Energiewende in der Brauerei 07.11.2025, 10:42 Uhr

Heißer als Lava: Heineken speichert Sonnenenergie bei 1200 °C

Heineken braut bald mit Sonnenlicht: Eine riesige Wärmebatterie speichert Solarstrom in über 1.000 °C heißen Steinen und erzeugt damit Dampf. Die 100-MWh-Anlage könnte zur Blaupause für andere Branchen werden.

Die 1000 °C heißen Schamottsteine fungieren als Wärmespeicher und ersetzen fossile Brennstoffe

Die 1000 °C heißen Schamottesteine fungieren als Wärmespeicher in der Heineken-Brauererei und ersetzen fossile Brennstoffe.

Foto: Rondo Energy

Heineken installiert in seiner Brauerei in Portugal die nach eigenen Angaben größte Wärmebatterie der Getränkeindustrie weltweit. Die 100-MWh-Anlage speichert überschüssigen Solarstrom in bis zu 1200 °C heißen Schamottesteinen und liefert daraus rund um die Uhr Dampf für den Brauprozess. Dabei ersetzt sie einen gasbetriebenen Dampfkessel – und spart CO₂ ein.

Wie funktioniert die Brauerei-Batterie?

Wie so oft bei modernen Dekarbonisierungstechnologien ist das Grundprinzip simpel. Tagsüber, wenn Solarstrom im Überfluss und – gerade in den portugiesischen Mittagsstunden – fast kostenlos verfügbar ist, laden elektrische Heizelemente die feuerfesten Keramiksteine der Batterie auf. Die verwendeten Schamottesteine können bis zu 1200 °C speichern.

Diese Speicherhitze nutzt Heineken im Laufe des Tages, um Wasser zu verdampfen. Die Batterie liefere 7 MW Prozessdampf bei über 100 bar Druck, meldete Rondo am 3. November – und das 24 Stunden am Tag. Für die Brauerei soll sich nichts ändern: Der Dampf sei identisch zu dem aus konventionellen Kesseln. Nur die CO₂-Emissionen eben nicht.

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„Wir brauchen Hochtemperatur-Dampf für unsere Brauprozesse – und genau das war bisher einer der am schwersten zu dekarbonisierenden Bereiche“, erklärt Magne Setnes, Chief Supply Chain Officer bei Heineken.

Effizienter als die Wärmepumpe?

Das Werk in Vialonga bei Lissabon hatte zuvor elektrische Wärmepumpen für die Erzeugung von Heißwasser genutzt. Doch für die Dampferzeugung fehlte eine effiziente Erdgas-Alternative.

Die Wärmebatterie des kalifornischen Unternehmens Rondo Energy soll diese Lücke schließen. Das Potenzial ließe sich auch für andere Branchen erschließen: Industrielle Prozesswärme macht 21 % des deutschen Endenergieverbrauchs aus, global gesehen ist es sogar ein Viertel. Bislang kommen hier vor allem fossile Brennstoffe zum Einsatz: ein riesiger Hebel für die Dekarbonisierung.

Dass die Technologie funktioniert, hat Rondo nach eigenen Angaben im vergangenen Monat bewiesen.  Mitte Oktober ging in Kalifornien eine baugleiche 100-MWh-Anlage in Betrieb, die eine Anlage zur Treibstoffproduktion mit Wärme versorgt. Gespeist wird die Batterie über eine 20-MW-Solaranlage. Nach zehn Wochen Testbetrieb lief das System laut Rondo zuverlässig im automatischen Dauerbetrieb. Der Wirkungsgrad des 1000-Grad-Speichers liege bei 97 Prozent.

Schamottesteine als Wärmespeicher

Blick auf die Schamottesteine. Sie nehmen Sonnenenergie auf und liefern Wärme und Strom für die Brauerei.

Foto: Rondo Energy

97 % Wirkungsgrad

Damit überträfe die Rondo-Technologie  selbst Carnot-Batterien mit Salzschmelze, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt noch im Labor entwickelt und für die ein Wirkungsgrad von 70 % angestrebt wird, wie  VDI nachrichten Ende 2024 meldete.

Die seit Oktober laufende Rondo-Anlage liefert so viel Wärme, wie 10.000 Heizsysteme für Wohnhäuser produzieren würden, teilte das Unternehmen mit. Dabei arbeite sie parallel zu bestehenden Gaskesseln ohne Änderungen an der bestehenden Infrastruktur. „Die Rondo Heat Battery hat sich nun im industriellen Maßstab bewiesen“, erklärte Rondo-CEO Eric Trusiewicz.

Das Speichermedium besteht lediglich aus Tonerdeziegel und Draht – gängige Materialien, die weder brennen noch explodieren können. Die Selbstentladung liegt laut Hersteller bei unter 1 % pro Tag.

Billiger als chemische Batterien?

Die Technologie profitiert von einer hohen Wirtschaftlichkeit: Die Installationskosten für Steinspeicher betragen laut Sandia National Laboratories 5 bis 10 Dollar pro kWh – nur rund ein Zehntel chemischer Batterien wie den bekannten Lithium-Ionen-Pendants. Denn: Die Batterie muss keinen Strom zurückliefern, sondern nur Wärme. Das können simple, feuerfeste Ziegel außerordentlich gut. Und: Der Verschleiß ist minimal.

Steine als Wärmespeicher sind dabei keine neue Erfindung: Bereits 2019 testete Siemens Gamesa in Hamburg einen 130-MWh-Speicher mit 1000 t vulkanischem Schotter. Der Versuch war technisch erfolgreich, aber wirtschaftlich ein Fehlschlag: Wie VDI nachrichten berichtete, gab es keinen kommerziellen Markt und der Rechtsrahmen war ungünstig. Rondo könnte nun eine Formel gefunden haben, die das Konzept marktfähig macht.

„Die iberische Halbinsel kann Europas kostengünstiger und CO₂-armer Industriestandort werden“, erklärte Rondo-CEO Trusiewicz. Die Bloomberg-Analystin Jenny Chase prognostiziert, dass bis 2030 in den meisten Ländern Solarstrom an sonnigen Tagen stundenweise praktisch kostenlos sein wird. Die Wärmebatterie erntet genau diese Überflüsse: Sechs Stunden günstiger Ladestrom – ob aus der neuen 7-Megawatt-Peak-Solaranlage auf dem Werksgelände oder aus dem Netz – reichen aus, um 24 Stunden Dampf zu produzieren.

Rondos kalifornische Anlage, die weltweit größte industrielle Wärmespeicherbatterie (die Heineken-Batterie wird dieselbe Größe haben).

Rondos kalifornische Anlage, die weltweit größte industrielle Wärmespeicherbatterie (die Heineken-Batterie wird dieselbe Größe haben).

Foto: Rondo Energy

Heat-as-a-Service

Heineken kauft den Dampf über ein Heat-as-a-Service-Modell vom portugiesischen Energieversorger EDP, der die Wärmebatterie zusammen mit der Solaranlage betreibt. Die Brauerei muss also weder in die Technologie investieren noch sich um deren Betrieb kümmern – und zahlt dennoch weniger als für fossil erzeugten Dampf.

Die Heineken-Anlage soll im April 2027 in Betrieb gehen. Finanziert wird das Projekt durch die Europäische Investitionsbank und Breakthrough Energy Catalyst mit insgesamt 75 Mio. €.

Rondo entwickelt und betreibt nach eigenen Angaben bereits Projekte auf vier Kontinenten und in fünf Industrien, darunter Chemie, Biokraftstoffe und Zement. Dass die Technologie nicht nur für nachhaltige Anwendungen genutzt wird, zeigt allerdings die kalifornische Referenzanlage: Dort versorgt die Wärmebatterie eine Ölförderungsanlage der Holmes Western Oil Corp.

Ein Beitrag von:

  • Magnus Schwarz

    Magnus Schwarz schreibt zu den Themen Wasserstoff, Energie und Industrie. Nach dem Studium in Aachen absolvierte er ein Volontariat und war mehrere Jahre als Fachredakteur in der Energiebranche tätig. Seit Oktober 2025 ist er beim VDI Verlag.

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