Batteriezellen: Kooperation und Nischenmärkte als Schlüssel zum Erfolg für Europa
Europas Batteriezellproduktion steht am Scheideweg. Die richtigen Lernkurven und Kooperationen sind jetzt gefragt, zeigen die Battery Production Days des Fraunhofer FFB.
Battery Production Days 2025: Achim Kampker (li.), Institutsleiter der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle (FBB), zeigt zur Eröffnung die Perspektiven für die deutsche Batterieherstellung auf.
Foto: Stephan W. Eder
„Wir sind jetzt in diesem Tal der Tränen“, beschreibt Achim Kampker, Institutsleiter der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB), die Lage der deutschen und auch europäischen Batteriebranche. Kampker hat da wohl den Technologie-Hype-Cycle der Unternehmensberatung Gartner im Kopf: Nach der Euphorie, die eine neue Technologie nach oben pusht, kommt unweigerlich das Tal der Desillusionierung, dem erst dann der Übergang in ein langsam wachsendes Plateau der profitablen Wirtschaftlichkeit folgt.
Ein etwas düsterer Auftakt von Kampker zu den Battery Production Days der FFB in Münster. Wenngleich Kampker feststellt: „Grundsätzlich ist das ein normaler Vorgang.“ Man habe einen Marathon vor sich, das sei allen klar. Was aber in den letzten Jahren passiert sei, sei „eben teilweise auch als ein Sprint geplant gewesen und nicht als Marathon“. Viele Unternehmen hätten die Herausforderung der Lernkurve unterschätzt, die der Aufbau einer Gigafactory mit sich bringt, vor allem auch in Deutschland.
Allein das Bauen der entsprechenden Hallen habe in jedem Bundesland seine eigenen Herausforderungen, zum Beispiel beim Brandschutz. Zu schnell sei man von der Prototypen- in die Großserienphase gegangen: „Das ist halt megaanspruchsvoll und wahrscheinlich ein Schritt zu viel“ gewesen. „Es ist keine triviale Sache, diese Gebäude zu errichten“, betont auch George Hull vom Automobilzulieferer und Batteriehersteller AESC in Großbritannien. Dort ist gerade eine neue Gigafab im Bau, die bis zum Jahresende ihre Produktion aufnehmen soll.
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Kooperation und Kompetenz
„Lernen tut man beim Tun“, sagte Kampker als Fazit – ein Hinweis auf die Bedeutung derart praktischer Erfahrung. Der Aufbau von „Zentren und Kooperationen“ sei ein Erfolgsfaktor, ebenso wie der neue Blick auf Nischenmärkte. Dort könne man spezialisierte Produkte entwickeln, die über klassische Automotive-Anwendungen hinausgingen: „Batterie brauchen wir nicht nur im Automotive-Bereich, sondern in vielen, vielen anderen.“
Es gelte, nach Dual-Use-Modellen zu schauen, in der Logistik, der Luftfahrt, in Kombination mit Brennstoffzellen oder in der Landwirtschaft. Der Markt erweitere sich hin zu diesen Anwendungsfeldern. Um die zu erobern, so Kampker, seien die Anpassungsfähigkeit und die Nähe zum Kunden ganz entscheidend.
Einen dieser nischigen Beispielmärkte stellte in Münster Norbert Szimhardt von Diehl Energy Products vor. Batterien seien ein absoluter Wachstumsmarkt im Wehrtechniksektor. Szimhardt ist für das Produktmanagement bei der Diehl-Tochter verantwortlich und zentral auch für den Neubau der Batteriefertigung, die bis Ende des Jahres stehen soll.
Bei den Thermal- oder Hochtemperaturbatterien, wie sie bei militärischen Raketen und in der Raumfahrt zum Einsatz kommen, erwarte man ein Wachstum von 3000 Stück/Jahr (2024) auf 17.000 im Jahr 2027. Bei Fuze-Batterien, die als Zünderbatterien in Munition genutzt werden, erwarte man ein Wachstum von 36.000 auf 290.000 pro Jahr.
Gigafab-Träume, die bisher nicht in Erfüllung gingen
Dennoch prägen Pleiten, Absagen und Projekte on hold in den letzten zwei Jahren die Stimmung. In Deutschland kündigte Porsche Ende August an, die Fabrik der Tochterfirma Cellforce in Kirchentellinsfurt im November 2025 zu schließen. Während in Schweden Northvolt im Sommer in die Insolvenz ging, ist die Tochterfirma in Heide (Schleswig-Holstein) zwar nicht direkt betroffen, doch der Produktionsstart wird sich verzögern: hohe Baukosten, Fachkräftemangel und gestiegene Energiekosten.
Der chinesische Hersteller SVolt stoppte 2024/25 seine Pläne für eine Batteriezellproduktion im Saarland und in Brandenburg. ACC (Automotive Cells Company), das Joint Venture von Stellantis, Mercedes-Benz und TotalEnergies, korrigierte die eigenen Produktionsziele im Jahresverlauf nach unten. Im Februar stellte TotalEnergies das Unternehmen infrage.
Blick nach Europa sieht das nicht rosiger aus
Britishvolt ging Anfang 2023 in die Insolvenz, nachdem es nicht gelang, ausreichende private und staatliche Mittel für den Bau der geplanten Gigafactory in Blyth zu sichern (Quelle: Financial Times, 2023). Italvolt, 2021 mit ehrgeizigen Plänen für eine Großanlage nahe Turin gestartet, strich drei Jahre später die Segel und befindet sich in Liquidation.
Auch die Pläne der norwegischen Freyr Battery verliefen 2024 endgültig im Sand: 4 Mrd. NOK (ca. 340 Mio. €) wurden in die Fabrik in Mo i Rana investiert. Aus Freyr Battery wurde durch den Einstieg des chinesischen Solarriesen Trina Solar Ende vergangenen Jahres das Solarunternehmen T1 in Austin, Texas.
„Fast alle haben die gleichen Fehler gemacht. Das heißt, da auch zu kooperieren und auszutauschen, macht größtenteils Sinn“, zieht Kampker ein Fazit, auch wenn aus Compliance-Gründen klar sei, dass es bestimmte Grenzen gebe. „Der Aufbau eines starken deutschen und europäischen Batteriesystems von der Forschung über die Produktentwicklung bis zur Industrialisierung“ ist laut VDA-Chefin Hildegard Müller „von zentraler Bedeutung“.
Vorbild Großbritannien
Nicht, dass die Briten nicht wüssten, dass Pläne schiefgehen könnten – siehe Britishvolt, aber wie der von Kampker geforderte kooperative Ansatz aussehen kann, lässt sich in Europa bereits seit Jahren auf der Insel bestaunen. Richard LeCain, Cheftechnologe vom UK Battery Industrialisation Centre (UKBIC), gab in Münster Einblick in seine Arbeit.
Die Engländer sind den Deutschen mit ihrem FBB einige Jahre voraus. Eine Stufe unterhalb der Gigafab-Ebene halten sie eine industrielle Fertigung für Rund- und Pouchzellen bereit. Kunden können kommen und ihre Ideen ausprobieren. Das UKBIC liegt strategisch mitten im Herzen der britischen Automobilindustrie, in Coventry.
„Wir helfen den Unternehmen, sich vor allem schmerzhafte Lernkosten zu ersparen. Bevor sie eine teure Maschine einkaufen, können sie bei uns ausprobieren, was sie sich vorstellen.“ Als Erfolg sieht LeCain durchaus, wenn die Kunden nach Hause gehen und ihre Pläne lieber noch einmal überdenken. Statt einer großen Fehlinvestition. Und das Thema Compliance ist für LeCain sehr wichtig, wie er auf Nachfrage erläuterte. Da würde helfen, dass die UKBIC-Belegschaft teilweise auch aus der Automobilbranche komme und diese Thematik daher sehr gut kenne.
Auch das FBB soll solch ein Nukleus des Erfahrungsaustausches werden. Die Einrichtung in Münster wird weiter ausgebaut. Sie soll mit neuen Technologien und industriellen Produktionslinien dazu beitragen, Batteriezellen neuer Technologien ökonomisch und ökologisch nachhaltiger zu fertigen. Die Produktionsforschung wird bis Ende 2027 auf über 20.000 m² erweitert. Forschung und Industrie können alle wichtigen Prozessschritte entlang der Wertschöpfungskette unter realen Bedingungen erproben.
„Wir brauchen mehr Kooperation“, betonte auch VDA-Chefin Hildegard Müller in ihrem Grußwort als Schirmherrin der Battery Production Days. Für den dafür notwendigen Austausch sei die Veranstaltung „der richtige Rahmen“.
Europas Batterieproduktion: Zwischen Ernüchterung und Neuausrichtung
Europa steht beim Hochlauf einer kontinentalen Wertschöpfungskette für Lithium-Ionen-Batterietechnologien an einem Scheideweg. Der globale Wettbewerb, vor allem mit China, zeigt: Kopieren allein reicht nicht – das war der falsche Ansatz.
„Warum brauchen wir eine neue Strategie? Nun, ich denke, alle wissen die Antwort, weil das, was wir tun, nicht funktioniert“, sagt Raf Goossens, Gründer und CEO des belgischen Automatisierungsspezialisten und Batterieherstellers PEC. „Die Unternehmen, die noch da sind, betteln nach Geld. Mehr Geld? Extra-Geld.“ Aus seiner Sicht, ein Fass ohne Boden.
Seine Kritik richtet sich gegen einen Ansatz, der zu lange auf das Nachbilden ausländischer Erfolgsmodelle gesetzt habe: „Die Copy-and-Paste-Strategie ist nicht erfolgreich.“ PEC selbst trennt mit einem Verfahren, das sich hybride Zellfertigung nennt, die Elektrodenproduktion von der Zellassemblierung und der anschließenden Aktivierung, anstatt alles an einem Gigafab-Standort zu haben. Das vereinfachere die Logistik (Brandschutz) und flexibilisiere die Produktion auch lokal, betont Goossens.
Vom Kopieren zum Verstehen
Die Idee, erfolgreiche Produktionssysteme zu kopieren, ist historisch gesehen nicht neu. Nur könne es für Europa nicht klappen, so Goossens, der seit Jahrzehnten in der Branche unterwegs ist. „Wir haben in Europa eine andere Grundlinie“ – gemeint sind die zugrunde liegenden Kosten. Da, wo das Kopieren erfolgreich war, ging dies immer von einer hohen Grundlinie zu einer niedrigen Grundlinie. „Aber was wir jetzt versuchen, ist, dies von einer niedrigen Basislinie zur hohen Basislinie zu bringen. Und das funktioniert nicht.“
Kampker ergänzt: „Wir müssen uns fragen: Was kann unser Beitrag sein, damit wir erfolgreich sind.“ Der Anteil des Batteriemarkts am Gesamtumsatz des deutschen Fertigungssektors liegt derzeit bei rund 1 % von 2,4 Billionen €. Allein das Marktpotenzial für Elektrofahrzeugbatterien in Europa werde sich bis 2030 auf 54 Mrd. € verdreifachen, so die Marktbeobachter von Deloitte im September.
Technologie, Tempo und künstliche Intelligenz
Europa setzt inzwischen stark auf neue Werkzeuge und Entwicklungsansätze wie auch auf die Nachfolgetechnologien. „Ein weiterer Baustein ist das schnelle Entwickeln über KI“, so Kampker. Zwar könne künstliche Intelligenz nicht selbstständig „eine Zelle entwickeln, und die macht das dann“ – doch ließe sich „zum Beispiel erkennen, welche Testprozeduren und -set-ups man benutzen“ müsse. Man arbeite daran, „Systeme deutlich besser zu trainieren, als wir das bisher machen“. Kampker betont: „Wir gehen davon aus, dass es tatsächlich möglich ist, auf die Hälfte bis auf ein Drittel der Entwicklungszeit für das Thema Zelle zu kommen.“
Die Stärke der deutschen OEMs im Automobilbereich sieht Björn-Ingo Hogg, Zellspezialist bei BMW, darin, diese Zellen in Packs und in fertige Produkte zu bringen und die dazugehörigen Produktionsverfahren auch weltweit erfolgreich auszurollen.
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