Natrium-Batterien: USA ziehen vorbei, Deutschland bleibt im Labor
In den USA entsteht bald der größte Natrium-Batteriespeicher der Welt. Welche Vorteile bietet die Technologie – und wie weit ist ihre Entwicklung in Deutschland?
Batteriespeicher mit Natrium-Ionen-Technologie von Peak Energy.
Foto: Peak Energy
Das US-Start-up Peak Energy hat vergangene Woche einen Paukenschlag gelandet: Bis zu 4,75 GWh Natrium-Ionen-Batteriespeicher will das erst zwei Jahre alte Unternehmen zwischen 2027 und 2030 an Jupiter Power liefern, einen Betreiber von Batteriespeichern für das Stromnetz. Vertragswert: über 500 Mio. $.
Es wird ein Rekordprojekt. Bereits die für 2027 geplante erste Tranche soll mit einer Kapazität von 720 GWh die bislang größte Lieferung von Natrium-Ionen-Batterien weltweit werden. Mehr zu der Technologie, den Unternehmen und den Hintergründen.
Inhaltsverzeichnis
Was produziert Peak Energy?
Die Batterien des Start-ups sollen preislich mit aktuellen Industriestandards wie LFP-Systemen (Lithium-Eisenphosphat) vergleichbar sein, dabei aber deutlich niedrigere Betriebs- und Wartungskosten bieten. Sie basieren auf Natrium-Eisen-Phosphat-Pyrophosphat (NFPP) und nutzen ein passives Kühlsystem.
Der Vorteil: Während Speicher auf Lithium-Ionen-Basis aktive Kühlsysteme mit Pumpen, Lüftern und Klimaanlagen benötigen, kommen die Natrium-Speicher ohne wartungsintensive Zusatzkomponenten aus. Das reduziert die Betriebskosten und den Hilfsenergieverbrauch. Nach Angaben von Peak Energy liegt Letzterer sogar um bis zu 97 % niedriger als bei vergleichbaren Systemen. Darüber hinaus könne die Degradation der Zellen über einen Zeitraum von 20 Jahren fast 30 % geringer ausfallen als bei Lithium-Systemen. Betreiber müssen also seltener Batterieeinheiten nachrüsten, um die Kapazität ihrer Netzspeicher aufrechtzuerhalten.
„Vom ersten Tag an haben wir geglaubt, dass Natrium-Ionen die Gewinnertechnologie für netzgebundene Speicher sein wird“, erklärte Landon Mossburg, CEO und Mitgründer von Peak Energy, in einer Pressemitteilung vom 12. November.
Wer ist Peak Energy?
Im Juli 2025 hatte das Unternehmen sein erstes Natrium-Ionen-Speichersystem ans US-Stromnetz angeschlossen, angeblich als das erste seiner Art in den Vereinigten Staaten. Ein halbes Jahr zuvor konnte Peak Energy in einer Serie-A-Finanzierung rund 55 Mio. $ einsammeln.
Im Oktober feierte das Start-up dann mit 47 Kunden und Entwicklungspartnern den Start des Systems in Denver und präsentierte Live-Daten aus dem laufenden Betrieb. Die Pilotprojekte mit neun Versorgungsunternehmen und unabhängigen Stromerzeugern (Independent Power Producers, IPPs) laufen seitdem im Echtbetrieb.
Am 12. November folgte der Großauftrag des texanischen Speicherunternehmens Jupiter Power. Ab 2027 plant das Unternehmen den Bau einer Gigafabrik in den USA.
Warum sind Natrium-Batterien interessant?
Natrium ist extrem häufig verfügbar – es kommt unter anderem in Kochsalz vor – und damit günstiger als Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder Nickel. Das macht Natrium-Ionen-Batterien kosteneffizienter und resilienter gegenüber geopolitische Abhängigkeiten. Zudem gelten die Batterien als sicherer: Natrium ist weniger reaktionsfreudig als Lithium und neigt kaum zur Dendritenbildung, die Kurzschlüsse verursachen kann.
Ein weiterer Vorteil: Die Batterien funktionieren auch bei extremer Kälte. Der chinesische Batteriehersteller CATL nennt eine Entladungsrate von über 90 % bei -20 °C, Peak Energy behauptet sogar eine Funktionsfähigkeit bis -40 °C. Diese Vorzüge kommen vor allem bei Großspeichern zum Tragen, wo Volumen und Gewicht weniger kritisch sind als bei Elektroautos.
Der Nachteil: Die Energiedichte liegt mit 140 Wh/kg bis 175 Wh/kg deutlich unter der von Lithium-Ionen-Batterien (200 Wh/kg bis 280 Wh/kg). Für E-Fahrzeuge mit hohen Reichweitenanforderungen sind Natrium-Batterien daher weniger geeignet – dafür umso mehr für stationäre Speicheranlagen, die zum Beispiel dabei helfen können, Phasen mit weniger erneuerbarer Energie im Stromnetz (sog. Dunkelflauten) abzufedern.
Wie weit ist Deutschland beim Thema Natrium-Batterien?
Auch in Deutschland spielen Natrium-Batterien daher eine Rolle. Allerdings befinden sich die meisten Projekte noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase. Zu den bekanntesten gehören:
- SIB:DE FORSCHUNG: Das größte deutsche Konsortium zum Thema startete Anfang 2025 unter der Koordination des Chemiegiganten BASF mit 21 Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Dazu zählen das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), mehrere Fraunhofer-Institute, das ZSW Ulm und diverse Helmholtz-Institute. Das BMBF unterstützt das Vorhaben mit 14 Mio. €. Der Fokus liegt auf der Drop-in-Fähigkeit, also der Möglichkeit, Natrium-Zellen mithilfe bestehender Lithium-Produktionslinien zu fertigen. Bis Ende 2027 soll eine „Empfehlung zur Umsetzbarkeit eines industrialisierbaren Prozesses“ entstehen, die als Schnittstelle zum geplanten Folgeprojekt „SIB:DE ENTWICKLUNG“ dient. Übergeordnetes Ziel: der Aufbau eines umfassenden Ökosystems für die Natrium-Batterie-Produktion in Deutschland.
- ENTISE: Das von Batteriehersteller Varta geleitete Konsortium erhält 7,5 Mio. € vom BMBF. 15 Partner entwickeln darin Zellen für Elektromobilität und Energiespeicherung. Ziel ist eine Kleinserie von Rundzellen bis Mitte 2027.
- BMZ Group: Der Batterieproduzent aus Karlstein am Main geht einen kommerzielleren Weg. Seit Sommer 2025 produziert das Unternehmen über seine Tochterfirma TerraE zylindrische und prismatische Natrium-Ionen-Zellen. Zielmarkt sind Heim- und Industriespeicher für Photovoltaikanlagen – allerdings in deutlich kleineren Dimensionen als bei Peak Energy.
Wie ist die Situation auf dem Weltmarkt?
Im globalen Wettbewerb führt China. Der staatliche Energiekonzern Datang Group betreibt seit Juni 2024 einen Natrium-Ionen-Speicher mit 50 MW/100 MWh in der Provinz Hubei – aktuell noch der weltweit größte seiner Art. Der Batterieriese CATL, bereits Weltmarktführer bei Lithium-Ionen-Zellen, hat die Massenproduktion von Natrium-Batterien etabliert und für Ende 2025 die zweite Generation mit einer höheren Energiedichte von 175 Wh/kg angekündigt. Die chinesische Dominanz bei Lithium-Batterien könnte sich also im Natrium-Bereich fortsetzen.
Die USA versuchen mit Start-ups wie Peak Energy aufzuholen. Der Kontrast zu Deutschland ist augenfällig: Während Peak Energy innerhalb von vier Monaten vom ersten Netzanschluss zu einem Vertrag mit einer halben Milliarde Dollar Volumen kam und China im kommerziellen Betrieb ist, arbeiten die deutschen Konsortien noch an den Grundlagen. Forschungsprojekte wie SIB:DE und ENTISE zielen auf Demonstratoren und Kleinserien – erst danach könnte die Produktion in einem größeren Umfang starten.
Die deutsche Strategie ist dabei grundsätzlich sinnvoll: Mit der Konzentration auf Drop-in-Fähigkeit wollen die Institute die initialen Investitionskosten für die Serienproduktion senken. Doch damit die Pilotprojekte 2027 tatsächlich fortgesetzt werden sollen, muss die industrielle Skalierung unmittelbar folgen. Sonst droht der Bundesrepublik wie schon bei Wind- und Solartechnologie die Rolle der Technologieentwicklerin, während andere den lukrativen Markt unter sich aufteilen.
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