Hitzeschutz für Gebäude 04.07.2025, 13:10 Uhr

Macht dieses KI-Material Dächer wirklich 20 Grad kühler?

Von künstlicher Intelligenz entwickelte Materialien machen Dächer bis zu 20 °C kühler – ganz ohne Strom und Klimaanlage. So schreiben es zumindest Forschende aus den USA. In der Realität muss man aber ganz genau hinschauen.

Wohnen am Rhein

Wer unter dem Dach wohnt, leidet besonders unter der Hitze. Mit Hilfe von KI entwickelte Materialien könnten diese erträglicher machen.

Foto: Smarterpix / Augustin_1

Forschende haben mithilfe von Künstlicher Intelligenz neue Materialien entwickelt, die Wärme gezielt abgeben oder reflektieren können. Diese thermischen Meta-Emitter könnten Häuser in heißen Regionen deutlich kühlen und den Energiebedarf für Klimaanlagen senken. Die Technologie basiert auf maschinellem Lernen und erlaubt präzise Steuerung der Wärmestrahlung – nicht nur im Gebäude, sondern auch in Kleidung oder im Fahrzeug.

Künstliche Intelligenz macht Gebäude energieeffizienter

Der Sommer bringt nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch steigende Stromrechnungen. Klimaanlagen laufen auf Hochtouren, um Räume auf angenehme Temperaturen zu bringen. Doch ein internationales Forschungsteam hat nun eine alternative Lösung entwickelt: Materialien, die Hitze automatisch abführen – entworfen von Künstlicher Intelligenz.

Beteiligt sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Texas in Austin, der Shanghai Jiao Tong University, der National University of Singapore und der Umea University in Schweden. Ihr gemeinsames Ziel: neue Wege zur passiven Kühlung erschließen – ganz ohne Stromverbrauch.

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Maschinelles Lernen hilft beim Materialdesign

Das Team setzte auf ein KI-basiertes Verfahren, das es erlaubt, sogenannte thermische Meta-Emitter gezielt zu entwerfen. Diese Materialien geben Wärme in bestimmten Wellenlängen ab oder reflektieren Sonnenstrahlung besonders effizient.

Insgesamt entwarf das System mehr als 1.500 verschiedene Materialkombinationen. Yuebing Zheng, Professor für Maschinenbau in Austin, sagt: „Durch die Automatisierung des Prozesses und die Erweiterung des Designraums können wir Materialien mit bisher unvorstellbarer Leistungsfähigkeit entwickeln.“

Das Herzstück der Innovation ist ein Algorithmus, der auf maschinellem Lernen basiert. Statt wie bisher Materialien durch langwierige Experimente zu testen, berechnet das System, welche Kombinationen in bestimmten Umgebungen am effektivsten funktionieren.

Hitzeschutz Dach

Das linke Dach ist mit weißer, das rechte Dach mit grauer Farbe gestrichen. Das von der KI entwickelte Material in der Mitte schützt am besten vor Hitze.

Foto: The University of Texas at Austin

Deutlich kühlere Dächer – getestet im Sonnenlicht

In der praktischen Anwendung zeigten sich deutliche Unterschiede. Die Forschenden testeten ihre Materialien auf einem Modellhaus und verglichen die Ergebnisse mit herkömmlicher weißer und grauer Farbe. Das Ergebnis: Das neue Material hielt das Dach in der Mittagshitze um bis zu 20 Grad Celsius kühler.

Es darf an dieser Stelle jedoch nicht verschwiegen werden, dass der Unterschied zwischen herkömmlicher weißer Farbe und dem von der KI entwickelten Material so groß auch wieder nicht ist. Der Unterschied betrug hier lediglich etwa drei Grad Celsius.

Nichtsdestotrotz sind die neuen Materialien in Regionen mit dauerhaft hohen Temperaturen interessant. In Simulationen zeigte sich, dass ein Einfamilienhaus in Städten wie Bangkok oder Rio de Janeiro durch diese passive Kühlung bis zu 15.800 Kilowattstunden Energie pro Jahr einsparen könnte – das entspricht dem Verbrauch von mehr als zehn Klimaanlagen.

Kühlung für Städte, Kleidung und sogar Raumfahrt

Die Forschenden sehen Einsatzmöglichkeiten weit über den Hausbau hinaus. So könnten thermische Meta-Emitter auch dabei helfen, den städtischen Wärmeinseleffekt zu reduzieren – also die Überhitzung von Ballungsräumen durch Betonflächen und fehlende Vegetation. Durch gezielte Wärmeregulierung könnten ganze Stadtteile gekühlt werden.

Auch Anwendungen in der Raumfahrt sind denkbar: Raumfahrzeuge könnten mit speziellen Beschichtungen ausgestattet werden, die sowohl Sonnenstrahlung reflektieren als auch interne Wärme nach außen abgeben.

Nicht zuletzt lassen sich die neuen Materialien in Textilien einarbeiten. Kleidung könnte so passiv kühlen – ideal für Outdoor-Arbeitsplätze, Schutzkleidung oder heiße Klimazonen. Ebenso könnten Innenräume von Autos oder Zügen auf diese Weise angenehmer gestaltet werden.

Warum maschinelles Lernen hier besonders geeignet ist

Thermische Meta-Emitter besitzen eine komplexe, dreidimensionale Struktur. Traditionelle Verfahren können diese nur schwer abbilden. Bisher beschränkten sich viele Anwendungen auf einfache Schichtmaterialien, deren Kühlleistung begrenzt ist.

„Bisher war die Entwicklung dieser Materialien langsam und arbeitsintensiv und beruhte auf Trial-and-Error-Methoden“, erklärt Zheng. „Dieser Ansatz führt oft zu suboptimalen Designs.“

Durch die KI-gestützte Suche im Designraum lassen sich nun gezielt Materialien mit bestimmten spektralen Eigenschaften entwickeln. Diese kontrollieren, welche Wellenlängen sie reflektieren oder abstrahlen – und wie schnell Wärme abgeleitet wird.

Blick in die Zukunft: KI und Nanophotonik

Die Arbeit gehört zum Bereich der Nanophotonik, also der Wechselwirkung von Licht und Material auf sehr kleinen Skalen. Der Ansatz mit maschinellem Lernen könnte in Zukunft auch in anderen Bereichen dieser Disziplin Anwendung finden.

Kan Yao, Ko-Autor der Studie, fasst es so zusammen: „Maschinelles Lernen ist vielleicht nicht die Lösung für alles, aber die besonderen spektralen Anforderungen des Wärmemanagements machen es besonders geeignet für die Entwicklung von Hochleistungs-Wärmeemittern.“

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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