Atomausstieg oder -einstieg? 01.12.2025, 18:14 Uhr

Atomkraft in Europa: Belgien steigt aus – andere Länder investieren Milliarden

Belgien nimmt Atomkraftwerke vom Netz, Frankreich und Polen bauen neue Reaktoren. Die Kernenergie spaltet Europa – ein Überblick.

Das AKW Doel bei Antwerpen im Mai 2025. Ende November ging hier der vorletzte Reaktor vom Netz. Foto: picture alliance / Zoonar/Zoonar.com/Werner LEROOY

Das AKW Doel bei Antwerpen im Mai 2025. Ende November ging hier der vorletzte Reaktor vom Netz.

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Atomkraft, auf Wiedersehen? Mit Doel 2 ist am 30. November 2025 das letzte belgische Atomkraftwerk der ersten Generation vom Netz gegangen. Gleichzeitig plant Frankreich sechs neue Reaktoren, Polen will 2028 mit dem Bau seines ersten AKW beginnen.

Grund genug für einen Überblick: Wie geht es in Belgien weiter, welche AKW sollen in Europa noch abgeschaltet werden, und wo kommen neue hinzu?

Welche Atomkraftwerke hat Belgien abgeschaltet?

Belgien hat 2025 gleich drei Reaktoren stillgelegt. Den Anfang machte im Februar Doel 1, im Oktober folgte Tihange 1. Am 30. November ging Doel 2 vom Netz, ein Zwillingsreaktor des im Februar gestoppten Doel 1. Alle drei Reaktoren erreichten rund 50 Jahre Betriebszeit. Sie gehörten damit zur allerersten Generation belgischer Kernkraftwerke.

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Übrig bleiben nur noch Doel 4 und Tihange 3 mit einer Gesamtleistung von etwa 2,2 GW. Beide sollen bis 2035 weiterlaufen. Für die Laufzeitverlängerung haben der belgische Staat und Betreiber Engie ein Joint Venture gegründet: Der Staat übernimmt den Atommüll gegen eine Zahlung von 15 Mrd. €.

Sprengung der Kühltürme des AKW Gundremmingen im Oktober 2025. Foto: picture alliance / CHROMORANGE/Walter G. Allgöwer

Sprengung der Kühltürme des AKW Gundremmingen im Oktober 2025.

Foto: picture alliance / CHROMORANGE/Walter G. Allgöwer

Wie viele Reaktoren gehen in Europa bis 2030 vom Netz?

Seit der Fukushima-Katastrophe im Jahr 2011 sind in der Europäischen Union, in Großbritannien und in der Schweiz bis Ende 2024 insgesamt 37 AKWs stillgelegt worden. Nach einer Auswertung des IWR (Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien) auf Basis von IAEA-Daten dürfte die Zahl der stillgelegten Reaktoren bis Ende 2030 auf 52 Steigen. Gesamtleistung: Rund 43 GW. Im gleichen Zeitraum sollen höchstens sechs neue Reaktorblöcke mit insgesamt etwa 7,3 GW ans Netz gehen.

Unterm Strich wird Europa im Jahr 2030 also rund 36 GW weniger Atomkraft betreiben als 2011. Ein Hauptgrund für die Stilllegungswelle: das Alter der Anlagen. Von den 114 Atomkraftwerken in Europa ist etwa die Hälfte bereits 40 Jahre und älter. Ihre ursprünglich geplante Betriebsdauer von 30 Jahren haben sie damit schon lange überschritten.

Welche Länder legen AKW still?

Das Länder-Ranking der AKW-Stilllegungen führt Großbritannien an, wie die IWR-Analyse zeigt. Demnach trennt sich das Vereinigte Königreich bis 2030 von insgesamt 18 Reaktoren. Dahinter folgen Deutschland (17), Spanien (5), Belgien (5), Schweden (4), Frankreich (2) und die Schweiz (1).

Der Trend geht also zur Abschaltung. Für IWR-Chef Norbert Allnoch ist daher klar: „Die Vorstellung einer raschen Renaissance der Atomenergie in Europa ist unrealistisch.“ Die „wachsende Atomlücke“ in der Stromversorgung könne nur durch einen „schnellen und massiven Ausbau erneuerbarer Energien“ geschlossen werden.

Wo entstehen neue AKW?

Trotzdem setzen mehrere Länder weiterhin auf den AKW-Neubau:

  • Frankreich plant sechs EPR-2-Reaktoren an den bestehenden Standorten Penly, Gravelines und Bugey. Allerdings verzögert sich das Programm: Der erste neue Reaktor wird wohl frühestens 2038 ans Netz gehen. Die endgültige Investitionsentscheidung soll EDF nach Gesprächen mit der EU 2026 treffen.
  • Polen will 2028 mit dem Bau seines ersten Kernkraftwerks beginnen. An der Ostseeküste nahe Danzig sollen drei Reaktoren des Typs AP1000 von Westinghouse und Bechtel entstehen. Der kommerzielle Betrieb ist für 2036 geplant – die Kosten schätzen Experten auf bis zu 47 Mrd. €.
  • Großbritannien baut in Hinkley Point C zwei EPR-Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 3,2 GW. Das Projekt sollte ursprünglich Mitte der 2020er fertig sein, aktuell wird 2030 angepeilt.
  • Die Niederlande planen laut Koalitionsvertrag zwei neue Kernkraftwerke. Die Regierung stellt dafür 5 Mrd. € bereit.
Bau des AKW Hinkley Point C in Großbritannien. Foto: picture alliance / empics/Ben Birchall/PA Wirepicture alliance / empics/Ben Birchall/PA Wire

Bau des AKW Hinkley Point C in Großbritannien.

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Was kosten die Neubauprojekte?

Europas AKW-Neubauten haben eines gemeinsam: Sie dauern länger und kosten mehr als geplant. Das zeigen Daten der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und Angaben der Betreiber. Einige Beispiele unterstreichen das:

Projekt Geplante Kosten Tatsächliche Kosten Geplante Bauzeit Tatsächliche Bauzeit
Flamanville 3 3,3 Mrd. € 23,7 Mrd. € (lt. frz. Rechnungshof, Prognose) 5 Jahre 2007-2024, 17 Jahre
Olkiluoto 3 (Finnland) 3,2 Mrd. € 11 Mrd. € 4 Jahre 2005-2023, 18 Jahre
Hinkley Point C (UK) 18–20 Mrd. £ 43-46 Mrd.  £ (Prognose) 10 Jahre Baustart 2017, Ende offen

Die hohen Kosten erfordern staatliche Absicherung. Eine von Greenpeace beauftragte Analyse kommt zu dem Schluss: Neue AKW finden nur dann Investoren, wenn der Staat einen Großteil der Risiken übernimmt.

Welche Rolle spielen kleine modulare Reaktoren?

Neben Großkraftwerken rücken Small Modular Reactors (SMR) zunehmend in den Fokus. Polen will in Włocławek Europas ersten SMR vom Typ BWRX-300 errichten. Geplanter Baubeginn: 2028. Großbritannien plant in Wylfa (Nordwales) bis zu acht Rolls-Royce-Module mit je 470 MW Leistung; Strom soll ab Mitte der 2030er fließen.

Allerdings: Weltweit speist noch kein einziges SMR-Projekt Strom ins Netz. Das US-Vorzeigeprojekt NuScale wurde 2023 gestoppt, nachdem die Kosten von 5,3 auf 9,3 Mrd. US-Dollar angestiegen waren. Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dämpfte angesichts dessen noch im Januar die Erwartungen:

Auch sogenannte Small Modular Reactor (SMR) sind keine Lösung, da sie ebenfalls hohe Kosten, Risiken und Bauzeiten aufweisen würden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sie kaum zu realisieren sind, es gibt keine technologischen Durchbrüche, die dies erwarten ließen. Es müssten tausende SMR gebaut werden, um die notwendigen Bedarfe zu decken, das ist im höchsten Maße unrealistisch, teuer und risikoreich.

Kommt die Atomkraft-Renaissance?

Belgien steigt aus, Polen und Frankreich investieren Milliarden. Doch führt das zu einer Trendwende? Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet ein globales Comeback der Atomkraft. Claudia Kemfert widerspricht: „Die angeblichen Comeback-Indikatoren der IEA sind nicht durch Fakten gedeckt.“

Ihre Rechnung: Bis 2040 gehen weltweit rund 200 Atomkraftwerke vom Netz. Dem stehen lediglich 53 laufende Neubauprojekte gegenüber, fast alle davon in China. In Europa verzögern sich Projekte regelmäßig um mehr als zehn Jahre, die Kosten übersteigen die Planungen oft um ein Vielfaches. Ihr Fazit: „Atomenergie ist enorm teuer, risikoreich und löst den Bedarf an zusätzlichem Strom nicht.“

Die Milliarden fließen trotzdem. Ob sie sich auszahlen, steht auf einem anderen Blatt. Denn während die Atomkapazität schrumpft, befinden sich in Europa über 600 GW an Wind- und Solarkraftwerken im Bau oder in Planung. Das ist mehr als das Vierzehnfache der nuklearen Pipeline.

Ein Beitrag von:

  • Magnus Schwarz

    Magnus Schwarz schreibt zu den Themen Wasserstoff, Energie und Industrie. Nach dem Studium in Aachen absolvierte er ein Volontariat und war mehrere Jahre als Fachredakteur in der Energiebranche tätig. Seit Oktober 2025 ist er beim VDI Verlag.

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