Auf zum Mars! Escapade zum roten Planeten
Die USA stehen kurz vor ihrem nächsten Start zum Mars. Mit dem zweiten Flug von Jeff Bezos‘ Rakete New Glenn will die Nasa eine Doppelsonde auf die Reise schicken.
Die beiden Escapade-Sonden im Reinraum.
Foto: Rocket Lab
Als eine „eigenwillige Handlung, einen mutwilligen Streich oder einen Seitensprung“, kurz als ein „Abenteuer“, definiert das Lexikon eine „Eskapade“. Ein solches Abenteuer hat die neueste US-Raumsonde gleichen Namens mit Sicherheit vor sich. Bei ihr steht Escapade für Escape and Plasma Acceleration and Dynamics Explorer. Es handelt sich also um zwei identische Sonden, die das Magnetfeld des Mars untersuchen sollen – und zwar vor Ort, in einem Orbit um den Mars.
„Beide Sonden werden sich nach dem Start von der Trägerrakete trennen“, hofft Robert Lillis, der stellvertretende Direktor für Planetenwissenschaften am Labor für Weltraumforschung der University of California, Berkeley. Er ist auch Chefwissenschaftler von Escapade. „Blue“ und „Gold“ – so heißen die Sonden – sollen in einem Abstand von zwei Tagen am Mars eintreffen. „Danach wollen wir ihre Umlaufbahnen allmählich angleichen, sodass sie den Mars fortan in gleicher Höhe umkreisen, aufgereiht wie Perlen auf einer Kette“, erklärt Lillis.
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Warum ist der Mars nicht mehr lebensfreundlich?
Zur Untersuchung des Mars-Magnetfelds ist es entscheidend, zwei Sonden auf einer Umlaufbahn zu besitzen, die zur selben Zeit unterschiedliche Stellen beobachten – zum Beispiel auf der Oberfläche und gleichzeitig in der Atmosphäre des roten Planeten. „Die Schwierigkeit mit nur einer Sonde im Orbit besteht darin, dass Sie bei einer Änderung der Messdaten nie wissen, ob sie auf eine globale Veränderung zurückgeht oder ob die Sonde schlicht in ein anderes Gebiet geflogen ist, in dem andere Bedingungen herrschen“, erklärt Robert Lillis. „Bei zwei Sonden kann ‚Blue‘ die Stärke des Sonnenwindes messen und ‚Gold‘ gleichzeitig verfolgen, wie die obere Atmosphäre des Mars auf solche Veränderungen des Weltraumwetters reagiert.“
Hinter all dem steht die Frage, warum der einst lebensfreundliche Mars sein Magnetfeld und damit auch einen Großteil seiner Atmosphäre und seines Wassers verlor und zu dem wurde, was er heute ist: eine Wüste. Sein Labor für Weltraumforschung wolle herausfinden, wie sich die einstige Bewohnbarkeit des Mars‘ verändert habe. „Und geht es um das ganze Bild: den Wandel von einem lebensfreundlichen, zumindest teilweise warmen und feuchten Planeten hin zur kalten, trockenen Wüste von heute“, sagt Lillis.
Der Goldstandard für Reisen ins All
Ein erfolgreicher Start der zweiten New-Glenn-Trägerrakete dürfte den Forschern die Antworten auf solche Fragen ein wenig näherbringen. Denn diese neue Rakete aus dem Hause Jeff Bezos kann mehr als ihr Pendant New Shepard, das bereits seit ein paar Jahren Weltraumtouristen auf Parabelflüge ins All schießt: New Glenn kann die Erde umkreisen. „Deswegen heißt die neue Rakete von Blue Origin ‚New Glenn‘“, betont der Unternehmensberater Fabian Eilingsfeld, der auch Gastdozent an der International Space University und an der TU München ist. Sie ist benannt nach John Glenn, dem ersten US-Amerikaner, der die Erde umkreiste. „Ein wiederverwendbarer Träger für Missionen in den Erdorbit – das ist der Goldstandard!“, findet Eilingsfeld.
New Glenn ist eine Weiterentwicklung von New Shepard, mit zwei wesentlichen Unterschieden: Zum einen kann sie mehr als dreimal so hoch fliegen und damit theoretisch auch die Internationale Raumstation erreichen.
Was Blue Origin sich bei SpaceX abgeschaut hat
Zum anderen wird sie – zumindest vorerst – nur unbemannt starten. Bei ihr werden sich also keine Weltraumtouristen an Bord befinden. Im Gegensatz zur New Shepard wird sich deswegen auch keine Passagierkapsel von der obersten Raketenstufe lösen und an einem Fallschirm zurück zur Erde gleiten. „Stattdessen verfügt diese Rakete über drosselbare Raketentriebwerke, die für die Landung wieder angeworfen werden und es der ersten Stufe ermöglichen, auf ihrem eigenen Abgasstrahl zu landen“, erklärt Eilingsfeld.
Dieses Landeprinzip macht die Konkurrenzfirma SpaceX seit Jahren vor. Auch Elon Musk lässt die ausgebrannten ersten Raketenstufen stets wieder auf der Erde landen und recycelt sie.
New Glenn: Mit dem zweiten Versuch gleich zum Mars
Bei SpaceX klappt das seit Jahren auch erfolgreich mit Astronauten an Bord, ganz oben in den Crew-Dragon-Kapseln, die auf einer Falcon-9-Rakete thronen. Den Transport von Menschen ins All hat auch Blue Origin im Visier: Eines Tages soll mit der New Glenn auch eine Mannschaft zu einer der künftigen neuen, privaten Raumstationen abheben.
Vorher muss die unbemannte Variante jedoch erst einmal reibungslos funktionieren. Beim Erstflug im Januar erreichte die zweite Stufe mit ihrer Nutzlast zwar das All, die Erststufe ging jedoch beim Flug zurück zur Erde verloren.
Eine Low-Budget-Eskapade
Wegen dieser und anderer Unsicherheiten hatte die Nasa damals ihre Mars-Sonde Escapade vom Jungfernflug der New Glenn zurückgezogen. Nun aber scheint die US-Raumfahrtbehörde genügend Vertrauen in die Fähigkeiten der Rakete aufgebaut zu haben, sodass sie die Sonden für den zweiten Flug der New Glenn zurückgebucht hat.
Damit habe sich die US-Weltaumbehörde Nasa als Kunde ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, findet Robert Lillis. „Dies ist ein Experiment für die Nasa“, mutmaßt der kalifornische Raumfahrtingenieur, dessen Mars-Sonde beim zweiten Start an Bord sein wird. „Sie möchte versuchen, ob sich auch zu einem niedrigen Preis erstklassige Wissenschaft produzieren lässt.“
Die Kosten für diese Mission betragen 60 Mio. $. Normalerweise lägen sie zehnmal höher. Bei einem so niedrigen Budget kam für den Start nur die New Glenn infrage. So viel zum Thema Vertrauen in die Rakete – eher eine Notwendigkeit und Pragmatismus. Denn die Nasa musste das Risiko abschätzen: relativ preisgünstig zum Mars zu kommen auf der einen Seite, eine nahezu unerprobte Trägerrakete als Risiko auf der anderen.
Ob das Abenteuer der New Glenn mit ihrer Eskapade zum Mars von Erfolg gekrönt sein wird, wird sich nach dem Lift-off entscheiden. Der Start ist derzeit für den 9. November geplant.
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