Dieser Mikrochip funktioniert wie ein „Mikrowellengehirn“
Daten in Rekordgeschwindigkeiten verarbeiten und dabei extrem wenig Energie benötigen – das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Doch genau das ist Forschenden der Cornell University gelungen. Ihr Mikrochip, den sie „Mikrowellengehirn“ nennen, könnte die Signalverarbeitung verändern.
Forschende haben das erste "Mikrowellengehirn" auf einem Chip gebaut.
Foto: smarterpix / savo74
In Ithaca, New York, ist einem Forschungsteam der Cornell University eine Weltpremiere gelungen: Sie haben einen neuartigen Mikrochip konstruiert, den sie aufgrund seiner Funktionsweise „Mikrowellengehirn“ nennen. Dieser Prozessor ist erstmals in der Lage, gleichzeitig ultraschnelle Datenströme und Funksignale zu verarbeiten. Dafür nutzt er physikalische Prinzipien aus dem Mikrowellenbereich. Erstmals wurden sämtliche Komponenten eines solchen Systems vollständig auf einem Siliziumchip integriert. Mit weniger als 200 Milliwatt Leistungsaufnahme kann der Chip in Echtzeit komplexe Berechnungen im Frequenzbereich ausführen – darunter Funksignale dekodieren, Radarziele verfolgen oder digitale Datenströme analysieren.
Laut Hauptautor Bal Govind, Doktorand an der Cornell University, ist der Chip flexibel einsetzbar: „Da er in der Lage ist, programmierbar über einen breiten Frequenzbereich hinweg sofort zu verzerren, kann er für verschiedene Rechenaufgaben umfunktioniert werden.“ Diese Fähigkeit beruht auf einem integrierten neuronalen Netzwerk, das der menschlichen Architektur des Gehirns nachempfunden ist. Die Schlüsselkomponenten bestehen dabei aus abstimmbaren Wellenleitern, in denen miteinander gekoppelte Modi erzeugt werden. Dieses Design ermöglicht es, Muster zu erkennen und aus Daten zu lernen. Anders als klassische Netze, die digitale, sequenzielle Operationen nutzen, arbeitet dieser Ansatz analog und nichtlinear, wodurch er Datenströme im zweistelligen Gigahertzbereich verarbeiten kann – erheblich schneller als gängige digitale Chips.
Mikrochip auch für hochkomplexe Aufgaben
Ein Grund für den entscheidenden Durchbruch war die unkonventionelle Herangehensweise. „Bal hat dafür viele konventionelle Schaltungsdesigns über Bord geworfen“, erklärt Alyssa Apsel, Professorin für Ingenieurwesen, die das Projekt gemeinsam mit Peter McMahon, Associate Professor für angewandte und technische Physik, leitete. „Anstatt zu versuchen, die Struktur digitaler neuronaler Netzwerke exakt nachzuahmen, schuf er etwas, das eher wie ein kontrollierter Brei aus Frequenzverhalten aussieht, der letztendlich eine hochleistungsfähige Berechnung ermöglicht.“ Der effiziente Mikrochip ist damit in der Lage, von einfachen logischen Funktionen bis zu hochkomplexen Aufgaben verschiedene Anforderungen zu bewältigen. Dazu zählen zum Beispiel das Erkennen von Bitsequenzen oder das Zählen von Binärwerten in Hochgeschwindigkeitsdaten. Sogar bei Klassifizierungstests mit drahtlosen Signaltypen erreichte er eine Genauigkeit von mindestens 88 Prozent. Damit ist er klassischen digitalen neuronalen Netzen ebenbürtig, benötigt jedoch deutlich weniger Energie und Platz – ein Vorteil, der vor allem bei mobilen Anwendungen von Bedeutung sein könnte.
Hauptautor Govind erklärt diesen Leistungsvorteil durch den „probabilistischen Ansatz“ der Hardware: Im Gegensatz zu herkömmlichen digitalen Verfahren wächst der Ressourcenbedarf hier nicht zwangsläufig mit der Komplexität der Aufgabe. Er beschreibt, dass selbst schwierige Berechnungen ohne zusätzlichen Schaltungsaufwand und ohne erhöhte Fehlerkorrektur durchgeführt werden können. Der effiziente Mikrochip verarbeitet Signale direkt in ihrer analogen Mikrowellenform und verzichtet auf zeitaufwendige Zwischenschritte, wie sie in digitalen Systemen üblich sind. Dadurch ist eine außergewöhnlich hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit möglich, die speziell in Bereichen gefragt ist, in denen große Datenmengen in Echtzeit analysiert werden müssen – etwa in der Radarerkennung oder bei der Auswertung von Kommunikationssignalen.
Ein effizienter Mikrochip für Sicherheit und mobile Anwendungen
Aufgrund seiner hohen Sensibilität gegenüber Eingangssignalen sehen die Forschenden den Chip auch als potentielles Werkzeug für Sicherheitsanwendungen. Besonders im Bereich der Anomalieerkennung in drahtlosen Kommunikationsnetzen über mehrere Frequenzbänder hinweg könnte er neue Maßstäbe setzen. Alyssa Apsel stellt sich darüber hinaus Szenarien im Edge-Computing vor: Durch weitere Optimierungen und vor allem eine nochmals geringere Leistungsaufnahme könne der effiziente Mikrochip direkt in Alltagsgeräte integriert werden – etwa in Smartwatches oder Smartphones. Dort ließen sich dann komplexe, KI-gestützte Modelle direkt auf dem Gerät trainieren und ausführen, ohne ständig auf Rechenzentren in der Cloud angewiesen zu sein. Das würde nicht nur die Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen, sondern auch Datenschutz und Energieeffizienz verbessern.
Noch befindet sich der Chip in der Entwicklungs- und Erprobungsphase. Dennoch zeigt sich das Team optimistisch, was seine Skalierbarkeit angeht. Gegenwärtig experimentieren die Forschenden, um die Präzision weiter zu steigern und die Technologie reibungslos mit bestehenden Plattformen der Mikrowellen- und digitalen Signalverarbeitung zu verbinden. Der effiziente Mikrochip ist Teil eines größeren Forschungsvorhabens, das von der „Defense Advanced Research Projects Agency“ unterstützt und in den Laboren der „Cornell NanoScale Science and Technology Facility“ durchgeführt wird, welche teilweise von der „National Science Foundation“ finanziert wird.
Ein Beitrag von: