ALMA wirft weitere Fragen um den Ring von Fomalhaut auf
Der Trümmerring um Fomalhaut verhält sich merkwürdig und lässt Astronomen staunen. Wie lassen sich die seltsamen Zeichen deuten?
Der helle Stern in der Mitte, Fomalhaut, ist von einer alten Trümmerscheibe mit ungleichmäßiger Helligkeit umgeben. Die Scheibe ist im Süden näher am Stern, wo sie breiter und schwächer ist, und im Norden weiter vom Stern entfernt, wo sie schmaler und heller ist. Der gepunktete Ring zeigt die mögliche Umlaufbahn eines Planeten, wie sie von Lovell et al. angenommen wird.
Foto: NSF/AUI/NSF NRAO/B. Saxton
Fomalhaut ist einer der hellsten Sterne am Südhimmel. Mit bloßem Auge ist er im Sternbild Südlicher Fisch zu erkennen. Etwa 25 Lichtjahre trennen ihn von uns – kosmisch gesehen ist das fast Nachbarschaft. Schon vor Jahren entdeckten Forschende einen breiten Staub- und Trümmerring um den Stern. Er erinnert an den Kuipergürtel unseres Sonnensystems, nur ist er viel größer und auffälliger.
Doch dieser Ring verhält sich merkwürdig. Er wirkt nicht gleichmäßig rund, sondern leicht verschoben. Lange vermutete man, dass ein verborgener Planet seine Gravitation im Spiel hat. Neue Beobachtungen mit dem Radioteleskop-Array ALMA in Chile bringen nun zusätzliche Rätsel.
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ALMA zeigt Details wie nie zuvor
Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) liefert Bilder in einer Schärfe, die frühere Instrumente nicht erreichten. Statt sichtbaren Lichts nutzt es Millimeterwellen. Damit lassen sich besonders die größeren Staubkörner abbilden – jene, die weniger vom Licht des Sterns beeinflusst werden.
Ein internationales Team aus den USA, Europa und Asien nahm Fomalhaut mit einer Wellenlänge von 1,3 Millimetern ins Visier. Die Auflösung lag bei 0,3 Bogensekunden. Das klingt abstrakt, entspricht aber einem Detail von nur 2,3 Astronomischen Einheiten – kaum mehr als der Abstand zwischen Sonne und Mars.
„Unsere Beobachtungen zeigen zum ersten Mal, dass die Exzentrizität der Scheibe nicht konstant ist“, erklärt Joshua Bennett Lovell vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Damit ist gemeint: Die Verzerrung des Rings ändert sich mit der Entfernung zum Stern. Innen ist er stärker verzogen, außen fast kreisrund.
Ein kosmischer Versatz
Die Forschenden sprechen von einem negativen Exzentrizitätsgradienten. Anschaulich lässt sich das so erklären: Stellen Sie sich die Ringe des Saturn vor. Normalerweise sitzt der Planet im Zentrum. Bei Fomalhaut ist das anders – der Stern liegt leicht versetzt. Und je weiter man den Ring nach außen verfolgt, desto weniger deutlich ist diese Verschiebung.
Diese ungewöhnliche Geometrie passte in kein bisheriges Modell. Frühere Annahmen gingen stets von einem gleichmäßigen Versatz aus. Lovell betont: „Sie nimmt mit der Entfernung stetig ab, eine Erkenntnis, die bisher bei keiner Trümmerscheibe schlüssig nachgewiesen werden konnte.“
Fomalhaut im Überblick
• Entfernung: ca. 25 Lichtjahre
• Sternklasse: A3 V, rund doppelt so schwer wie die Sonne
• Besonderheit: markanter Trümmerring
• Neueste Erkenntnis: Ring ist an der Apoapsis doppelt so breit wie an der Periapsis
• Interpretation: Gravitative Einflüsse eines bislang unsichtbaren Planeten
Hinweise auf unsichtbare Planeten
Wie aber entsteht ein solcher Verlauf? Eine naheliegende Erklärung lautet: Gravitation. Ein oder mehrere Planeten könnten die Staubteilchen im Ring beeinflussen und so ihre Bahnen verzerren.
„Einfach ausgedrückt: Wir konnten kein Modell mit fester Exzentrizität finden, das diese besonderen Merkmale der Scheibe von Fomalhaut erklären konnte“, sagt Jay Chittidi von der Johns Hopkins University.
Die naheliegende Schlussfolgerung: In dem System müssen massereiche Körper wirken, die wir bislang nicht sehen. Ein Planet innerhalb des Rings wäre ein Kandidat. Vielleicht gibt es aber auch mehrere, die gemeinsam das Bild prägen.
Schmal und breit zugleich
ALMA offenbarte noch eine weitere Eigenart. Der Ring ist nicht überall gleich breit. An der Stelle, die dem Stern am nächsten liegt (Periapsis), erscheint er schmal. Am entferntesten Punkt (Apoapsis) ist er dagegen fast doppelt so breit. Das Verhältnis liegt bei etwa 2:1.
Diese sogenannte „apsidale Breitenvariation“ stützt erneut die Vermutung eines unsichtbaren Planeten. Denn allein durch zufällige Kollisionen oder Strahlungsdruck lassen sich solche Unterschiede kaum erklären.
Ein Blick in die Vergangenheit
Der Trümmerring könnte schon seit hunderten Millionen Jahren in dieser Form existieren. Möglich, dass er sich in der frühen Phase der Planetenbildung gebildet hat und seither durch den Einfluss eines massereichen Begleiters stabil gehalten wird.
Fomalhaut ist mit rund 400 Millionen Jahren deutlich jünger als unsere Sonne. Sein Planetensystem steckt also noch in einer vergleichsweise jungen Phase. Gerade deshalb eignet es sich, Prozesse zu untersuchen, die auch unsere eigene kosmische Geschichte geprägt haben.
Ein Labor für verborgene Welten
Trümmerringe wie jener um Fomalhaut sind für die Astronomie ein Glücksfall. Sie wirken wie Indikatoren unsichtbarer Planeten. Ähnlich wie Fingerabdrücke zeigen sie, dass jemand da war – auch wenn man die Person nicht sieht.
„Hoffentlich finden wir neue Hinweise, die uns helfen, diesen Planeten zu entdecken“, sagt Lovell. Bislang bleibt er im Verborgenen. Doch seine Spuren zeichnen sich im Staubring ab wie im Sand einer Stranddüne.
Die Forschung wurde in zwei Studien veröffentlicht. Lesen Sie hier und hier.
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