Brandgefahr gebannt? So schützen Forschende Lithium-Metall-Batterien
Zwei neue Verfahren machen Lithium-Metall-Batterien sicherer: gegen Kurzschluss per Schutzschicht, gegen Brand durch integrierten Flammschutz.
Für die Energiewende braucht es leistungsstarke Batterien: Lithium-Metall-Akkus könnten eine Lösung sein. Forschende aus Südkorea und China haben unterschiedliche Konzepte entwickelt, um sie sicherer zu machen.
Foto: Smarterpix / Frank-Peters
Lithium-Metall gilt als Hoffnungsträger für die nächste Generation wiederaufladbarer Batterien. Die hohe Energiedichte dieses Metalls verspricht deutlich leistungsfähigere Akkus – kompakter, leichter und mit mehr Reichweite. Doch diese Technologie hat einen gravierenden Nachteil: Die Sicherheitsrisiken sind erheblich.
Anders als bei klassischen Lithium-Ionen-Batterien liegt das Lithium in diesen Zellen in metallischer Form vor. Das spart Platz, steigert die Kapazität – macht das System aber auch deutlich anfälliger für interne Reaktionen. Zwei Gefahren stehen dabei im Zentrum: Dendriten, die durch das Metall wachsen und Kurzschlüsse verursachen, sowie thermische Instabilität, die zu Bränden oder Explosionen führen kann.
Inhaltsverzeichnis
Wie lassen sich die Gefahren reduzieren?
Einige der Risiken sind nicht neu. Dennoch schreitet die Forschung voran, denn das Potenzial dieser Technologie ist enorm – gerade im Kontext von Elektromobilität und stationären Speichern. Zwei aktuelle Studien zeigen, wie sich die Gefahren deutlich reduzieren lassen: Die eine kommt aus Südkorea, die andere aus China.
Beide verfolgen unterschiedliche, aber vielversprechende Ansätze. Während das eine Forschungsteam den gefährlichen Kurzschluss durch eine neue Schutzschicht verhindert, setzt das andere auf einen eingebauten Flammschutz, der bei Überhitzung automatisch aktiviert wird.
Was sind Lithium-Metall-Batterien?
Lithium-Metall-Batterien gelten als nächste Entwicklungsstufe wiederaufladbarer Energiespeicher. Im Gegensatz zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus verwenden sie metallisches Lithium als Anodenmaterial.
Vorteile:
• Sehr hohe Energiedichte (bis zu 10× höher als bei Lithium-Ionen)
• Geringes Gewicht bei kompakter Bauweise
• Potenzial für längere Laufzeiten in Elektrofahrzeugen und mobilen Geräten
Herausforderungen:
• Bildung von Dendriten kann zu Kurzschlüssen führen
• Risiko von Bränden bei Überhitzung
• Hohe Empfindlichkeit gegenüber Feuchtigkeit und Luft
Forschungsschwerpunkte:
• Mechanischer Oberflächenschutz zur Vermeidung von Dendritenbildung
• Integrierte Flammschutzmittel zur Erhöhung der thermischen Sicherheit
• Kompatibilität mit industriellen Fertigungsprozessen
Transferdruck aus Südkorea – Schutzschichten gegen Dendritenwachstum
Widmen wir uns zunächst der südkoreanischen Studie. Mithilfe einer neuen Transferdrucktechnologie bringen die Forschenden eine schützende Schicht auf die empfindliche Lithiumoberfläche auf – gleichmäßig, stabil und ganz ohne Lösungsmittel.
Warum Dendriten zur Gefahr werden
Der größte Vorteil von Lithium-Metall-Batterien liegt in ihrer Energiedichte. Sie können – zumindest theoretisch – zehnmal mehr Energie speichern als herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus. Doch genau das macht sie auch anfällig. Beim Laden und Entladen entsteht auf der Lithiumanode eine sogenannte SEI – eine feste Zwischenschicht zwischen Lithium und Elektrolyt.
Diese reagiert jedoch ständig mit dem Umfeld, verändert sich bei jedem Zyklus und bleibt damit instabil. Das wiederum begünstigt die Bildung von Dendriten – haarfeinen, nadelartigen Strukturen, die aus dem Metall herauswachsen und die Trennschicht zwischen Anode und Kathode durchbrechen können. Die Folge: Kurzschlüsse und potenziell sogar Brände.
Vor allem bei sehr dünnen Lithiumschichten, wie sie in leistungsstarken Zellen verwendet werden, wirken sich kleinste Störungen an der Grenzfläche besonders kritisch aus. Jede Unebenheit, jeder Defekt kann den Dendritenwuchs beschleunigen. Genau hier setzt das Forschungsteam am Korea Research Institute of Chemical Technology (KRICT) an.
Schutz durch Transferdruck
Die Lösung der südkoreanischen Forschenden besteht aus einer Schutzschicht, die per Transferdruck auf das empfindliche Lithium aufgebracht wird – ganz ohne Lösungsmittel und in industrietauglicher Qualität. Das Besondere: Die Schicht wird zunächst auf ein Trägermaterial – zum Beispiel Aluminiumfolie – aufgetragen und erst dann auf das Lithium laminiert. Der Vorteil: Die Lithiumoberfläche kommt nie direkt mit Flüssigkeiten in Kontakt, was das Risiko für Schäden deutlich reduziert.
Die Forschenden testeten zwei Varianten:
- eine Doppelschicht aus Aluminiumoxid und Gold
- eine Hybridstruktur aus Keramikpartikeln und Polymeren
Beide Typen ließen sich gleichmäßig auf Zellformate von 245 × 50 Millimetern aufbringen – mit einer extrem dünnen Schicht von nur 5 Mikrometern.
Dr. Jungdon Suk, Projektleiter am KRICT, fasst es so zusammen: „Diese Studie kombiniert neuartige Schutzmaterialien und ein skalierbares Transferdruckverfahren, um die kritischen Herausforderungen der Grenzflächeninstabilität und der Einschränkungen bei der Nassverarbeitung in Lithium-Metall-Batterien zu überwinden.“
Deutlich stabilere Leistung
Die Ergebnisse sind vielversprechend. In Pouch-Zellen – flachen Akkus, wie sie in vielen Geräten zum Einsatz kommen – behielten die beschichteten Lithium-Anoden auch nach 100 Ladezyklen noch 81,5 % ihrer ursprünglichen Kapazität. Zum Vergleich: Ohne Schutzschicht sinkt diese Zahl deutlich schneller. Die sogenannte Überspannung, also der Spannungsverlust im Inneren der Zelle, lag bei nur 55,34 Millivolt – ein niedriger Wert. Die coulombische Effizienz, die das Verhältnis von geladener zu entladener Energie beschreibt, erreichte 99,1 % – ebenfalls ein gutes Zeichen für stabile Prozesse im Inneren der Batterie.
Auch bei starker Beanspruchung funktionierte das System. In einem Belastungstest entluden die Forschenden die Batterie innerhalb von 9 Minuten vollständig – ein extremer Fall, der in der Praxis vor allem bei Schnellladevorgängen eine Rolle spielt. Selbst dabei blieb die Restkapazität bei 74,1 % – laut Forschungsteam ein Hinweis darauf, dass die Schutzschicht auch unter Druck stabil bleibt.
Wie die Technik genau funktioniert
Die Herstellung der Schutzschicht beginnt mit einer viskosen Mischung aus keramischen Nanopartikeln und Polymeren. Diese Mischung tragen die Forschenden auf eine Aluminiumfolie auf, wo sie zu einer flexiblen, aber stabilen Schicht aushärtet. In einem zweiten Schritt wird die Schutzschicht per Walzenpresse unter kontrolliertem Druck auf das Lithiummetall aufgebracht.
Das eingesetzte Hybridmaterial basiert auf einem feinmaschigen Polymernetzwerk, das mit einer speziellen Keramik auf Basis von Aluminium-dotiertem Lithium-Lanthan-Zirkonoxid (Al-LLZO) verstärkt ist. Diese Struktur sorgt dafür, dass das Material sowohl stabil als auch gut leitfähig für Lithium-Ionen bleibt. So kann der Strom weiterhin fließen – Dendriten hingegen werden am Wachstum gehindert.
Industrietauglich und skalierbar
Ein zentrales Argument der Forschenden: Das Verfahren lässt sich in bestehende Produktionslinien integrieren. Das Schutzmaterial passt zu gängigen Pouch-Zellenformaten, und die geringe Schichtdicke von nur wenigen Mikrometern zeigt, dass hier nicht nur im Labor, sondern mit Blick auf die Massenfertigung gedacht wurde.
Das Team hat die Ergebnisse in zwei Fachartikeln in der Zeitschrift Energy Storage Materials veröffentlicht. Beide Varianten – die Aluminiumoxid-Gold-Schicht und das Hybridmaterial – wurden dort ausführlich beschrieben. Auch eine mögliche Übertragung auf Festkörperbatterien oder Lithium-Schwefel-Systeme halten die Forschenden für realistisch.
Hier geht es zur Originalpublikation
Eingebauter Flammschutz – Chinas Antwort auf das Überhitzungsrisiko
Ein chinesisches Forschungsteam des Institute of Chemistry der Chinese Academy of Sciences hat eine Lithium-Metall-Batterie mit einem Flammschutzmittel ausgestattet, das bei Gefahr Brände durch Überhitzung vermeiden kann. Damit ausgestattete Geräte sollen so besser vor Bränden geschützt sein. Schauen wir uns diese Methode genauer an.
Wenn Batterien Feuer fangen
Neben der Gefahr durch Kurzschlüsse ist Überhitzung eines der größten Risiken von Lithium-Metall-Batterien. Sie enthalten nicht nur leicht entflammbare Bestandteile, sondern erzeugen unter bestimmten Bedingungen auch selbst brennbare Gase. Das geschieht vor allem dann, wenn die hochreaktive Lithium-Anode mit einer sogenannten nickelreichen Kathode kombiniert wird – ein Aufbau, der in leistungsstarken Batterien häufig vorkommt.
Die Kombination aus Metall und oxidischem Kathodenmaterial kann bei Wärmeentwicklung chemisch reagieren. Dabei entstehen Gase, die sich leicht entzünden lassen. Wenn eine Batterie – etwa durch äußere Einflüsse oder durch innere Fehlfunktionen – stark erhitzt wird, kann dies eine Kettenreaktion auslösen: Gasbildung, Entzündung, Brand oder sogar Explosion.
Polymer mit Auslöserfunktion
Das chinesische Forschungsteam setzt genau hier an. Ihr Konzept: ein integriertes Flammschutzmittel, das im Inneren der Batterie schlummert und erst bei Überhitzung aktiv wird.
Konkret handelt es sich um ein spezielles Polymer, das in die Kathode eingebaut wird. Bei normalen Betriebstemperaturen bleibt es inaktiv. Wird jedoch die kritische Grenze von 100 °C überschritten, beginnt das Polymer zu zerfallen – und setzt dabei Radikale frei, also hochreaktive Moleküle. Diese greifen in den elektrochemischen Prozess ein und verhindern die Bildung brennbarer Gase. So bleibt die Batterie auch bei thermischer Belastung stabil.
Test bei steigender Temperatur
Um die Wirkung des Materials zu überprüfen, simulierten die Forschenden eine schrittweise Erwärmung von Lithium-Metall-Batterien – jeweils mit und ohne eingebautes Flammschutzmittel. Bereits bei 100 °C setzte in beiden Fällen eine deutliche Reaktion ein. Doch während die klassische Batterie schnell außer Kontrolle geriet, blieb die Batterie mit dem Schutzpolymer stabil.
Ab 120 °C stieg die Temperatur der Standardzelle weiter an – sie erreichte schließlich über 1000 °C. Nach 13 Minuten entzündete sie sich selbstständig. Im Vergleich dazu blieb die Batterie mit integrierter Schutzfunktion bei maximal 220 °C – ohne Flammen, ohne Explosion.
Die Schutzfunktion wirkt also nicht präventiv im klassischen Sinn, sondern reaktiv: Erst bei beginnender Gefahr wird sie aktiv. Das ist besonders interessant für den Einsatz in Geräten, die unter wechselnden Bedingungen arbeiten – etwa in mobilen Endgeräten oder Elektroautos.
Keine großen Änderungen im Produktionsprozess
Ein weiterer Vorteil: Die Technik lässt sich mit nur geringen Modifikationen in bestehende Produktionslinien integrieren. Das Polymer wird direkt in die Kathodenstruktur eingebaut, ohne dass der grundsätzliche Aufbau der Batterie geändert werden muss. So entstehen keine zusätzlichen Schichten, die das Volumen oder Gewicht erhöhen würden.
Diese Eigenschaft könnte darüber entscheiden, ob die Technologie eine Chance auf breite Anwendung bekommt. Denn ein sicherer Akku allein reicht nicht – er muss sich auch wirtschaftlich und industriell sinnvoll herstellen lassen. Genau das erfüllt der Ansatz der chinesischen Forschenden.
Eignung für E-Mobilität und Geräte
Bislang galten Lithium-Metall-Batterien als ungeeignet für viele Anwendungen – vor allem wegen ihrer Neigung zur Überhitzung. Das trifft insbesondere auf Elektrofahrzeuge zu, bei denen sich Zellen stark erwärmen können. Auch in mobilen Geräten mit engem Bauraum war das Risiko bislang zu hoch.
Mit der neuen Flammschutztechnik könnten sich diese Vorbehalte relativieren. Die Forschenden sind überzeugt, dass ihre Methode die Tür für den Einsatz von Lithium-Metall-Zellen in der E-Mobilität öffnet. Auch stationäre Energiespeicher könnten von der zusätzlichen Sicherheit profitieren.
Hier geht es zur Originalpublikation
Zwei Wege zu mehr Sicherheit bei Lithium-Metall-Batterien
Beide Forschungsteams verfolgen das gleiche Ziel – eine stabilere, sichere Lithium-Metall-Batterie –, setzen aber auf unterschiedliche Methoden. Die Gruppe aus Südkorea konzentriert sich auf den Schutz vor Dendritenwachstum, der mithilfe eines lösungsmittelfreien Transferdruckverfahrens realisiert wird. Diese Technik zeigt, dass sich auch empfindliche Lithiumoberflächen großflächig und gleichmäßig schützen lassen – und das in Zellformaten, die sich industriell umsetzen lassen.
Die chinesische Forschungsgruppe hingegen adressiert das thermische Risiko, das sich aus internen Reaktionen bei Überhitzung ergibt. Ihr reaktives Flammschutzpolymer funktioniert wie ein eingebauter Not-Aus – es bleibt im Normalbetrieb inaktiv, verhindert aber bei Erreichen kritischer Temperaturen die Entstehung brennbarer Gase. Damit eignet sich die Technik besonders für Szenarien mit hohem Sicherheitsbedarf.
Beide Ansätze zeigen, dass Lithium-Metall-Batterien kein technischer Blindgänger bleiben müssen. Die Schwächen der Technologie sind bekannt – und gezielte Materialforschung liefert Lösungen, die sich sowohl in der Praxis erproben lassen als auch mit bestehenden Prozessen kompatibel sind.
Ein Beitrag von: