Medien 25.06.1999, 17:22 Uhr

Bilder einer politischen Lüge

Am 5. Mai 1920 hielt Lenin vor dem Bolschoi-Theater eine schwungvolle Ansprache. Das Foto dieses Auftritts ist heute ein weltbekanntes Dokument, das zahlreiche Darstellungen zur Geschichte der Oktoberrevolution und der Sowjetunion schmückt.

Zu sehen ist Lenin vorn übergebeugt auf einem Podest, der Revolutionsführer als dominierende Gestalt in der Menge. Eine Fälschung. Das Original zeigt auf den Stufen rechts an der Tribüne Trotzki und Kamenew. Nach dem Sturz Trotzkis wurden die Figuren eleminiert und das Foto in der Sowjetunion nie wieder vollständig gezeigt – auch nicht in der Ära Gorbatschows.
Die Oktober-Revolution brachte Rußland bekanntlich nicht die erhoffte Volksherrschaft mit basisdemokratischer Räte-Regierung. Doch obwohl das Ein-Parteien-System der Bolschewiki bereits unter Lenin gegen innerparteiliche „Abweichler“ eine zunehmend unduldsamere Linie verfolgte, präsentierte sich das Politbüro auch über Lenins Tod hinaus noch als vergleichsweise bunte Truppe: Mit Sinowjew, Stalin, Trotzki, Bucharin, Rykow und Tomski verfügte die Partei über ein Potential erfahrener Revolutionäre. Mit dem Machtantritt Stalins sollte sich das gründlich ändern. Stalins Kampf um die Führung der Partei mündete in die berüchtigten Säuberungen der 30er Jahre.
Der Diktator „machte“ (die) Geschichte. Widersacher wurden nicht nur physisch liqiudiert. Stalin sorgte auch mit Hilfe von Bildmanipulationen dafür, daß seine Form der Geschichtsschreibung die offizielle und alleinige wurde die frühen Revolutionäre verschwanden aus dem kollektiven Gedächtnis der Sowjetmenschen.
Die Ausstellung „Stalins Retuschen. Foto- und Kunstmanipulationen in der Sowjetunion“ imMannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit zeigt dies in eindrucksvoller Weise. Anhand von rund 150 Originaldokumenten und fotografischen Reproduktionen aus der Sammlung des Briten David King, London, werden die Propaganda- und Terror-Methoden des Sowjetregimes bis zu Stalins Tod deutlich gemacht.
Die Ausstellung behandelt nicht zuletzt ein aktuelles, ein zeitloses Thema: Bilder können mehr sagen, aber auch besser lügen als tausend Worte. Wie aktuell die Problematik der Wirkung von Bildern ist, hat erst jüngst wieder der Kosovo-Krieg vor Augen geführt. Wer könnte jemals den Fernsehauftritt von Verteidigungsminister Scharping vergessen, der zur moralischen Rechtfertigung der Luftangriffe gegen die Serben Aufnahmen vermeintlicher Massaker an Albanern in die Höhe hält?
Ergänzt wird die Mannheimer Ausstellung übrigens um zwei beeindruckende Präsentationen zur Technik der Bildmanipulation. In einem Nachbau eines Fotolabors der zwanziger Jahre sind Geräte zur Retusche von Bildern ausgestellt. Ähnliche Gerätschaften wurden wohl auch von Stalins begabten Kunsthandwerkern benutzt. Übrigens stammen diese Exponate von einem betagten, aber noch immer damit arbeitenden örtlichen Fotografen.
Welche weitergehenden Möglichkeiten zur Bildmanipulation die Technik heute mit Hilfe des Computers bietet, läßt sich in Mannheim an einem Arbeitsplatz zur digitalen Bildbearbeitung nachvollziehen. Dort wird den Besuchern vorgeführt, wie am Bildschirm ganze künstliche Welten entstehen können.
Begleitend zur Ausstellung ist bereits vor zwei Jahren ein hervorragendes Katalogbuch erschienen. „David King: Stalins Retuschen“ ist eine bislang einzgartige Sozialgeschichte der Bildmanipulation in der Sowjetunion.
GERD KRAUSE
Die Austellung „Stalins Retuschen. Foto- und Bildmanipulationen in der Sowjetunion“ ist noch bis 5.9. im Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit zu sehen.
Weitere Stationen:

– München: 17. 9. bis 10. 11. 99 – Freiburg: 19.1. bis 29.2. 2000

Top Stellenangebote

Zur Jobbörse
Stuttgarter Straßenbahnen AG-Firmenlogo
Architekt:in / Bauingenieur:in - Planung Stadtbahnhaltestellen Stuttgarter Straßenbahnen AG
Stuttgart Zum Job 
NORD-MICRO GmbH & Co. OHG-Firmenlogo
Ingenieur / Techniker als Programm Manager Luftfahrt (m/w/d) NORD-MICRO GmbH & Co. OHG
Frankfurt am Main Zum Job 
Max-Planck-Institut für Psychiatrie-Firmenlogo
Stellvertretende/r Technische/r Betriebsleiter/in (m/w/d) Max-Planck-Institut für Psychiatrie
München Zum Job 
Nitto Advanced Film Gronau GmbH-Firmenlogo
Projektingenieur (m/w/d) Kunststofftechnik / Verfahrenstechnik Nitto Advanced Film Gronau GmbH
BUTTING-Firmenlogo
Teamleiter Tragkorbfertigung (m/w/d) BUTTING
Knesebeck, Wittingen Zum Job 
THOST Projektmanagement GmbH-Firmenlogo
Architekt*in / Ingenieur*in (m/w/d) Bereich Bauprojektmanagement THOST Projektmanagement GmbH
Karlsruhe Zum Job 
THOST Projektmanagement GmbH-Firmenlogo
Projektleiter*in / Projektmanager*in (m/w/d) für Bau- und Immobilienprojekte THOST Projektmanagement GmbH
Stuttgart, Pforzheim Zum Job 
Jungheinrich-Firmenlogo
(Senior) Process Engineer Quality (m/w/d) Jungheinrich
Norderstedt Zum Job 
Hochschule Heilbronn-Firmenlogo
Professur für das Fachgebiet Wirtschaftsingenieurwesen insb. Digitalisierung Hochschule Heilbronn
Heilbronn Zum Job 
Zweckverband Stadtbahn im Landkreis Ludwigsburg-Firmenlogo
Fachexperte (m/w/d) Umwelt- und Landschaftsplanung Zweckverband Stadtbahn im Landkreis Ludwigsburg
Ludwigsburg Zum Job 
Zweckverband Stadtbahn im Landkreis Ludwigsburg-Firmenlogo
Ingenieur (m/w/d) Schwerpunkt Verkehrsanlagen (Schiene und Straße) Zweckverband Stadtbahn im Landkreis Ludwigsburg
Ludwigsburg Zum Job 
THOST Projektmanagement GmbH-Firmenlogo
Ingenieur*in in der Projektleitung von Projekten im Bereich Automotive | Industrie (m/w/d) THOST Projektmanagement GmbH
München Zum Job 
Gemeinde Teutschenthal-Firmenlogo
Sachbearbeiter/Sachbearbeiterin Tiefbau (m/w/d) Gemeinde Teutschenthal
Teutschenthal Zum Job 
Die Autobahn GmbH des Bundes-Firmenlogo
Projektleiter (w/m/d) Straßenbau in Donaueschingen Die Autobahn GmbH des Bundes
Freiburg im Breisgau, Donaueschingen Zum Job 
Siegfried PharmaChemikalien Minden GmbH-Firmenlogo
Expert*in Computersystemvalidierung (CSV) Siegfried PharmaChemikalien Minden GmbH
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.-Firmenlogo
Versorgungsingenieur/in oder Elektroingenieur/in (w/m/d) Projektsteuerung von Baumaßnahmen als Baumanager/in in der Bauherrenfunktion Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
Stadt Bochum-Firmenlogo
Ingenieurin / Ingenieur (w/m/d) der Fachrichtung Elektrotechnik Stadt Bochum
Stadt Bochum-Firmenlogo
Ingenieurin / Ingenieur (w/m/d) der Fachrichtung Versorgungstechnik bzw. Gebäude- und Energietechnik oder Technische Gebäudeausrüstung Stadt Bochum
Dräger Safety AG & Co. KGaA-Firmenlogo
Vertriebsingenieur / Vertriebsmitarbeiter Gasmesstechnik / Sicherheitstechnik (m/w/d) Dräger Safety AG & Co. KGaA
Düsseldorf, Leverkusen, Köln Zum Job 
Menlo Systems GmbH-Firmenlogo
Development Engineer (m/f/d) for photonic integrated circuitry (PIC) Testing & Packaging Menlo Systems GmbH
Planegg Zum Job 

Literatur: David King: Stalins Retuschen. Foto- und Kunstmanipulartionen in der Sowjetunion. HIS Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg. 192 S., 275 Abbildungen. 48 DM. www.his-online.de
Im Originalfoto sind Antipow, Stalin, Kirow und Schwernik 1926 in Leningrad zu sehen. Nach den Manipulationen von 1940 und 1949 blieben nur Stalin und Kirow übrig. Am Ende, als geschöntes Gemälde, glänzte der Diktator allein.
Wegretuschiert: Mit der Methode der AirbrushTechnik (übersprühen) ließen Stalins Bildmanipulateure Menschen einfach verschwinden.

 

Ein Beitrag von:

  • GERD KRAUSE

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.