„Energiepreisspaltung“ 16.08.2025, 09:00 Uhr

Warum der Norden günstigen Strom will und der Süden tobt

Einige nord- und ostdeutsche Bundesländer wollen die einheitlichen Strompreise kippen – und damit günstiger werden als der Süden. Der Streit um Strompreiszonen spaltet und stellt die Bundesregierung vor eine heikle Frage: Einheit beibehalten oder regionale Unterschiede zulassen?

Strom

Strompreiszonen: Nord und Süd im Streit um einheitliche Preise.

Foto: panthermedia.net/WDGPhoto

Es ist ein Konflikt, der schon lange unter der Oberfläche schwelt – und nun mit neuer Wucht aufflammt: der Streit um mögliche Strompreiszonen. Mehrere norddeutsche Bundesländer fordern, das einheitliche Strompreissystem in Deutschland aufzugeben. Strom aus Windkraft, so das Argument, sei im Norden in großen Mengen und günstig verfügbar. Doch weil bundesweit der gleiche Börsenpreis gilt, profitieren auch Regionen, die selbst wenig grüne Energie erzeugen. Für Verbrauchende und Unternehmen im Norden sei das ungerecht.

Nach Angaben der dpa wollen Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Brandenburg deshalb die sogenannte Stromgebotszone aufteilen – ein Vorschlag, der im Süden auf Widerstand stößt und in Berlin auf wenig Begeisterung trifft.

Was ist eigentlich eine „Stromgebotszone“?

In Deutschland zahlen alle Verbrauchenden und Unternehmen derzeit denselben Börsenstrompreis – egal, ob sie in Flensburg oder München leben. Möglich macht das die einheitliche Stromgebotszone: Sie behandelt das Land wie eine einzige große „Kupferplatte“, auf der Strom ohne Engpässe fließen kann.

Die Realität sieht anders aus. Während der Norden immer mehr Windenergie produziert, fließt ein erheblicher Teil des Stroms Richtung Süden, wo große Industriezentren wie München, Nürnberg oder Stuttgart liegen. Die dafür nötigen Leitungen sind jedoch nicht ausreichend ausgebaut. Damit es trotzdem funktioniert, greifen die Netzbetreiber ein – indem sie beispielsweise Windräder im Norden abregeln und im Süden die teureren Kraftwerke hochfahren. Das kostet Milliarden, die über die Netzentgelte auf alle Verbraucherinnen und Verbraucher verteilt werden.

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Strompreiszonen: Der Plan aus dem Norden

Die Regierungschefs von vier nördlich gelegenen Bundesländern wollen diese einheitliche Zone abschaffen. In Regionen mit hoher erneuerbarer Erzeugung – also vor allem im Norden und Osten – soll der Strompreis sinken, im Süden entsprechend steigen. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sieht darin „einen starken marktwirtschaftlichen Anreiz für den Ausbau der Stromnetze und innovativer Technologien“. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) argumentiert ähnlich: Wenn der Netzausbau stocke, könne die Aufteilung in Preiszonen ein Teil der Lösung sein.

Im Kern versprechen sich die Befürworter zwei Dinge: Erstens sollen die Regionen belohnt werden, die ihre erneuerbaren Kapazitäten frühzeitig und massiv ausgebaut haben. Zweitens soll der höhere Druck auf die teureren Regionen deren Netzausbau und Investitionen in Wind- oder Solarenergie beschleunigen.

Bloß keine Strompreiszonen: Der Süden wehrt sich

In Bayern und Baden-Württemberg schrillen dagegen die Alarmglocken. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sprach gegenüber der dpa von einem „Angriff auf die großen Wirtschaftsstandorte im Süden“. Wer den Strom dort künstlich teurer mache, schade nicht nur Bayern, „sondern dem ganzen Land“.

Die Sorge der südlichen Bundesländer: Energieintensive Industrien könnten abwandern – etwa dorthin, wo der Strom günstiger ist. Auch Arbeitsplätze stünden somit auf dem Spiel. Der Süden will deshalb weiter auf einheitliche Preise und einen beschleunigten Netzausbau setzen, um mehr Windstrom aus dem Norden in ihre Fabriken zu bekommen.

Wie steht die Bundesregierung zu möglichen Strompreiszonen?

Die Bundesregierung hat klar gemacht, dass sie an der einheitlichen Stromgebotszone festhalten will. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums verwies laut dpa auf einen entsprechenden Koalitionsbeschluss: Die Vorteile einer einheitlichen Preiszone würden überwiegen – unter anderem, weil sie kein zusätzliches regionales Ungleichgewicht schaffe. Zudem sieht das Ministerium Fortschritte beim Netzausbau, etwa beim Bau der großen Nord-Süd-Trassen wie „Südlink“. Kritiker halten dagegen: Bis diese Leitungen wirklich in Betrieb gehen, können noch Jahre vergehen.

Warum der Streit um die Strompreiszonen so kompliziert ist

Auf den ersten Blick klingt die Idee ja einfach: Dort, wo viel Strom produziert wird, sollte er günstiger sein. Allerdings ist das deutsche Energiesystem kompliziert verflochten. Viele Stromlieferungen passieren mehrere Bundesländer, bevor sie bei Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen. Regionale Preiszonen würden das Marktgeschehen spürbar verändern.

Im Norden könnten private Haushalte und Unternehmen von niedrigeren Preisen profitieren. Auch neue Industrien – etwa Hersteller von Wasserstoff oder Batteriezellen – könnten sich dort ansiedeln. Im Süden dagegen würden die Stromkosten steigen, was mitunter die Wettbewerbsfähigkeit schwächen könnte.

Das bestehende System führt zudem bei Netzengpässen zu erheblichen Redispatchkosten – zuletzt mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr. Internationale Vergleiche zeigen, dass Länder wie Schweden, Norwegen, Dänemark oder Italien bereits mit mehreren Strompreiszonen arbeiten. Zwölf renommierte Energieökonomen kritisieren das deutsche System als volkswirtschaftlich ineffizient und plädieren für lokale Preise, um physikalische Gegebenheiten besser abzubilden.

Andere Expertinnen und Experten warnen hingegen vor einer „Energiepreisspaltung“: Regionen mit ohnehin schwächerer Wirtschaftskraft und schlechterer Energieinfrastruktur könnten noch weiter ins Hintertreffen geraten.

Stromerzeugung und -verbrauch: Wo stehen die Bundesländer?

Die Debatte um Strompreiszonen lässt sich am besten verstehen, wenn man sich die Unterschiede zwischen den Bundesländern bei Stromerzeugung und -verbrauch ansieht. Während einige Länder deutlich mehr produzieren, als sie selbst benötigen, sind andere auf Importe angewiesen. Diese strukturellen Unterschiede prägen die Interessen in der aktuellen Diskussion.

Netto-Exportländer – viel Windkraft, dünn besiedelt: Diese Länder erzeugen dauerhaft mehr Strom, als sie verbrauchen. Das führt zu großen Exportmengen, insbesondere in den windreichen Küstenregionen.

  • Schleswig-Holstein hat eine sehr hohe Einspeisung aus Windkraft sowie einen klaren Exportüberschuss.
  • Niedersachsen hat 2023 erstmals mehr Strom aus erneuerbaren Energien produziert als verbraucht, die Tendenz ist weiter steigend.
  • Mecklenburg-Vorpommern hat einen der höchsten Ökostrom-Anteile bundesweit und einen deutlichen Produktionsüberschuss.
  • Brandenburg hat große Wind- und Photovoltaikkapazitäten und ist traditionell stark exportorientiert.
  • Sachsen-Anhalt punktet mit hohem Windkraft- und Biomasseanteil und ist tendenziell ebenfalls eher exportierend.

Länder mit ausgeglichener oder wechselnder Bilanz: Sie liegen in manchen Jahren knapp im Plus, in anderen leicht im Minus. Die Bilanz hängt stark von Erzeugungsbedingungen und Verbrauchsentwicklung ab.

  • Nordrhein-Westfalen hat traditionsbedingt immer noch eine hohe Stromproduktion aus Kohle und Gas, zunehmend aber auch aus erneuerbarer Energie. Zugleich ist NRW größter Verbraucher. 2023 lag die Einspeisung bei rund 95 TWh.
  • Sachsen nutzt einen Energiemix aus Braunkohle, Gas und einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien. Das Lang weist meist eine Nullbilanz auf.
  • Thüringen hat einen steigenden Anteil an Wind- und Solarenergie sowie einen geringen Verbrauch und steht tendenziell ausgeglichen da.
  • Rheinland-Pfalz baut Windkraft und Photovoltaik stark aus, hat aber einen hohen industriellen Verbrauch; je nach Jahr ist die Bilanz leicht negativ oder positiv.

Netto-Importländer mit hohem Verbrauch und geringer Eigenerzeugung: Diese Bundesländer müssen einen großen Teil ihres Strombedarfs aus anderen Regionen oder dem Ausland decken:

  • Bayern ist nach dem Kernenergie-Ausstieg deutlich importabhängig, trotz Photovoltaik-Ausbau bleibt aktuell stets ein Defizit.
  • Baden-Württemberg hat einen sehr hohen Verbrauch und ist trotz relevanter Wasserkraft- und PV-Erzeugung struktureller Importeur.
  • Hessen hat im Vergleich mit anderen Bundesländern eine geringe Eigenerzeugung und ist klarer Netto-Importeur.
  • Das Saarland hat als kleinstes Flächenland einen verhältnismäßig hohen Industrieanteil und ist daher importabhängig.
  • Berlin, Hamburg, Bremen: Die Stadtstaaten haben als Ballungsgebiete einen hohen Verbrauch bei flächenbedingt minimaler Eigenerzeugung und somit einen Stadtstaat-typischen Importbedarf.

Bundesweit: Deutschland war 2023 erstmals seit 2002 Netto-Stromimporteur mit rund +11,7 TWh beziehungsweise etwa 2,3 Prozent des Verbrauchs. 2024 stiegen die Importe weiter an. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung lag 2023 bei 56 Prozent und stieg 2024 auf rund 59 Prozent.

Strompreiszonen: Was ist für die Zukunft zu erwarten?

Die Idee, Deutschland in mehrere Strompreiszonen zu unterteilen, ist nicht neu. Schon früher gab es Vorschläge, die aber am politischen Widerstand vor allem aus dem Süden scheiterten. In anderen Ländern Europas sind Strompreiszonen längst gängige Praxis. Schweden etwa hat vier Preiszonen, Italien noch mehr. Dort wirken sich Engpässe im Netz allerdings unmittelbar auf den Strompreis vor Ort aus. Ob Deutschland irgendwann diesen Weg gehen wird, ist aktuell unklar. Die Bundesregierung scheint vorerst nicht bereit, die Einheit der Stromgebotszone aufgeben zu wollen.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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