KI erstellt schnellere und genauere Wettervorsagen
Wendepunkt für die Wettervorsage? Google DeepMind hat mit dem GraphCast ein KI-Modell vorgestellt, dass das Wetter schneller und genauer vorhersagen kann als das führende Wettersimulationssystem. Und das alles ohne physikalische Kenntnisse.
Google DeepMind hat in einem Artikel in der Zeitschrift „Science“mit GraphCast ein KI-Modell vorgestellt, das mittelfristige Wettervorhersagen mit bisher unerreichter Genauigkeit ermöglicht. Im Vergleich zum hochauflösenden, führenden Vorhersagesystem (HRES) des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) prognostiziert GraphCast die schneller und präziser. Zumindest, wenn es um Vorhersagen bis zu zehn Tagen im Voraus geht. Das schafft das KI-Modell auch ohne eine einzige physikalische Gleichung zu kennen. Ein Supercomputer mit viel Rechenpower ist ebenfalls nicht notwendig.
Inhaltsverzeichnis
- Das Wetter ist ein hochkomplexes System
- GraphCast wird auf historische Wetterdaten trainiert
- Mehr als eine Million Gitterpunkte decken gesamte Erdoberfläche ab
- GraphCast kann auch extreme Wetterereignisse frühzeitig erkennen
- GraphCast schlägt das europäische HRES-Modell
- Lassen sich gängigen Wettermodelle ersetzen?
Das Wetter ist ein hochkomplexes System
Das Wetter wird von tausenden miteinander agierenden Faktoren bestimmt, es handelt sich somit um ein komplexes und dynamisches System. Bislang basieren Wettervorhersagen hauptsächlich auf der numerischen Wettervorhersage (NWP). Dieser Prozess startet mit präzise definierten physikalischen Gleichungen, die in Computerprogramme umgewandelt werden und auf Hochleistungsrechnern laufen. Prinzipiell ist das bereits ein Triumph für Wissenschaft und Technik, allerding ist die Entwicklung solcher Gleichungen und Programme sowohl zeit- als auch ressourcenintensiv. Es erfordert umfangreiches Fachwissen und bedeutende Rechenkapazitäten, um präzise Prognosen zu erstellen.
„Das zurzeit beste dieser Prognosesysteme, der High Resolution Forecast (HRES) des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF), erzeugt globale Zehn-Tages-Vorhersagen mit einer 0,1-Grad Auflösung innerhalb von rund einer Stunde“, erklären Remi Lam von Google DeepMind und seine Kollegen. Ohne Supercomputer sind solche Vorhersagen allerdings nicht möglich. Hier kommt nun das KI-Modell von Google DeepMind ins Spiel.
GraphCast wird auf historische Wetterdaten trainiert
Google DeepMind nutzt für sein KI-Modell einen anderen Ansatz als die gängigen Wettersimulationssysteme. Anstatt physikalischer Gleichungen ist Deep Learning angesagt, das heißt, dass GraphCast mit jahrzehntelangen historischen Wetterdaten gefüttert wird. Das Modell erlernt auf die Weise die Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Diese bestimmen, wie sich unser Wetter von der Gegenwart in die Zukunft entwickelt.
Dem Forschungsteam ist es jedoch wichtig zu erwähnen, dass GraphCast und traditionelle Ansätze Hand in Hand gehen: „Wir haben GraphCast auf vier Jahrzehnte von Wetter-Reanalysedaten aus dem ERA5-Datensatz des ECMWF trainiert. Dieser Fundus basiert auf historischen Wetterbeobachtungen wie Satellitenbildern, Radar und Wetterstationen, wobei ein traditionelles NWP verwendet wird, um die Lücken zu füllen, in denen die Beobachtungen unvollständig sind, um eine umfassende Aufzeichnung des globalen historischen Wetters zu rekonstruieren.“
Interessant auch, was Team von Google DeepMind zur Geschwindigkeit des KI-Modells sagt: „Das Training des Vorhersagemodells GraphCast war zwar rechenintensiv, aber das fertige Modell arbeitet äußerst effizient. Für eine 10-Tage-Prognose benötigt GraphCast auf einem Google TPU v4-Rechner weniger als eine Minute. Im Gegensatz dazu kann die Erstellung einer gleichlangen Vorhersage mit herkömmlichen Methoden, wie dem HRES-Modell, auf einem Supercomputer mit hunderten Rechnern mehrere Stunden dauern.“
Mehr als eine Million Gitterpunkte decken gesamte Erdoberfläche ab
GraphCast ist ein Wettervorhersagesystem, das auf maschinellem Lernen und Graph Neural Networks basiert. Diese Technologie eignet sich besonders für die Analyse räumlich strukturierter Daten, wie sie in der Meteorologie vorkommen.
Das System generiert präzise Wettervorhersagen mit einer räumlichen Auflösung von 0,25 Grad in Länge und Breite, was einem Raster von etwa 28 km x 28 km am Äquator entspricht. Dies ermöglicht es, über eine Million Gitterpunkte auf der Erdoberfläche zu analysieren. GraphCast prognostiziert für jeden dieser Punkte fünf bodennahe Variablen – Temperatur, Windgeschwindigkeit, Windrichtung, mittlerer Luftdruck auf Meereshöhe – sowie sechs atmosphärische Variablen in 37 verschiedenen Höhenlagen, darunter spezifische Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit, Windrichtung und Temperatur.
Für das Training erhielt das KI-Modell für jede der Gitterzellen seiner Weltkarte die historischen Wetterdaten aus der Zeit zwischen 1979 und 2017. Und das in Sechs-Stunden-Abständen und für die genannten Parametern wie Temperatur, Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck. So trainiert, kann GraphCast nur vorhersagen, wie sich das Wetter in den nächsten 10 Tagen voraussichtlich entwickeln wird. Für diese Wetterprognose braucht die KI dann nur zwei Datensätze: die aktuellen Wetterdaten und die von sechs Stunden davor.
GraphCast kann auch extreme Wetterereignisse frühzeitig erkennen
Das KI-Modell kann laut des Forschungsteams von Google DeepMind nicht nur sehr gut das Wetter vorhersagen, sondern kann auch drohendes Extremwetter sehr viel besser erkennen als die gängigen Wettermodelle. Das gilt zum Beispiel für die Bewegung von Wirbelstürmen, oder ob ein wohltuender Regen oder eine überschwemmende Flut im Anmarsch ist. Das könnte in Zukunft dabei helfen, rechtzeitig Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.
Das Forschungsteam erläutert: „Unsere Analysen haben gezeigt, dass GraphCast auch extreme Wetterereignisse früher erkennen kann als herkömmliche Vorhersagemodelle, obwohl es nicht darauf trainiert wurde. Dies ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie das KI-Modell bei der Vorbereitung helfen kann, um Leben zu retten und die Auswirkungen von Stürmen und extremen Wetterereignissen auf Gemeinden zu verringern.“
GraphCast schlägt das europäische HRES-Modell
Die Effektivität der Wetterprognose von GraphCast wurde in einem Vergleich mit dem europäischen HRES-Modell getestet. Hierbei setzte sich GraphCast in 90,2 Prozent der 1.380 überprüften Variablen gegen HRES durch, wobei es vor allem in der Stratosphärenvorhersage unterlegen war. Ohne diese Ebene lag GraphCast sogar bei 99,7 Prozent der Fälle vorn.
Die KI zeigte auch bei der Vorhersage von Wetterextremen wie Hitzewellen und tropischen Wirbelstürmen eine höhere Zuverlässigkeit als HRES, obwohl sie dafür nicht speziell trainiert wurde. Dies unterstreicht die Robustheit und das Potenzial von GraphCast.
Dennoch gibt es Einschränkungen: Das KI-Modell offenbart Schwächen in der Darstellung der Vorhersageunsicherheiten, besonders bei langfristigen Prognosen. Es mangelt an Transparenz bezüglich der Zuverlässigkeit und der Wahrscheinlichkeit für Abweichungen.
Lassen sich gängigen Wettermodelle ersetzen?
Da GraphCast in den meisten Fällen zuverlässiger und genauer als HRES war, könnte man schlussfolgern, dass KI-Modelle die numerischen Modelle über kurz oder lang ersetzen könnten. Ganz so weit möchte das Team von Google DeepMint jedoch nicht gehen. Ihr KI-Modell habe jedoch bewiesen, dass sich das Wetter mithilfe lernfähiger Systeme auch ohne aufwendige numerische Modelle und Supercomputer vorhersagen lässt. „Dies markiert einen Wendepunkt in der Wettervorhersage“, schreiben sie.
Das Forschungsteam sieht das KI-Modell allerdings nicht als Konkurrenz oder Ersatz von gängigen numerischen Prognosemodellen. Diese seien auf auch in Zukunft unverzichtbar. „Aber unser Ansatz hat das Potenzial, die aktuell besten Prognosemethoden zu ergänzen und zu verbessern“, so das Team von Google DeepMint.
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