Gravitationswellen: Forscher knacken den letzten blinden Fleck
Mit neuen Resonator-Detektoren wollen Forschende den blinden Fleck der Gravitationswellen schließen – und kosmische Geheimnisse lüften.
Die Lücke in der Gravitationswellen-Forschung schrumpft: Resonator-Detektoren liefern Einblicke in Schwarze Löcher und kosmische Anfänge.
Foto: Smarterpix / crystaleyemedia
Als Albert Einstein 1916 Gravitationswellen vorhersagte, ahnte er wohl kaum, wie lange die Menschheit auf den Beweis würde warten müssen. Erst 2015 gelang es mit den gigantischen Interferometern LIGO und Virgo, die winzigen Kräuselungen der Raumzeit tatsächlich zu messen. Seitdem schreiben Schwarze Löcher und Neutronensterne Schlagzeilen – zumindest, wenn sie miteinander verschmelzen.
Doch ein Stück vom kosmischen Konzert blieb bislang stumm. Die heutigen Detektoren hören nur im Bereich von etwa 10 bis 1000 Hertz zu. Pulsar-Timing-Arrays wiederum lauschen bei ultratiefen Nanohertz. Dazwischen gähnt ein Loch: das Millihertz-Band. Und genau da spielt die richtig spannende Musik – etwa Doppelsterne aus Weißen Zwergen, die umeinander tanzen, oder die wuchtige Begegnung massereicher Schwarzer Löcher.
Inhaltsverzeichnis
Tischgeräte statt Megabauten
Genau hier setzt ein Team der Universitäten Birmingham und Sussex an. Statt kilometerlanger Laserarme wollen die Forschenden kompakte optische Resonatoren nutzen – Bauteile, die eigentlich aus der Welt der Atomuhren stammen. Sie sind extrem empfindlich, wenn es darum geht, winzige Verschiebungen im Laserlicht zu registrieren.
„Mit Technologien, die wir aus der Entwicklung optischer Atomuhren kennen, können wir Gravitationswellen in einem völlig neuen Frequenzbereich aufspüren – und das mit Geräten, die auf einen Labortisch passen“, sagt Dr. Vera Guarrera von der Uni Birmingham.
Der Clou: Diese Mini-Detektoren sind deutlich unempfindlicher gegenüber Störquellen, die großen Bodenanlagen das Leben schwer machen – etwa seismische Bewegungen oder sogar die Schwerkraftschwankungen der Erde.
Warum das Millihertz-Band so wichtig ist
In diesem Bereich verstecken sich Signale, die uns bislang entgangen sind. Licht kann von Staub- und Gaswolken verschluckt werden – Gravitationswellen marschieren dagegen unbeeindruckt hindurch. So könnten Forschende kosmische Kapitel aufschlagen, die bisher verschlossen blieben.
„Mit diesem Detektor können wir Modelle von Doppelsternsystemen testen, Verschmelzungen massereicher Schwarzer Löcher untersuchen und vielleicht sogar Spuren aus den ersten Augenblicken des Universums finden“, erklärt Prof. Xavier Calmet von der University of Sussex.
Warum Gravitationswellen für die Astronomie so wichtig sind
Gravitationswellen sind winzige Verzerrungen der Raumzeit, die entstehen, wenn massereiche Objekte beschleunigt werden – etwa beim Tanz von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen. Sie liefern Informationen, die Licht nicht transportieren kann.
Konkurrenz im All – und Hilfe vom Boden
Natürlich gibt es schon große Pläne für dieses Frequenzfenster: Mit LISA (Laser Interferometer Space Antenna) will die ESA in den 2030er-Jahren ein gigantisches Dreieck aus Satelliten ins All schicken. Dessen Empfindlichkeit wird kaum zu übertreffen sein – nur müssen wir eben noch Jahre auf Ergebnisse warten.
Die Resonator-Detektoren hingegen könnten sofort gebaut werden: klein, vergleichsweise günstig und sofort einsatzbereit. Sie werden LISA nicht ersetzen, aber sie könnten schon vorab wichtige Hinweise liefern – und die Wartezeit überbrücken.
Vom Einzelkämpfer zum globalen Netzwerk
Ein einzelnes Gerät besteht aus zwei optischen Resonatoren, die im rechten Winkel zueinander angeordnet sind, plus einer hochstabilen Frequenzreferenz. Damit lässt sich messen, ob Raum und Zeit minimal verzerrt werden – und zwar aus verschiedenen Richtungen zugleich.
Langfristig denken die Forschenden an ein weltweites Netzwerk solcher kompakten Detektoren. Ähnlich wie Radioteleskope heute gemeinsam den Himmel abtasten, könnten sie Gravitationswellen aus dem Millihertz-Bereich gemeinsam jagen.
„Das eröffnet die Möglichkeit, Signale zu finden, die sonst noch ein Jahrzehnt lang unentdeckt blieben“, sagt Guarrera.
Viele Ideen, ein Ziel
Resonatoren sind nicht die einzige Option. Pulsar-Timing-Arrays haben sich für ultratiefe Frequenzen bewährt, Atominterferometer könnten irgendwann sehr hohe Frequenzen erschließen. Zusammen ergibt das ein Gesamtbild – von den langsamsten Schwingungen bis zu den schnellsten Vibrationen der Raumzeit.
Noch ist unklar, wann die ersten Ergebnisse der neuen Resonator-Detektoren vorliegen. Aber die Richtung ist klar: Der blinde Fleck wird kleiner. Und die Gravitationswellenastronomie kommt ihrem Ziel näher, das Universum wirklich in allen Tonlagen zu hören – vom tiefsten Brummen bis zum höchsten Pfeifen.
Ein Beitrag von: