Raumfahrt 27.11.2025, 20:15 Uhr

Erforschung von Asteroiden: ESA beschließt Ramses-Mission

Dass ein großer Asteroid die Erde nur knapp verfehlt, erweist sich als Glücksfall für Wissenschaftler. Die ESA will sich nun einen Detailblick in eine weitgehend unbekannte Welt verschaffen.

Ramses-Mission zum Asteroiden Apophis. Foto: ESA-Science Office

Ramses-Mission zum Asteroiden Apophis.

Foto: ESA-Science Office

Es ist Weltraumforschung fast zum Anfassen. Am 13. April 2029 wird der 375 m große Asteroid Apophis in etwa 32.000 km Entfernung an der Erde vorbeirasen. Dass „Sternenstaub“ von der Größe eines Kreuzfahrtschiffes den Blauen Planeten unterhalb der Umlaufbahnen von geostationären Satelliten passiert, geschieht nur alle 5000 bis 10.000 Jahre und hat Raumfahrtwissenschaftler aus aller Welt auf den Plan gerufen. Niemand wird dem Objekt näherkommen als die Europäer – sie wollen einen Minisatelliten auf dem lockeren Haufen aus Gestein, Eisen und Nickel absetzen.

Ramses-Mission von der Ministerratskonferenz beschlossen

Während seiner Tagung in Bremen hat der Ministerrat der Europäischen Raumfahrtagentur ESA verkündet, dass die Ramses-Mission finanziert sei. Das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB und seine Tochterfirma OHB Italia bekommen den Auftrag für die Realisierung. „Eine derartige Mission in so kurzer Zeit zu entwickeln, ist eine Herausforderung“, sagt Andreas Gierse, der das Kernmodul des Projekts bei OHB in Bremen betreut, „aber wir können auf der Technik und den Erfahrungen aus der Hera-Mission aufbauen.“

Ramses steht für „Rapid Apophis Mission for Space Safety“. Wie die Hera-Mission besteht das Projekt aus einer Sonde, die zwei kleine Cube-Satelliten zu dem Asteroiden transportieren wird. Ein CubeSat soll den Asteroiden umkreisen, der andere Mini-Satellit auf Apophis landen.

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Ramses baut auf Asteroidenmission Hera auf

Ein ähnliches Manöver steht im Mittelpunkt von Hera. Die Sonde ist im Oktober 2024 zu ihrer zweijährigen Reise zu dem Asteroiden Didymos und dem ihn umkreisenden Mini-Mond Dimorphos gestartet. Im September 2022 hatte die Nasa gezielt ein Projektil in „Didymoon“ – wie Wissenschaftler den kleinen Mond nennen – hineingesteuert.

So sollte erprobt werden, ob und wie ein auf die Erde zurasender Asteroid von seiner Bahn gebracht werden kann. „Die Auswirkungen waren dreimal so stark und damit erheblich effektiver, als wir es erwartet haben“, berichtet Gierse. Viel mehr ist noch nicht bekannt; Hera soll nun möglichst viele weitere Informationen sowie detailreiche Bilder des Asteroiden und seines Mondes sammeln.

Die mit Hera gewonnenen Kompetenzen kommen OHB jetzt für Ramses zugute. Denn es drängt die Zeit. Während die Hera-Mission in den Tiefen des Weltraums zwischen Mars und Jupiter stattfindet, spielt sich das jetzt bewilligte Projekt in unmittelbarer Erdnähe ab. Bei seinem mit etwa 32.000 km geringsten Abstand von der Erde wird Apophis in der Nacht des 13. April 2029 sogar mit dem bloßen Auge sichtbar sein. „Wenn wir den Asteroiden rechtzeitig erreichen wollen, müssen wir unsere Sonde im Frühjahr 2028 starten“, erläutert Gierse.

Kein monolithischer Block – eher ein Haufen Geröll und Steine

Zwar haben mehrere Raumfahrtnationen bereits angekündigt, ebenfalls Missionen zu Apophis zu schicken, aber schon jetzt steht fest: „Sie werden dem Asteroiden hinterherfliegen und ihn erst nach der größten Erdnähe erreichen.“ Für die Wissenschaft ist jedoch besonders interessant, was während des unmittelbaren Vorbeifluges an der Erde auf dem Asteroiden passiert. Solche Himmelskörper sind kein monolithischer Block, sondern eher eine lockere Zusammenballung von Steinen, Staub und Eis. „Unter anderem wollen wir messen, wie sich diese Masse unter der Wirkung der Erdanziehungskraft verändert und verformt“, so Gierse.

Die wichtigsten Informationen insbesondere über die gravitationsbedingten Verformungen der lockeren Masse soll der CubeSat liefern, der in 10 km Höhe über Apophis ausgesetzt wird und möglichst sanft auf dem Asteroiden aufsetzen soll. Damit der zunächst auf dem Dach der Sonde montierte Mini-Satellit unbeschadet auf der Oberfläche ankommt, ist Fingerspitzengefühl erforderlich. „Wir werden den CubeSat nur ganz sanft anstoßen, dann wird der von der Gravitationskraft des Asteroiden angezogen“, beschreibt es Andreas Winkler, Direktor Exploration, Space Safety und Astronautische Raumfahrt bei OHB.

Rendezvous bei 6 km/s

Der zweite CubeSat soll derweil auf eine Umlaufbahn um den Asteroiden gebracht werden, das Manöver des anderen Mini-Satelliten beobachten und fotografieren sowie mithilfe von Sensoren möglichst viel Wissen über die Konsistenz, das Material und die Form des Asteroiden sammeln. Die Herausforderung besteht darin, dass über die Oberfläche von Apophis nichts bekannt ist. Ob der Satellit weich oder hart aufsetzt, liegt außerhalb der Zugriffsmöglichkeiten der Ingenieure: „Das sehen wir erst, wenn er gelandet ist“, sagt Gierse.

Das Rendezvous spielt sich bei einer Geschwindigkeit von etwa 6 km/s ab, mit der sich Apophis durchs All bewegt. Bei einem Startgewicht von 1300 kg führt die Sonde insgesamt 660 l Hydrazin als Treibstoff mit. Das zwingt die Entwickler zur Genügsamkeit bei der Gesamtkonfiguration der Mission: „Wir müssen auf die sonst übliche Redundanz in den Systemen verzichten“, erläutert Winkler die sogenannte Single-String-Architektur. Wenn eine Systemkomponente wider Erwarten versagt, „müssen wir kreativ sein“, meint er.

Spezialkameras für den seltenen Moment

Wichtigstes Instrument an Bord der Ramses-Sonde ist eine Kombination von zwei „Asteroid Framing Cameras“ der Jena-Optronik GmbH, die in das Lageregelungssystem eingebettet sind. Die Spezialkameras des Thüringer Herstellers können zum einen lichtschwache Punkte im All aus großer Entfernung ausfindig machen. Zum anderen ist ihre Optik auch darauf ausgerichtet, aus relativer Nähe in hoher Auflösung Aufnahmen der Asteroidenoberfläche zu erstellen.

„Mithilfe der Kamera werden wir zunächst den heranfliegenden Asteroiden aufspüren und die Navigation ausrichten“, erläutert Gierse. Wenn die Sonde Apophis erreicht hat und der erste CubeSat Richtung Oberfläche unterwegs ist, soll der zweite CubeSat den Asteroiden umkreisen und aus der Ferne mithilfe verschiedener Sensoren Informationen über die Zusammensetzung von Apophis und über die durch die Erdanziehungskraft ausgelösten Veränderungen seiner Form und Struktur sammeln.

Wissenslücken schließen

Die Informationen aus der Ramses-Mission können wesentliche Wissenslücken über die Beschaffenheit von Asteroiden schließen und so zu einem besseren Schutz der Erde vor Einschlägen beitragen. Eine solche Katastrophe hatten amerikanische Wissenschaftler zunächst befürchtet, als sie vor 21 Jahren den Himmelskörper 2004 MN4 entdeckten.

„Der Aufschlag eines derartig großen Objekts entspricht in etwa der Sprengkraft von 750 Mio. t TNT, genug, um fast ganz Europa verschwinden zu lassen“, sagt Rolf Janovsky, OHB-Direktor für Vorentwicklung und Raumfahrtsysteme. Aus der Sorge um eine solche Katastrophe entstand die Namensgebung für den Asteroiden: Apophis war im alten Ägypten der Gott für Chaos und Finsternis.

Ein Beitrag von:

  • Iestyn Hartbrich

    Iestyn Hartbrich ist Ingenieur und Journalist mit den Schwerpunkten Werkstoffe, Stahlindustrie, Raumfahrt und Luftfahrt.

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