Zerstörerische Zusammenstöße 19.12.2025, 08:04 Uhr

Autoscooter im All: Gewaltige Kollisionen bei Fomalhaut

Gewaltige Kollisionen im Fomalhaut-System liefern neue Einblicke in die Entstehung von Planeten – und warnen Exoplanetenjäger.

Künstlerische Darstellung einer Kollision zweier Planetesimale

Künstlerische Darstellung einer Kollision zweier Planetesimale im jungen, sich entwickelnden Planetensystem Fomalhaut.

Foto: Thomas Müller (HdA/MPIA), Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Das Wichtigste in Kürze
  • Hubble-Beobachtungen zeigen zwei gewaltige Staubwolken im Planetensystem des Sterns Fomalhaut. Sie entstanden durch Kollisionen kilometergroßer Himmelskörper.
  • Die Ereignisse liefern einen seltenen Blick auf Prozesse, die auch das junge Sonnensystem geprägt haben dürften.
  • Solche Staubwolken können wie Exoplaneten aussehen und stellen damit eine reale Falle für künftige Suchmissionen dar.
  • Die Beobachtungen widersprechen bisherigen Modellen zur Häufigkeit solcher Kollisionen.

Ein Planetensystem im Aufbau ist kein ruhiger Ort. Es gleicht eher einer Arena, in der Gesteinsbrocken mit hoher Geschwindigkeit aufeinandertreffen. Genau dieses Szenario beobachten Astronominnen und Astronomen nun bei einem der bekanntesten Nachbarsterne der Sonne: Fomalhaut. Hubble-Aufnahmen zeigen dort die Folgen zweier massiver Kollisionen. Entstanden sind riesige Staubwolken, ausgelöst durch Zusammenstöße von Objekten, die mehrere Dutzend Kilometer groß waren.

Was heute weit entfernt wirkt, ist in Wahrheit ein Blick zurück in die eigene Geschichte. Auch das junge Sonnensystem durchlief eine solche Phase. Planetesimale, Asteroiden und Kometen prallten immer wieder aufeinander. Aus Trümmern entstanden größere Körper. Andere Brocken bombardierten die junge Erde und den Mond. Fomalhaut dient nun als kosmisches Anschauungsmodell für diese frühe, chaotische Zeit.

Ein Stern, der mehr zeigt als erwartet

Fomalhaut liegt nur rund 25 Lichtjahre von der Erde entfernt. Er ist heller und massereicher als die Sonne und deutlich jünger. Um ihn herum ziehen sich mehrere breite Staubringe. Solche Strukturen gelten als Indiz für aktive Prozesse. Dort formen sich Planeten – oder sie scheitern.

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Schon 2008 sorgte das System für Aufsehen. Damals meldete ein Forschungsteam einen möglichen Exoplaneten, sichtbar im reflektierten Sternenlicht. Später stellte sich heraus: Es war kein Planet, sondern eine expandierende Staubwolke. Sie bekam den Namen Fomalhaut b, später cs1 genannt. Ihr Ursprung: eine gewaltige Kollision zweier Planetesimale.

Nun kommt cs2 hinzu. Wieder tauchte ein Lichtpunkt auf, der zuvor nicht existierte. Und wieder deutet alles auf einen frischen Zusammenstoß hin.

Ein Lichtpunkt aus dem Nichts

„Zum ersten Mal habe ich gesehen, wie ein Lichtpunkt aus dem Nichts in einem extrasolaren Planetensystem auftaucht“, sagt Paul Kalas, leitender Wissenschaftler an der University of California in Berkeley. Frühere Hubble-Bilder zeigten an dieser Stelle nichts. Die logischste Erklärung: Zwei massive Körper kollidierten, zerfielen und erzeugten eine Wolke aus fein verteiltem Staub.

Solche Wolken reflektieren Sternenlicht. Aus großer Entfernung wirken sie wie kompakte Objekte. Genau deshalb sind sie so tückisch. Ohne Langzeitbeobachtung lassen sie sich kaum von echten Planeten unterscheiden.

Diese künstlerische Darstellung zeigt die Abfolge der Ereignisse, die zur Entstehung der Staubwolke cs2 um den Stern Fomalhaut geführt haben

Diese künstlerische Darstellung zeigt die Abfolge der Ereignisse, die zur Entstehung der Staubwolke cs2 um den Stern Fomalhaut geführt haben. In Bild 1 erscheint der Stern Fomalhaut in der oberen linken Ecke. Zwei weiße Punkte in der unteren rechten Ecke stellen die beiden massereichen Objekte dar, die Fomalhaut umkreisen. In Bild 2 nähern sich die Objekte einander. Bild 3 zeigt die heftige Kollision dieser beiden Objekte. In Bild 4 wird die entstandene Staubwolke cs2 sichtbar, und das Sternenlicht drückt die Staubkörner vom Stern weg.

Foto: NASA, ESA, STScI, Ralf Crawford (STScI)

Kontrolle statt Fehlalarm

Um sicherzugehen, prüfte das Team die Daten mehrfach. Eine zentrale Rolle spielte dabei Bin Ren vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Er nutzte eigene Auswertungsmethoden, um auszuschließen, dass cs2 ein Artefakt der Datenverarbeitung ist.

„Das Team nennt mich ‚Torwart‘, weil ich unabhängig mit anderen Methoden überprüfe, ob unsere Entdeckungen reproduzierbar sind“, erklärt Ren. Erst nach dieser Kontrolle galt das Signal als belastbar.

Warum gleich zwei Kollisionen?

Hier beginnt das eigentliche Rätsel. Theoretische Modelle sagen voraus, dass Kollisionen dieser Größenordnung extrem selten sind. Etwa eine pro 100.000 Jahre. Im Fomalhaut-System tauchten jedoch innerhalb von nur zwei Jahrzehnten gleich zwei Staubwolken auf.

Zudem liegen cs1 und cs2 räumlich auffällig nah beieinander. Beide erscheinen am inneren Rand des äußeren Staubrings. Wären solche Ereignisse rein zufällig verteilt, müssten sie an ganz unterschiedlichen Orten auftreten.

Eine mögliche Erklärung: Es gab deutlich mehr Kollisionen, als bislang angenommen. Die meisten blieben unsichtbar, weil sie zu wenig Staub freisetzten. Nur besonders energiereiche Zusammenstöße erzeugen Wolken, die Hubble erfassen kann.

„Es könnten Hunderte solcher Kollisionen stattgefunden haben, die unbemerkt blieben“, sagt Ren. Die Nähe von Fomalhaut zur Erde spielt dabei eine Schlüsselrolle. Weiter entfernte Systeme würden ähnliche Ereignisse schlicht verbergen.

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Ein natürliches Labor für Planetenentstehung

Die Beobachtungen erlauben Rückschlüsse, die sonst kaum möglich wären. Aus Helligkeit und Ausdehnung der Wolken lässt sich abschätzen, wie groß die zerstörten Körper waren. Die Werte liegen bei etwa 30 bis 60 Kilometern Durchmesser. Es handelt sich also nicht um Staubkörner, sondern um massive Planetesimale.

Nach Berechnungen des Teams könnten rund 300 Millionen solcher Objekte im Fomalhaut-System existieren. Das entspricht einem dynamischen Trümmerfeld, in dem Zusammenstöße unvermeidlich sind.

Mark Wyatt von der Universität Cambridge bringt es so auf den Punkt: „Das System ist ein natürliches Labor, um zu untersuchen, wie sich Planetesimale bei Kollisionen verhalten, was uns wiederum Aufschluss darüber gibt, woraus sie bestehen und wie sie entstanden sind“

Größer als jedes menschliche Experiment

Zum Vergleich: 2022 lenkte die NASA im Rahmen der DART-Mission absichtlich eine Raumsonde auf einen Asteroiden. Ziel war es, dessen Bahn minimal zu verändern. Auch dabei entstand eine Staubwolke, gut dokumentiert von Teleskopen.

Die Kollisionen bei Fomalhaut spielen jedoch in einer völlig anderen Liga. Sie setzten etwa eine Milliarde Mal mehr Energie frei. Kein Labor auf der Erde kann solche Bedingungen nachstellen. Genau deshalb sind diese Beobachtungen so wertvoll.

Risiko für die Exoplanetenjagd

Die Entdeckung hat eine unangenehme Nebenwirkung. Künftige Missionen wollen Exoplaneten direkt abbilden, oft im sichtbaren Licht. Staubwolken wie cs1 und cs2 sehen dabei täuschend echt aus.

„Fomalhaut cs2 sieht genauso aus wie ein Exoplanet, der Sternenlicht reflektiert“, sagt Kalas. Aus cs1 weiß das Team, dass eine solche Wolke über Jahre stabil wirken kann. Wer nur einen kurzen Beobachtungszeitraum hat, läuft Gefahr, falsche Schlüsse zu ziehen.

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Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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