wie wir es heute sehen, erklären könnte.“
Das bedeutet: Ein einzelner, dramatischer Aufprall reicht nicht, um den verdünnten Kern zu erklären.
Neue Hypothese: Wachstum statt Katastrophe
Die Forschenden schlagen daher eine andere Erklärung vor. Jupiter könnte seine Struktur durch langsames Wachstum entwickelt haben. Während der Planet immer mehr Material aufsammelte, sammelte er sowohl schwere wie auch leichte Bestandteile ein. Diese vermischten sich im Laufe der Zeit. So entstand ein Kern, der nicht klar abgegrenzt ist, sondern nach außen hin ausläuft.
Damit verändert sich die Sicht auf die Geschichte des Gasriesen. Nicht ein Unfall, sondern ein langer Prozess prägte sein Inneres.
Ähnlichkeiten mit dem Saturn
Jupiter ist nicht allein. Auch beim Saturn gibt es Hinweise auf einen verdünnten Kern. Dr. Luis Teodoro von der Universität Oslo erklärt:
„Die Tatsache, dass auch Saturn einen verdünnten Kern hat, stärkt die Annahme, dass diese Strukturen nicht das Ergebnis seltener, extrem energiereicher Einschläge sind, sondern sich während des langen Prozesses des Planetenwachstums und der Planetenentwicklung allmählich gebildet haben.“
Damit stehen zwei Gasriesen unseres Sonnensystems im Mittelpunkt – und beide weisen Merkmale auf, die sich durch die langsame Entstehung besser erklären lassen als durch Zufallstreffer.
Blick zu den fernen Sternen
Die Ergebnisse haben Folgen über unser Sonnensystem hinaus. Astronominnen und Astronomen beobachten inzwischen zahlreiche Exoplaneten in der Größe von Jupiter oder Saturn. Wenn verdünnte Kerne nicht auf seltene Katastrophen zurückgehen, könnten viele dieser Planeten ähnliche innere Strukturen besitzen.
Das erleichtert die Interpretation der Messdaten. Denn je besser man versteht, wie Planeten wachsen und sich entwickeln, desto klarer wird das Bild von den unzähligen Welten in unserer Milchstraße.
„Einschläge erklären nicht alles“
Mitautor Dr. Jacob Kegerreis bringt es auf den Punkt: „Riesige Einschläge sind ein wichtiger Teil der Geschichte vieler Planeten, aber sie können nicht alles erklären! Dieses Projekt hat auch einen weiteren Schritt in unserer Entwicklung neuer Methoden zur immer detaillierteren Simulation dieser katastrophalen Ereignisse beschleunigt und hilft uns dabei, weiter einzugrenzen, wie die erstaunliche Vielfalt der Welten, die wir im Sonnensystem und darüber hinaus sehen, entstanden ist.“
Was bleibt vom Rätsel?
Ganz gelöst ist das Rätsel um den Kern des Jupiters nicht. Doch die neue Studie zeigt: Es lohnt sich, über einfache Erklärungen hinauszublicken. Wahrscheinlich ist der verdünnte Kern das Ergebnis einer langen Geschichte. Einer Geschichte, in der Wachstum und langsame Vermischung mehr Gewicht haben als seltene Unfälle.
Die NASA-Sonde Juno liefert weiterhin Daten über den Gasriesen. Mit jeder neuen Messung lassen sich Theorien überprüfen. Ob wir eines Tages die vollständige Antwort finden, ist offen. Doch klar ist: Der Kern des Jupiters ist weniger das Produkt eines einmaligen Einschlags, sondern das Ergebnis einer Entwicklung, die Milliarden Jahre dauerte.
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