Gigawatt-Welle 29.12.2025, 19:50 Uhr

Batteriegroßspeicher im Fokus: Was geht? Was nicht?

Speicher-Boom in Deutschland: Gigawatt-Projekte stützen das Netz. Doch was leisten Batterien bei Dunkelflauten? Technik und Markt im Überblick.

Batteriegroßspeicher

Rekordzubau bei Großbatterien: Wie Arbitrage den Markt treibt und warum der Netzanschluss zum Nadelöhr wird.

Foto: picture alliance/dpa | Frank Molter

Das Wichtigste in Kürze
  • Rasanter Ausbau: Deutschland verzeichnet 2025 einen „Batterie-Tsunami“ mit hunderten neuen Projekten im Gigawatt-Bereich.
  • Wirtschaftlichkeit: Sinkende Preise für LFP-Zellen und Gewinne aus dem Stromhandel (Arbitrage) machen Großspeicher attraktiv.
  • Netzstabilität: Batterien reagieren in Millisekunden und übernehmen Aufgaben klassischer Kraftwerke, wie die Frequenzhaltung bei 50 Hertz.
  • Technik-Trend: Lithium-Eisenphosphat (LFP) verdrängt andere Zellchemie aufgrund höherer Sicherheit und längerer Lebensdauer.
  • Grenzen: Batterien können keine mehrtägigen Dunkelflauten überbrücken; hierfür sind weiterhin Gaskraftwerke oder Wasserstoff nötig.
  • Hürden: Lange Genehmigungszeiten und begrenzte Netzkapazitäten bremsen den Realisierungsprozess vieler Anträge.

 

Die deutsche Energielandschaft erlebt aktuell eine fundamentale Transformation. Es geht nicht mehr nur um den Bau neuer Windräder oder Solarparks. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen nun riesige Anlagen, die Strom nicht nur erzeugen, sondern für den richtigen Moment vorhalten.

Batteriegroßspeicher (Battery Energy Storage Systems, BESS) haben sich von teuren Pilotprojekten zu einer tragenden Säule der Infrastruktur entwickelt. In ganz Deutschland entstehen derzeit Projekte in einer Größenordnung, die vor wenigen Jahren noch undenkbar schien. Doch während die Kapazitäten rasant wachsen, zeigen sich auch die physikalischen und regulatorischen Grenzen dieser Technologie.

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Warum der Markt für Speicher jetzt explodiert

Noch vor einem Jahrzehnt waren große Batterien eine Nische für Forschungsprojekte. Heute planen Unternehmen Systeme mit mehreren hundert Megawatt Leistung. Dieser Boom hat handfeste wirtschaftliche Gründe. Einer der wichtigsten Faktoren ist der massive Preisverfall bei der Hardware.

Seit dem Jahr 2010 sanken die Kosten für Lithium-Ionen-Batterien um mehr als 75 %. Gunnar Wrede vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft erklärt diesen Trend so: „Bei Lithium-Ionen-Batterien gab es eine große Kostenreduktion.“

Diese Ersparnis macht Projekte rentabel, die früher unwirtschaftlich waren. Parallel dazu hat die Politik Anreize geschaffen. Wer einen Speicher bis Ende 2028 ans Netz bringt, profitiert 20 Jahre lang von einer Befreiung bei den Netzentgelten. Das senkt das Risiko für Investoren erheblich.

Stromhandel als zusätzlicher Treiber

Ein weiterer Treiber ist das neue Geschäftsmodell des Stromhandels. An der Börse treten immer häufiger negative Preise auf, wenn zu viel Wind- oder Sonnenstrom im Netz ist. Speicherbetreiber kaufen diesen Strom günstig ein und verkaufen ihn Stunden später teurer wieder.

Die Differenz zwischen dem niedrigsten und höchsten Preis lag im Jahr 2024 im Schnitt bei über 100 Euro pro Megawattstunde. Da die Volatilität durch den Ausbau der Erneuerbaren zunimmt, bleibt dieses Modell für Investoren attraktiv.

Die Technik hinter den Megaprojekten

Technisch hat sich in den letzten zwei Jahren ein klarer Favorit durchgesetzt: die Lithium-Eisenphosphat-Zelle (LFP). Frühere Anlagen nutzten oft Nickel-Mangan-Cobalt-Batterien (NMC), die zwar eine höhere Energiedichte besitzen, aber teurer und empfindlicher sind. LFP-Zellen bieten hingegen eine höhere thermische Stabilität. Das verringert das Risiko eines thermischen Durchgehens – also eines Brandes, der sich kaum löschen lässt. Für die Genehmigung von Anlagen in der Nähe von Umspannwerken oder Wohngebieten ist dieser Sicherheitsaspekt entscheidend.

Zudem verzichtet die LFP-Technik auf Kobalt und Nickel. Das macht die Projekte unabhängiger von den schwankenden Rohstoffmärkten dieser Metalle. Ein weiterer Vorteil ist die Langlebigkeit. Diese Zellen überstehen deutlich mehr Ladezyklen ohne großen Leistungsverlust. Das ist für Betreiber wichtig, die ihre Batterien zweimal täglich voll laden und entladen, um Gewinne am Strommarkt zu maximieren.

Moderne Anlagen arbeiten zudem fast durchweg auf der 1500-Volt-Ebene. Das reduziert Verluste beim Stromtransport innerhalb der Anlage. Ein technologischer Sprung gelingt derzeit bei den Wechselrichtern. Frühere Systeme folgten passiv der Netzfrequenz. Neue, netzbildende Wechselrichter können hingegen selbstständig eine stabile Spannung und Frequenz bereitstellen. Das ist nach einem Blackout für den Wiederaufbau des Netzes notwendig.

Ein Blick auf die wichtigsten Projekte in Deutschland

Die Liste der Großprojekte wächst monatlich. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über einige der bedeutendsten Vorhaben und deren Status Ende 2025.

Projektname Bundesland Status (Dez 2025) Leistung (MW) Kapazität (MWh) Betreiber
Gundremmingen Bayern Im Bau 400 700 RWE
Klostermansfeld Sachsen-Anhalt Vorbereitung 1000 5700 Zelos Energy
Förderstedt Sachsen-Anhalt Im Bau 300 714 Eco Stor
Kupferzell Baden-Württ. Im Bau 250 250 TransnetBW
Philippsburg Baden-Württ. Geplant ca. 400 800 EnBW
Bollingstedt Schleswig-Holst. In Betrieb 103,5 238 Eco Stor
Dahlem NRW Im Bau 100 203 Kyon / TotalEnergies

Strategische Standorte: Kraftwerksruinen werden zu Speicherknoten

Ein interessanter Trend ist die Standortwahl. Viele Entwickler zieht es dorthin, wo früher Atom- oder Kohlekraftwerke standen. In Gundremmingen nutzt RWE die Infrastruktur des ehemaligen Kernkraftwerks. Peter Heydecker, Vorstand bei EnBW, erläutert die Aufgabe dieser Speicher so:

„Großbatteriespeicher haben im Energiesystem der Zukunft die Aufgabe, kurzfristig zwei Seiten miteinander in Einklang zu bringen: die wetterabhängige Erzeugungsleistung der erneuerbaren Energien und den tatsächlichen Strombedarf von Haushalten, Gewerbe und Industrie.“

Standorte wie Philippsburg sind ideal, weil dort bereits leistungsstarke Umspannwerke und Netzanschlüsse existieren. Das spart Millionen an Kosten für neue Leitungen. Studien zeigen, dass allein auf stillgelegten Kraftwerksflächen bis zu 25 % des deutschen Speicherbedarfs realisiert werden könnten.

Das Mammutprojekt „van Gogh“ in Klostermansfeld

Besondere Aufmerksamkeit verdient das Projekt in Klostermansfeld in Sachsen-Anhalt. Die Berliner Firma Zelos Energy plant dort eine Anlage mit 5,7 Gigawattstunden Kapazität. Das ist eine Dimension, die herkömmliche Vorstellungen sprengt. Rechnerisch könnte dieser Speicher sechs Stunden lang ein Gigawatt Leistung liefern.

Für die kleine Gemeinde mit 3000 Einwohnern ist es die größte Investition ihrer Geschichte. Die Anlage entsteht auf einer versiegelten Industriebrache. Sorgen um den Verlust von Ackerland gibt es hier nicht. Stattdessen profitiert der Ort von Gewerbesteuern und Investitionen in die Infrastruktur, wie etwa dem Breitbandausbau oder der Sanierung öffentlicher Gebäude. Der Bürgermeister Frank Ochsner begleitet das Projekt eng, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu sichern.

Netzbooster: Die schnelle Eingreiftruppe der Netzbetreiber

Nicht alle Speicher dienen dem Stromhandel. Sogenannte Netzbooster haben eine rein technische Aufgabe. Ein Beispiel ist das Projekt in Kupferzell in Baden-Württemberg. Dieser Speicher fungiert als Sicherheitsnetz.

Sollte eine wichtige Stromleitung ausfallen, speist der Netzbooster in Millisekunden Energie ein. Das verhindert, dass das gesamte Netz instabil wird. Durch diese Technik können die vorhandenen Leitungen im Alltag höher ausgelastet werden, was teuren Netzausbau einspart.

Die Grenzen der Batterietechnik: Keine Lösung für die Dunkelflaute

Trotz aller Euphorie können Batterien nicht jedes Problem lösen. Ihre größte Schwäche ist die zeitliche Begrenzung. Batterien sind „zeitliche Brücken“ für Stunden, nicht für Wochen. Wenn im Winter tagelang kein Wind weht und die Sonne nicht scheint – die sogenannte Dunkelflaute –, reichen selbst die größten Batteriespeicher nicht aus.

Deutschland verbraucht pro Tag zwischen einer und zwei Terawattstunden Strom. Selbst wenn alle derzeit geplanten Speicher fertig wären, könnten sie diesen Bedarf nur für einen Bruchteil eines Tages decken. Für längere Zeiträume braucht es andere Lösungen, wie etwa Wasserstoffspeicher oder Gaskraftwerke, die mit Biogas oder Wasserstoff betrieben werden. Batterien sind hervorragend darin, kurze Schwankungen auszugleichen, aber sie sind kein Ersatz für saisonale Speicher.

Sicherheit und Risiken im Großmaßstab

Wo Zehntausende Batteriezellen in Containern stehen, steigen die Anforderungen an den Brandschutz. Ein Brand in einer solchen Anlage lässt sich kaum mit Wasser löschen. Im Januar 2025 brannte eine Anlage im kalifornischen Moss Landing tagelang. In Deutschland setzen Projektentwickler deshalb auf komplexe Überwachungssysteme. Sensoren messen ständig die Temperatur jeder einzelnen Zelle. Automatische Löschsysteme und eine bauliche Trennung der Container sollen verhindern, dass ein lokaler Defekt die gesamte Anlage zerstört.

Ein weiteres Risiko ist die Herkunft der Technik. Ein Großteil der Batteriezellen kommt aus China. Da man Batterien nicht öffnen kann, ohne sie unbrauchbar zu machen, ist die Qualitätskontrolle schwierig. Heiner Heimes von der RWTH Aachen gibt zu bedenken: „Man kann die Batterie nicht öffnen, ohne sie zu zerstören.“

Damit bleibt Deutschland bei einer Schlüsseltechnologie der Energiewende stark von Importen abhängig. Zwar entstehen in Europa erste eigene Fabriken, doch der Vorsprung der asiatischen Hersteller ist gewaltig.

E-Autos als dezentrale Speicherarmee

Neben den riesigen Containern auf Feldern und an Kraftwerken gibt es noch ein anderes Potenzial: die Millionen Batterien in Elektroautos. Wenn 20 Millionen Fahrzeuge jeweils einen Teil ihrer Kapazität zur Verfügung stellen würden, ergäbe das eine enorme Speichermenge. Der Vorteil ist, dass dieser Speicher bereits vorhanden ist und dezentral dort steht, wo der Strom gebraucht wird.

Doch der Weg dorthin ist steinig. Es fehlen einheitliche Standards und die Abrechnungsmodelle sind kompliziert. Zudem müssen die Autos mit dem Netz kommunizieren können. Technisch ist das „bidirektionale Laden“ möglich, doch der flächendeckende Einsatz lässt noch auf sich warten.

Der Ausblick: Was die Politik jetzt tun muss

Damit der aktuelle Boom nicht ins Stocken gerät, fordern Fachleute bessere Rahmenbedingungen. Derzeit liegen bei den Netzbetreibern Anträge für über 200 Gigawatt Speicherleistung vor. Das ist weit mehr, als aktuell benötigt wird. Viele dieser Projekte werden nie gebaut, weil der Anschluss an das Stromnetz das Nadelöhr ist. Die Genehmigungsverfahren dauern oft zu lange und die Kapazitäten der Umspannwerke sind begrenzt.

Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft sieht hier klaren Handlungsbedarf: „Jetzt ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen für Speicherbetreiber so zu verbessern, dass die hohe Investitionsbereitschaft auch wirklich zu einem starken Zubau der Speicherkapazitäten führt.“

Konkret geht es um die dauerhafte Befreiung von Netzentgelten und die Beschleunigung der bürokratischen Prozesse. Nur wenn der Netzausbau mit dem Bau der Speicher Schritt hält, kann die Technik ihren Nutzen voll entfalten.

Fazit für die Ingenieurpraxis

Der Boom der Batteriegroßspeicher ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine technische Notwendigkeit. Die Projekte im Jahr 2025 zeigen, dass wir die Phase der Experimente verlassen haben. Wir bauen nun die Infrastruktur für ein Stromsystem, das ohne fossile Brennstoffe auskommen muss.

Für Ingenieurinnen und Ingenieure bietet dieses Feld enorme Chancen, von der Entwicklung effizienterer Wechselrichter bis hin zur Planung komplexer Brandschutzsysteme. Doch man muss realistisch bleiben. Batterien stabilisieren das Netz und glätten die Preise, aber sie sind kein Allheilmittel.

Sie sind ein wichtiger Baustein in einem System, das auch weiterhin auf Netzausbau und Langzeitspeicher angewiesen ist. Florian Antwerpen von Kyon Energy fasst es treffend zusammen: „Wenn die Speicher sinnvoll ins Netz integriert werden, können sie für die Energiewende wahnsinnig viel leisten. Aber man muss auf dem Boden bleiben.“

FAQ: Häufige Fragen zu Batteriegroßspeichern

Können Batterien einen Blackout verhindern?

Ja, in begrenztem Maße. Großspeicher reagieren in Millisekunden auf Frequenzabweichungen und können so kurzfristig stabilisieren, bevor trägere Regelreserven (z. B. Kraftwerke) nachziehen. Für einen vollständigen Netzwiederaufbau („Black Start“) braucht es jedoch netzbildende Systeme – typischerweise grid-forming-Wechselrichter, die Spannung und Frequenz aktiv vorgeben.

Warum sind LFP-Batterien „besser“ als die in meinem Smartphone?

Smartphones setzen meist auf NMC-Zellen (hohe Energiedichte bei wenig Volumen). In stationären Großspeichern ist Platz weniger kritisch. Entscheidend sind hier Sicherheit (Thermal-Runaway-Risiko, Brandschutzkonzept) und Zyklenfestigkeit. LFP-Zellen punkten mit stabilerer
Chemie und typischerweise höherer Zyklenzahl – also geringeren Degradationskosten über die Lebensdauer.

Wie lange hält ein Großspeicher Strom vor?

Die meisten aktuellen Projekte sind auf etwa zwei bis vier Stunden Vollentladung ausgelegt. Damit verschieben sie Energie innerhalb des Tages (Peak Shaving, Intraday-Ausgleich) und liefern Regelenergie. Für saisonale oder mehrwöchige Speicherung sind sie wirtschaftlich und
energetisch nicht ausgelegt.

Verbrauchen diese Anlagen viel Fläche?

Im Vergleich zu Solarparks ist der Flächenbedarf gering. Ein Beispiel ist der Speicher in Bollingstedt: Er kann über 150.000 Haushalte für rund zwei Stunden versorgen und belegt dabei etwa 1,2 Hektar. Häufig entstehen solche Anlagen auf bereits versiegelten Arealen, etwa ehemaligen Kraftwerks- oder Umspannwerksflächen.

 

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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