Babys aus Hautzellen? Neue Technik könnte Kinderwunsch erfüllen
Forschende verwandeln Hautzellen in Eizellen – ein Schritt, der unfruchtbaren Menschen neue Hoffnung auf genetisch eigene Kinder geben könnte.
Hände, die Hoffnung geben: Neue Zelltechniken könnten unfruchtbaren Paaren den Kinderwunsch erfüllen.
Foto: Smarterpix / NIKO_Cingaryuk
Forschende der Oregon Health & Science University (OHSU) in Portland haben etwas geschafft, das lange als unerreichbar galt: Sie haben menschliche Hautzellen in Eizellen verwandelt – und diese entwickelten sich tatsächlich zu frühen Embryonen. Das Ziel dahinter ist ambitioniert: Irgendwann sollen Menschen, die unfruchtbar sind, eine genetisch eigene Schwangerschaft erleben können. Dass Thema ist aber auch eine Frage der Ethik.
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Hoffnung für Millionen
Die Studie erschien in der Fachzeitschrift Nature Communications und gilt als wichtiger Schritt in der sogenannten In-vitro-Gametogenese (IVG). Dabei geht es darum, Keimzellen – also Eizellen und Spermien – im Labor zu erzeugen, anstatt sie dem Körper zu entnehmen. Das Verfahren könnte Frauen helfen, deren biologische Uhr längst abgelaufen ist, oder Menschen, die nach einer Krebsbehandlung keine Eizellen mehr bilden.
„Diese Methode bietet nicht nur Hoffnung für Millionen von Menschen, die aufgrund eines Mangels an Eizellen oder Spermien unfruchtbar sind, sondern würde auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit geben, ein Kind zu bekommen, das genetisch mit beiden Partnern verwandt ist“, sagt Studienmitautorin Paula Amato, Professorin für Geburtshilfe und Gynäkologie an der OHSU School of Medicine.
Eine neue Form der Zellteilung
Was das Team um Shoukhrat Mitalipov, Direktor des OHSU Center for Embryonic Cell and Gene Therapy, geschafft hat, ist vor allem eines: ein Machbarkeitsnachweis. „Wir haben etwas erreicht, was als unmöglich galt“, sagt Mitalipov. „Die Natur kennt zwei Formen der Zellteilung – und wir haben gerade eine dritte entdeckt.“
Die Forschenden nennen ihr Verfahren Mitomeiose – ein Kofferwort aus Mitose und Meiose, also den beiden zentralen Prozessen der Zellteilung:
- Mitose: Eine Zelle teilt sich in zwei identische Tochterzellen – Grundlage für Wachstum und Regeneration.
- Meiose: Hier wird die Chromosomenzahl halbiert, um Keimzellen für die Fortpflanzung zu bilden.
Das OHSU-Team kombinierte diese beiden Mechanismen in einer völlig neuen Weise. Das Ergebnis: Hautzellen, die sich in Eizellen mit korrekter Chromosomenzahl umwandeln ließen – etwas, das bisher als zu komplex galt, um es künstlich zu steuern.
Vom Hautzellkern zur Eizelle
Der Weg dorthin begann mit einer bekannten Methode: dem somatischen Zellkerntransfer. Dabei wird der Zellkern einer Körperzelle – hier einer Hautzelle – in eine Eizelle eingesetzt, deren eigener Kern zuvor entfernt wurde.
Diese Technik war schon 1997 Grundlage für die Klonierung des Schafs Dolly.
Im Gegensatz zu Dolly wollten die Forschenden aber keinen Klon erzeugen, sondern eine neue Eizelle, die genetisches Material von zwei verschiedenen Elternteilen trägt.
Im Labor lief das so ab:
- Der Zellkern einer Hautzelle wurde in eine entkernte Eizelle eingesetzt.
- Im Zellplasma der Spenderzelle lösten bestimmte Signale eine Art „Mini-Meiose“ aus – der neue Zellkern warf die Hälfte seiner Chromosomen ab.
- Das Ergebnis war eine haploide Eizelle mit 23 Chromosomen.
- Diese wurde anschließend per klassischer In-vitro-Fertilisation (IVF) befruchtet.
Die befruchteten Eizellen entwickelten sich tatsächlich zu Embryonen mit der korrekten Chromosomenzahl: 46 Chromosomen, verteilt auf 23 Paare.
Erste Erfolge, viele Hürden
Insgesamt erzeugte das Team 82 Eizellen, die sich befruchten ließen. Doch der Erfolg blieb begrenzt: Die meisten Embryonen kamen nicht über das Stadium von vier bis acht Zellen hinaus. Nur rund 9 % erreichten nach sechs Tagen das Blastozystenstadium – also jenen Punkt, an dem Embryonen bei einer IVF üblicherweise übertragen werden könnten.
„Unsere Studie zeigt zwar das Potenzial der Mitomeiose für die In-vitro-Gametogenese, aber noch handelt es sich nur um einen Proof of Concept“, schreiben die Forschenden.
Das bedeutet: Der Ansatz funktioniert grundsätzlich – aber von einer Anwendung in der Reproduktionsmedizin ist man noch weit entfernt.
Warum viele Embryonen scheitern
Ein Grund dafür liegt in den Chromosomenanomalien, die bei der Zellteilung entstehen. Entwickelt sich eine Eizelle mit zu vielen oder zu wenigen Chromosomen, spricht man von Aneuploidie – und diese verhindert in der Regel die weitere Entwicklung des Embryos.
„Aneuploidie ist bei menschlichen Eizellen ziemlich häufig, insbesondere mit zunehmendem Alter“, erklärt Mitalipov. Auch in der Natur schafft es nur etwa ein Drittel der befruchteten Eizellen bis zur Blastozyste.
Die Forscherin Nuria Marti Gutierrez, Erstautorin der Studie, will nun genauer verstehen, wie sich die Chromosomen beim Übergang von der Hautzelle zur künstlichen Eizelle richtig anordnen lassen. Nur wenn dieser Schritt stabil funktioniert, ist eine gesunde Entwicklung überhaupt möglich.
Eine Frage der Ethik
Die Idee, aus Hautzellen neue Eizellen zu schaffen, weckt viele Hoffnungen – aber auch Fragen. Wenn es eines Tages gelingt, stabile und gesunde Keimzellen im Labor zu züchten, könnten unfruchtbare Menschen, gleichgeschlechtliche Paare oder sogar alleinstehende Personen genetisch eigene Kinder bekommen.
Doch damit rücken auch ethische Grenzen in den Fokus.Darf man Leben schaffen, das seinen Ursprung ausschließlich in der Petrischale hat? Wer kontrolliert, was mit solchen Embryonen geschieht? Und wo verläuft die Grenze zwischen medizinischer Hilfe und Designer-Baby?
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