Solarenergie am Scheideweg: Wie Deutschland um die Zukunft kämpft
Nach der Pleite von Meyer Burger: Asien drückt die Preise, deutsche Firmen brechen ein. Hat die heimische Solarindustrie noch eine Zukunft?

Photovoltaik boomt, aber deutschen Herstellern droht das Aus. Was läuft schief?
Foto: PantherMedia / bilanol.i.ua
Die Solarenergie gilt als Schlüssel für eine klimafreundliche Stromversorgung und wirtschaftliche Chancen in Deutschland. Doch trotz technologischer Stärke kämpft die Branche mit günstiger Konkurrenz aus Asien, unklarer Förderung und Unternehmensinsolvenzen.
Inhaltsverzeichnis
- Bedeutung der Solarwirtschaft für Deutschland
- Geschichte der deutschen Solarwirtschaft
- Solarenergie in der Wachstumsphase
- Herausforderungen und Strukturwandel in der deutschen Solarindustrie
- Unklare Förderpolitik
- Die Rolle von Meyer Burger und die Insolvenz der Tochterfirmen
- Zukunftsaussichten der Solarbranche in Deutschland
- Herausforderungen der Branche
Bedeutung der Solarwirtschaft für Deutschland
Die Solarwirtschaft spielt eine wichtige Rolle für die Energiewende in Deutschland. Als Schlüsseltechnologie für eine klimafreundliche Stromerzeugung soll sie neben Windenergie dazu beitragen, das Land unabhängiger von fossilen Energieträgern zu machen und die Klimaziele der Bundesrepublik zu erreichen. Photovoltaik zählt zu den günstigsten Formen der Stromgewinnung und bietet zudem Potenzial für Beschäftigung und wirtschaftliches Wachstum – insbesondere in ländlichen Regionen.
Trotz dieser strategischen Bedeutung steht die Branche unter massivem Druck: Günstige Konkurrenz aus Asien, ungleiche Wettbewerbsbedingungen und zu viele Wettbewerber am Markt erschweren heimischen Herstellern das Überleben.
Ein aktuelles Beispiel ist die Insolvenz mehrerer Tochtergesellschaften des Schweizer Solarunternehmens Meyer Burger. Die Firma hatte versucht, eine wettbewerbsfähige Produktion von Solarmodulen in Deutschland aufzubauen – ein Vorhaben, das erstmal gescheitert ist, auch wenn der Betrieb vorerst weiterlaufen soll, da die Löhne für die Dauer von drei Monaten über das Insolvenzgeld abgesichert sind. Diese Entwicklung zeigt exemplarisch, wie wichtig verlässliche Rahmenbedingungen sind, um eine eigenständige europäische Solarproduktion zu sichern.
Geschichte der deutschen Solarwirtschaft
Die deutsche Solarwirtschaft blickt auf eine wechselhafte Geschichte zurück, die stark durch politische Weichenstellungen und technologische Entwicklungen geprägt wurde. Bereits in den 1990er-Jahren begann der gezielte Aufbau einer heimischen Solarindustrie. Einen entscheidenden Impuls setzte das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Jahr 2000, das durch garantierte Einspeisevergütungen Investitionen in Photovoltaiksysteme attraktiv machte. In der Folge erlebte die Branche ein rasantes Wachstum – sowohl bei der installierten Leistung als auch bei der Zahl der Unternehmen und Arbeitsplätze.
Deutschland wurde zu einem weltweiten Vorreiter in der Solartechnologie: Um 2010 war es der größte Markt für Photovoltaik weltweit und Heimat führender Hersteller von Solarmodulen, Wechselrichtern und Produktionstechnik. Unternehmen wie Q-Cells, SolarWorld oder SMA Solar genossen internationale Anerkennung. Doch ab 2012 geriet die Branche zunehmend unter Druck. Gründe waren unter anderem drastisch sinkende Modulpreise durch Überkapazitäten in China sowie eine Kürzung der Einspeisevergütungen. Viele deutsche Unternehmen mussten Insolvenz anmelden oder verlagerten ihre Produktion ins Ausland.
Solarenergie in der Wachstumsphase
Heute erlebt die Solarenergie in Deutschland eine neue Wachstumsphase – im Bereich der Module stark geprägt von Importen asiatischer Anbieter. Der russische Angriff auf die Ukraine ließ die Energiepreise in die Höhe schießen, viele Eigenheimbesitzer wollten mit Solaranlagen auf dem Dach unabhängiger von hohen Strompreisen werden.
In dieser Zeit ist vor allem die Zahl der PVA-Installateure stark gestiegen: Seit 2020 hat sich die Zahl laut Bundesverband des Solarhandwerks verdoppelt. Inzwischen sinkt die Nachfrage wieder, immer mehr Firmen buhlen um immer weniger Aufträge. Einer der Gründe: Es wird weniger Strom verbraucht als noch vor einigen Jahren prognostiziert, was zum Beispiel am schleppenden Ausbau der E-Mobilität sowie der Elektrolyse (Wasserstofferzeugung durch Strom) liegt.
Herausforderungen und Strukturwandel in der deutschen Solarindustrie
Zwar stieg die installierte Solarstromleistung in Deutschland nach Schätzung des Bundesverbands in 2024 um 14 Prozent beziehungsweise 17,5 Gigawatt. Aber die deutsche Solarindustrie sieht sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, die sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit auswirken.
Eine der größten Hürden ist der internationale Preisdruck – insbesondere durch chinesische Hersteller, die mit staatlicher Unterstützung und großem Produktionsvolumen Solarmodule zu sehr niedrigen Preisen auf den Weltmarkt bringen. Deutsche und europäische Produzenten können mit diesen Preisen oft nicht mithalten, da ihre Produktionskosten durch höhere Energiepreise und Umweltstandards in der Regel über dem chinesischen Niveau liegen.
Unklare Förderpolitik
Ein weiteres Problem ist die unklare und zum Teil inkonsistente Förderpolitik in Deutschland und Europa. Während der Ausbau der Photovoltaik im Rahmen der Energiewende politisch gewünscht ist, fehlt es auf der Industrieseite oft an gezielten Maßnahmen zur Stärkung der inländischen Fertigung – etwa durch Marktanreize, Schutzinstrumente oder strategische Beschaffung. Initiativen wie der EU-„Net-Zero Industry Act“ oder geplante Solarförderprogramme kommen bislang nur schleppend voran oder reichen nicht aus, um die Produktion in Europa nachhaltig zu sichern.
Infolge dieser schwierigen Marktbedingungen ist ein umfassender Strukturwandel in der Branche im Gange. Viele Unternehmen der ersten Generation – darunter einstige Vorzeigeunternehmen wie SolarWorld oder Q-Cells – haben den Markt verlassen oder wurden von ausländischen Investoren übernommen. Gleichzeitig entstehen neue Geschäftsmodelle entlang der Wertschöpfungskette – etwa in der Verbindung von Solartechnik mit Speicherlösungen, Mieterstrommodellen oder der Integration in Smart-Home-Systeme.
Die Rolle von Meyer Burger und die Insolvenz der Tochterfirmen
Meyer Burger war einer der letzten großen Hoffnungsträger für eine industrielle Solarzellen- und Modulproduktion „Made in Germany“. Das Schweizer Unternehmen mit Spezialisierung auf Maschinen zur Herstellung von Solarzellen belieferte weltweit führende Hersteller. Ab 2020 verfolgte Meyer Burger jedoch eine strategische Neuausrichtung: Statt nur Ausrüstung zu liefern, sollten selbst Solarzellen und -module in Europa produziert werden.
In Deutschland betrieb Meyer Burger dazu zwei zentrale Standorte: eine Solarzellenfabrik in Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) und eine Modulproduktion in Hohenstein-Ernstthal (Sachsen). Ziel war eine unabhängige europäische Wertschöpfungskette, die sich vom asiatischen Massenmarkt abgrenzen konnte. Das Vorhaben geriet zunehmend unter wirtschaftlichen Druck. Hauptursachen waren der Preisverfall bei Solarmodulen infolge asiatischer Überproduktion sowie das Ausbleiben zugesagter Fördermittel. Trotz technischer Exzellenz konnte Meyer Burger am Markt nicht kostendeckend verkaufen.
Die deutsche Modulproduktion in Freiberg (Sachsen) hatte Meyer Burger bereits im März 2024 geschlossen. Im Mai 2025 zog das Unternehmen nun weitere Konsequenzen: Die deutschen Tochterfirmen Meyer Burger (Industries) GmbH und Meyer Burger (Solar Modules) GmbH meldeten Insolvenz an. Das ist ein herber Rückschlag für die deutsche Solarindustrie. Sie zeigt, wie schwierig es derzeit ist, eine eigenständige europäische Produktion im globalen Wettbewerb aufrechtzuerhalten – selbst mit technologisch führenden Produkten.
Zukunftsaussichten der Solarbranche in Deutschland
Die deutsche Solarwirtschaft befindet sich 2025 in einer dynamischen Phase des Umbruchs und der Erneuerung. Aktuelle Trends zeigen, dass technologische Neuerungen und kreative Marktstrategien eine zentrale Rolle für die Zukunft der Branche spielen. Ein Fortschritt sind bifaziale Solarmodule, die Licht von beiden Seiten nutzen und somit eine höhere Energieausbeute ermöglichen. Auch Perowskit-Solarzellen gelten als zukunftsweisend – sie versprechen deutlich höhere Wirkungsgrade als bisherige Siliziumzellen und könnten mittelfristig den Markt verändern.
Ein weiterer Trend ist die zunehmende Einbindung der Photovoltaik in bestehende Infrastrukturen. Gebäudeintegrierte PV-Anlagen, sogenannte BIPV-Systeme, etwa in Form von Solarfassaden, gewinnen an Bedeutung – vor allem in Städten mit begrenzten Flächen für klassische Dachanlagen. Auch die Verknüpfung von Photovoltaik mit Elektromobilität, etwa durch Solardächer auf Parkplätzen oder Ladesäulen, wird vorangetrieben.
Herausforderungen der Branche
Trotz dieser positiven Entwicklungen steht die Branche auch vor erheblichen Herausforderungen. Die Konkurrenz aus China sorgt durch Dumpingpreise weiterhin für enormen wirtschaftlichen Druck auf europäische Hersteller. Gleichzeitig sind regulatorische Rahmenbedingungen in Deutschland noch nicht ausreichend stabil: Häufige Änderungen bei Einspeisevergütungen und Unsicherheiten bei der Förderung machen den Unternehmen langfristige Planungen schwer.
Die politischen Ziele bleiben aber ambitioniert. Bis 2030 soll die installierte Photovoltaik-Leistung in Deutschland auf 215 Gigawatt steigen. Um das zu erreichen, sind jährliche Zubauraten von 20 bis 22 Gigawatt notwendig – was zusätzliche Anstrengungen beim Netzausbau, bei der Fachkräftegewinnung und in der Lieferkette erfordert. Einige Bundesländer haben bereits eine Solardachpflicht für Neubauten eingeführt, eine PV-Pflicht bei Dachsanierungen soll ab 2026 folgen.
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