Huntington-Krankheit erstmals dank Virus erfolgreich verlangsamt?
Die Huntington-Krankheit ist eine seltene, unheilbare Erbkrankheit, die das Gehirn nach und nach zerstört. Weltweit sind zehntausende Menschen betroffen. Nun weckt eine neue Studie Hoffnung: Mit moderner Gentherapie könnte es erstmals gelingen, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und Patientinnen und Patienten wirksam zu helfen.
Gentherapie gegen Huntington: Forscher verlangsamen Krankheitsverlauf um 75 %.
Foto: Smarterpix/katerynakon
Die Huntington-Krankheit ist eine seltene, vererbbare Hirnstörung, die unerbittlich die Gehirnzellen abtötet. Es ist wie eine Mischung aus Demenz, Parkinson und der Motoneuron-Krankheit, also eine Nervenerkrankung, die unter anderem für Muskelschwäche und -krämpfe und eine fortschreitende Beeinträchtigung der motorischen Funktionen sorgt. In Großbritannien, den USA und Europa leiden etwa 75.000 Menschen an der Huntington-Krankheit, und Hunderttausende sind Träger der Mutation, was bedeutet, dass sie die Krankheit entwickeln werden.
Eine neue Studie verschafft den Patientinnen und Patienten Hoffnung. Angeleitet und finanziert wurde die wissenschaftliche Untersuchung durch die Firma uniQure, einem Gentherapie-Unternehmen aus Amsterdam. Begleitet wurde die klinische Studie unter anderem durch die University College London. In der verhältnismäßig kleinen Studie mit nur 29 Teilnehmenden, die sich im Frühstadium einer Huntington-bedingten Verschlechterung befanden, verlangsamte sich die Krankheit bei den Personen, denen eine hohe Dosis der Therapie direkt ins Gehirn verabreicht wurde, im Vergleich zur Kontrollgruppe über einen Zeitraum von drei Jahren um 75 %.
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We’re absolutely delighted to share this exciting news from the @uniQure_NV AMT-130 trial https://t.co/3Vmc33W4B8
— UCL Huntington’s Disease Centre (@UCLHD) September 24, 2025
Die Ergebnisse der Studie wurden von uniQure veröffentlicht, jedoch noch nicht vollständig zur Begutachtung durch andere Fachleute freigegeben.
Huntington – eine verheerende Krankheit
Grund für die Huntington-Krankheit ist ein Fehler in einem Teil unserer DNA, auch bekannt als Huntingtin-Gen. Diese Mutation verwandelt ein normales, im Gehirn benötigtes Protein, das sogenannte Huntingtin-Protein, in einen Killer von Nervenzellen. Wenn einer der beiden Elternteile an der Krankheit leidet, besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass man selbst das veränderte Gen erben und irgendwann selbst an Huntington erkranken wird.
Erste Symptome treten normalerweise zwischen 30 und 55 Jahren auf. Anzeichen sind beispielsweise subtiler Koordinationsverlust, Vergesslichkeit, unwillkürliche Bewegungen, starke Stimmungsschwankungen und ein allmählicher Verlust des Gedächtnisses und der Denkfähigkeit.
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Therapien, die die Ursache der Huntington-Krankheit bekämpfen. Zur Linderung der Symptome müssen Betroffene daher auf Medikamente zurückgreifen. Bei dieser neuen Behandlung handelt es sich um eine Art Gentherapie, die während einer zwölf bis 18 Stunden langen Gehirnoperation verabreicht wird.
Virus senkt Spiegel des toxischen Proteins
Es beginnt mit einem sicheren Virus, der genetisch so verändert wurde, dass es eine speziell entwickelte DNA-Sequenz enthält. Dieses Virus agiert dann wie ein mikroskopisch kleiner Postbote – es liefert das neue DNA-Stück in die Gehirnzellen. Dadurch werden die Neuronen zu einer Art Fabrik, die selbst die Therapie zur Verhinderung ihres eigenen Todes produziert. Die Zellen produzieren ein kleines Fragment genetischen Materials, die microRNA, welches die Anweisungen abfangen und deaktivieren soll, die von der DNA der Zellen zum Aufbau von mutiertem Huntingtin gesendet werden. Dies führt zu einem niedrigeren Spiegel an mutiertem Huntingtin im Gehirn.
Ziel der Behandlung ist es also, den Spiegel des toxischen Proteins mit einer einzigen Dosis dauerhaft zu senken. Diese wird unter Verwendung von Echtzeit-MRT-Scans tief in das Gehirn injiziert, wobei ein Mikrokatheter zu zwei Hirnregionen geführt wird – dem Nucleus caudatus und dem Putamen. Beides sind wichtige Strukturen im Großhirn, die entscheidend sind für die Steuerung von Bewegungen, Koordination, Haltung und Feinmotorik.
Erste Erfolge sichtbar
Die Daten zeigen, dass drei Jahre nach der Operation der Teilnehmenden eine durchschnittliche Verlangsamung der Huntington-Krankheit um 75 % zu erkennen ist. Diese Ergebnisse sind gemessen anhand einer Kombination aus kognitiven Fähigkeiten, motorischen Funktionen und der Möglichkeit, den eigenen Alltag zu bewältigen. Außerdem wird deutlich, dass die Behandlung die Gehirnzellen rettet. Der Gehalt an Neurofilamenten in der Rückenmarksflüssigkeit – ein deutliches Zeichen für das Absterben von Gehirnzellen – hätte um ein Drittel ansteigen müssen, wenn die Krankheit weiter fortgeschritten wäre, war jedoch tatsächlich niedriger als zu Beginn der Studie.
Die behandelten Patientinnen und Patienten bleiben anonym. Einer der Teilnehmenden wurde vor der Behandlung aus medizinischen Gründen in den Ruhestand versetzt – inzwischen ist er wieder berufsfähig. Andere Patientinnen und Patienten können trotz der Prognose, dass sie einen Rollstuhl benötigen würden, weiterhin gehen. Wichtig zu betonen ist allerdings, dass die Gentherapie keine Heilung der Huntington-Krankheit verspricht – es ist lediglich eine erfolgreiche Verbesserung der Lebensqualität.
„Wir sind der Ansicht, dass die Gentherapie kein kurzfristiger Erfolg sein wird. Ich denke, dass die Ergebnisse lebenslang halten werden. Anders als bei Blut oder Knochen werden Gehirnzellen nicht ständig vom Körper erneuert“, erklärt Ed Wild, beratender Neurologe am National Hospital for Neurology and Neurosurgery an den University College London Hospitals.
Nicht der erste Versuch
Einige der ersten Versuche zur Entwicklung einer Therapie befassten sich mit der Antisense-Behandlung. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine genbasierte Strategie, bei der kurze DNA- oder RNA-Stränge eingesetzt werden, um die Produktion des defekten Huntingtin-Proteins zu verhindern. Anfänglich zeigte dieser Ansatz auch vielversprechende Ergebnisse, allerdings wurde er 2021 eingestellt, da die mit der Therapie behandelten Patientinnen und Patienten schlechter abschnitten als diejenigen, denen ein Placebo verabreicht wurde.
Ein Schweizer Biotechnologie-Unternehmen, Spark Therapeutics, arbeitet an einem ähnlichen Medikament, welches 2025 ebenfalls die klinische Testphase begonnen hat. Wenn beide Medikamente zugelassen werden, werden sie voraussichtlich mehr als 1 Million US-Dollar pro Person kosten. Dieser Preis würden den Zugang zum Medikament für die meisten Patientinnen und Patienten in weite Ferne rücken.
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