Klimaneutral bis 2040: Mit diesen Großprojekten will Hamburg es schaffen
Hamburg hat entschieden: 2040 soll die Stadt klimaneutral sein – fünf Jahre früher als geplant. Wir zeigen, welche Großprojekte die Hansestadt dafür jetzt stemmen muss.
Die zweitgrößte Stadt Deutschlands will in 15 Jahren klimaneutral sein. Dafür braucht es nun Tempo bei wichtigen Großprojekten.
Foto: mauritius images / hifografik
Das Ergebnis war eindeutig: 53,1 % sprachen sich beim Volksentscheid am Sonntag für ein früheres Erreichen der Klimaschutzziele aus. Die Hansestadt muss demnach ihre für 2045 angepeilte Klimaneutralität auf 2040 vorziehen – auch, wenn nur 43,6 % der Wahlberechtigten abgestimmt haben. Für Ingenieure bedeutet das: Mehr Tempo – vor allem bei den Großprojekten, die die Transformation voranbringen sollen.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) erklärte am Montag, die ersten Änderungen gebe es erst ab 2030 – die aktuelle Legislatur will der Senat unverändert fortführen. Allerdings sei das 2040-Ziel nur mit Unterstützung vom Bund erreichbar. Doch was genau ist der Klimaplan, welche Änderungen sieht er vor und welche Großprojekte sind konkret geplant?
Inhaltsverzeichnis
Ein Update für den Klimaplan
2015 veröffentlichte die Stadt Hamburg ihren Klimaplan. Darin nennt der Senat nicht nur seine Klimaziele, sondern auch, wie sie erreicht werden sollen. Im Hamburgischen Klimaschutzgesetz sind die Ziele zudem gesetzlich verankert. Alle vier Jahre erhält der Plan eine Aktualisierung, zuletzt im Winter 2023.
Bisher galt: 70 % CO₂-Reduktion bis 2030, vollständige Klimaneutralität bis 2045. Dazu gibt es konkrete Einsparziele für vier Sektoren – Industrie, Gewerbe-Handel-Dienstleistung, Private Haushalte und Verkehr. Werden die Ziele verfehlt, muss der Senat mit Sofortprogrammen gegensteuern. Durch den Volksentscheid kommen jetzt jährliche Zwischenziele und ein regelmäßiges Monitoring hinzu.
Doch das ist nur der Anfang. Ein von der Stadt im Jahr 2023 beauftragtes Gutachten des Hamburg Instituts und des Öko-Instituts nennt drastische Änderungen, die die Stadt jetzt umsetzen muss.
Klimaneutralität braucht Transformation auf allen Ebenen
- Gebäude und Wärme: Alle Gas- und Ölkessel müssen laut dem Gutachten durch klimafreundliche Alternativen wie Wärmepumpen oder Fernwärme ersetzt werden. Zugleich rät der Text zu einer vollständigen Stilllegung des gesamten Erdgasnetzes. Das sei technisch möglich, aber „logistisch und sozial herausfordernd“ – Stichwort Fachkräftemangel.
- Industrie: Betriebe müssen ihre fossilen Prozesse vollständig auf grünen Wasserstoff oder E-Fuels umstellen. Um den dadurch entstehenden Wasserstoffbedarf zu decken, empfehlen die Autoren des Gutachtens Wasserstoff-Importe und den Bau neuer Elektrolyseure.
- Strom: Der Anteil von Strom am Energiemix steigt von 36 % im Jahr 2023 auf 52 % im Jahr 2040. Daraus folgt: Erneuerbare Energien – insbesondere Offshore-Wind aus der Nordsee und Photovoltaik (PV) – müssen drastisch ausgebaut werden. Das Gutachten hält dies nur durch regionale Kooperation mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen für realistisch.
- Mobilität: Nötig ist nicht weniger als die vollständige Elektrifizierung aller Pkw und Busse sowie ein Großteil des Güterverkehrs. Wasserstoff könnte für Lkw, Schifffahrt und eventuell den Flugverkehr relevant sein. Der Schienenverkehr soll nahezu vollständig elektrisch werden, die Hafenlogistik teilweise auf Wasserstoff oder E-Fuels umstellen.
- Carbon Management: Ergänzend nennt das Gutachten CCS (Carbon Capture and Storage) oder CDR (Carbon Dioxide Removal), um Restemissionen aus der Industrie zu kompensieren. Allerdings gibt es in Hamburg noch keine entsprechende Infrastruktur.
Kosten: Das Gutachten spricht von mehreren Milliarden Euro jährlich. Besondere Kostentreiber sind die Wärmewende und der Ausbau der Stromnetze.
Fünf Leuchtturmprojekte in der Hansestadt

Das Gelände des ehemaligen Kohlekraftwerks Moorburg.
Foto: mauritius images / Westend61 / Patrice von Collani
1. 100-MW-Elektrolyse in Moorburg
Das Projekt: Am Standort des stillgelegten Kohlekraftwerks Moorburg baut das Hamburg Green Hydrogen Hub (HGHH)-Konsortium eine Elektrolyseanlage mit einer 100 MW Leistung. Langfristig hält die Projektgruppe einen Ausbau auf bis zu 800 MW für realistisch. Das würde sie zu einer der größten Elektrolyseanlagen Europas machen. Parallel soll in Hamburg ein Wasserstoffverteilnetz mit circa 40 km Länge für Abnehmer aus Industrie und Mobilität entstehen.
Die Technik: Der für die Elektrolyse benötigte Ökostrom kommt über Power Purchase Agreements (PPAs) aus Offshore-Windparks und PV-Anlagen. Das Wasser wird aus der Elbe entnommen und aufbereitet. Die beim Elektrolyseprozess entstehende Abwärme (13 MW) soll ins Fernwärmenetz eingespeist werden – genug für bis zu 6.000 Haushalte.
Status und Förderung: Das Kraftwerk ging im Dezember 2023 in das Eigentum der Hamburger Energiewerke über. Der Rückbau der alten Kraftwerksanlagen ist fast abgeschlossen, erste Arbeiten zur Festigung des Baugrunds für die Elektrolyseanlage auf einer Fläche von 16.000 m² haben begonnen. Die Inbetriebnahme des 100-MW-Elektrolyseurs ist im Laufe des Jahres 2026 geplant. Ab 2027 sollen dann jährlich mindestens 10.000 t grüner Wasserstoff erzeugt werden.
2. Deutschlands größtes Industrie-Fernwärmeprojekt bei Aurubis
Das Projekt: Die Hamburger Energiewerke und der Kupferhersteller Aurubis nutzen seit Anfang des Jahres Abwärme aus Aurubis‘ Kupferwerken für die Fernwärmeversorgung. Das Projekt gilt als Deutschlands größtes Vorhaben zur Nutzung von Fernwärme aus der Industrie.
Die Technik: Die Wärme entsteht in der Kontaktanlage von Aurubis im Süden Hamburgs. Hier gewinnt das Unternehmen in mehreren Prozessschritten Schwefelsäure. Der Prozess ist eine exotherme chemische Reaktion, bei der CO2-freie Wärme entsteht: Aurubis erhitzt Wasser auf etwa 105 °C und leitet es an die Hamburger Energiewerke weiter. Diese speichern das Wasser in einem Druckwärmespeicher mit 4 Mio. l Fassungsvermögen – etwa so viel wie das große Sportbecken der Alsterschwimmhalle. Die Wärmetransportleitung ist auf bis zu 60 MW Kapazität ausgelegt; 40 MW davon haben die Hamburger Energiewerke unter Vertrag genommen.
Status: Die Anlage ist seit der Heizperiode 2024/25 in Betrieb und versorgt bis zu 20.000 Vier-Personen-Haushalte mit klimaneutraler Wärme. Bis zu 100.000 Tonnen CO2 sollen dabei pro Jahr eingespart werden – das entspricht den Emissionen von etwa 42.000 Mittelklasse-PKW, die jeweils 12.000 km pro Jahr fahren.
3. Batterie- und Brennstoffzellenbusse bei der Hochbahn
Das Projekt: Das Hamburger Verkehrsunternehmen Hochbahn setzt seit 2020 ausschließlich auf emissionsfreie Busse. Über 330 Batteriebusse sind bereits im Einsatz – ein Drittel der Gesamtflotte. Seit März 2025 ergänzen fünf Brennstoffzellenbusse des Herstellers Solaris die Flotte.
Die Technik: Der Solaris Urbino 12 hydrogen verfügt über eine 70 kW-Brennstoffzelle, fünf Wasserstofftanks auf dem Fahrzeugdach und zwei Elektromotoren mit je 125 kW Leistung. Mit einer Wasserstoffbetankung soll der 12-Meter-Bus 350 km zurücklegen können – bei Platz für rund 70 Fahrgäste. Betankt wird an der H2 Mobility Tankstelle am Hamburger Flughafen.
Status und Förderung: Der erste Bus ging im Februar 2025 in Betrieb, vier weitere Fahrzeuge folgten im Frühjahr.

Containerterminal Burchardkai, das größte Terminal der HHLA im Hamburger Hafen.
Foto: mauritius images / Volker Preusser
4. Klimaneutrale Logistik am Hamburger Hafen
Das Projekt: Auch die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) will bis 2040 klimaneutral sein. Seit September testet das Unternehmen dafür wasserstoffbetriebene Schwerlastfahrzeuge und Terminalgeräte direkt im Realbetrieb am Container Terminal Tollerort (CTT). Die HHLA hatte zunächst auf batterieelektrische Lösungen gesetzt, doch die Elektrifizierung stieß bei Schwerlastgeräten im 3-Schicht-Betrieb an ihre Grenzen, wie Projektleiterin Karin Debacher gegenüber dem Portal H2-News.de erklärte.
Die Technik: Ein wasserstoffbetriebener Van-Carrier wird erstmals im Containerumschlag eingesetzt und über die neue Wasserstofftankstelle am Terminal betankt. Die modularen Antriebskonzepte sollen nicht nur emissionsfrei arbeiten, sondern auch mit wenigen Modifikationen zwischen Hybrid-, Elektro- oder Wasserstoffbetrieb wechseln können.
Status und Förderung: Erkenntnisse zu Betrieb, Sicherheit, Wartung und Betankung werden direkt im Cluster gesammelt und sollen die zukünftige breite Umsetzung der Technologie beschleunigen.
5. Resiliente Stromnetze im Siemens-Projekt
Das Projekt: Stromnetz Hamburg und Siemens testen in einem Pilotprojekt die Digitalisierung des Niederspannungsnetzes. Das Konzept: „Köpfchen statt Kabel“ – intelligente Steuerung statt massiver Netzausbau. Die Idee: Ohne smarte Laststeuerung könnten die Niederspannungsnetze die geplante Hochskalierung von E-Mobilität und Wärmepumpen nicht bewältigen. Das Projekt schafft also die Voraussetzung für ein funktionierendes Gesamtsystem.
Die Technik: Siemens hat eine IT-Infrastruktur entwickelt, die den stabilen Betrieb der Niederspannungsnetze sichern soll. Dezentral überwachte und gesteuerte Heimladestationen entlasten die Netze und verhindern kostspieligen Netzausbau.
Status und Förderung: Das Pilotprojekt „Dezentrales Monitoring und Steuerung privater Ladeeinrichtungen in Niederspannungsnetzen“ läuft derzeit. Mit den gewonnenen Erkenntnissen wollen die Projektpartner ihre Betriebsführung an die Erfordernisse von Stromnetz Hamburg anpassen und für einen späteren Roll-out weiterentwickeln.
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