Deutsches Bekenntnis sorgt Quantentechnikbranche 03.07.2025, 17:59 Uhr

Quantenstrategie: EU will globale Führungsrolle

Die EU-Kommission hat ihre Quantenstrategie vorgestellt. Ziel: globale Führungsrolle bis 2030. Derweil droht nach 2027 in Deutschland der technologische Fadenriss.

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Symbolbild für Quantencomputerkonzepte: Die EU-Kommission hat eine „Quantenstrategie“ vorgestellt. Ziel: eine neue globale Führungsrolle bis 2030. Derweil droht nach 2027 in Deutschland der technologische Fadenriss.

Foto: PantherMedia / Funtap

China und die USA stehen an der weltweiten Spitze, wenn es um die Mittel geht, die in die Entwicklung von Quantentechnologie gehen. Die EU steht zurück, und das, obwohl die Gemeinschaft mit 26 % der Quantentechnologie-Unternehmen global gesehen die größte Anzahl an Firmen stellt. Mit einer neuen „Quanten-Europa-Strategie“ will Brüssel jetzt dagegen halten.

Möglich machen soll das die Konzentration auf fünf miteinander verbundene Bereiche (s. unten). Mit Blick auf die letzten Wochen ist der EU-Vorstoß überfällig. Auf der Messe „World of Quantum“ letzte Woche in München war die Übernahme des Quanten-Start-ups Oxford Ionics durch den US-Konkurrenten IonQ für satte 1 Mrd. $ am ersten Messetag (24. Juni) immer wieder ein Thema.

Quantentechnologie: Deutschland ist EU-weit führend, es droht aber ein Fadenriss bei der Förderung

Gleichzeitig wurde in München deutlich: Deutschland, das in der EU über 60 % zur gesamten öffentlichen EU-Quantum-Förderung beiträgt, ist entscheidend. Wie sich in den letzten Jahren durch die etwa eine halbe Milliarde Euro schwere Förderung in Quantentechnologie mittlerweile um die Technologie-Start-ups ein Zuliefer-Ökosystem aufbaut, war gut zu sehen.

Das Problem: 2027 läuft die Förderung aus. Was dann? Zu glauben, dass dann alles von selbst läuft, wäre fahrlässig. Diese Antwort kann nicht allein aus der EU mit einer Quantenstrategie kommen. Vielmehr muss die Bundesregierung de facto bis Jahresende entscheiden, wie es weitergehen soll. Und zwar mit Finanzierung hinterlegen. Warum? Private Geldgeber investieren nicht in junge Technologieunternehmen, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen, und der Regelsetzer durchblicken lässt, dass er kein Interesse mehr hat. Genau diese Debatte aber wurde in München geführt. Es gab ein großes Bekenntnis zur bisherigen deutschen Quantenstrategie, aber bei allem: eine unsichere Perspektive.

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EU-Quantenstrategie: Wie Europa den Anschluss halten will

Die EU-Kommission klagt, die Staatengemeinschaft hinke „derzeit hinterher, wenn es darum geht, ihre Innovationsfähigkeiten und ihr künftiges Potenzial in reale Marktchancen umzusetzen, während sie gleichzeitig mit einer Fragmentierung der Strategien und Fahrpläne in den Mitgliedstaaten zu kämpfen hat“. Sprich: Jede Nation will selbst weltweit vorne mit an der Spitze stehen. Das Beispiel der ESA, die 2025 50 Jahre alt geworden ist, sollte eigentlich zeigen, dass es besser zusammen geht. Ebenso wie im unternehmerischen Bereich, Airbus.

Die Strategie konzentriert sich offiziell auf fünf miteinander verbundene Bereiche:

  • Forschung und Innovation: Konsolidierung der Exzellenz in ganz Europa, um in der Quantenwissenschaft und ihrem industriellen Wandel führend zu sein
  • Quanteninfrastrukturen: Entwicklung skalierbarer, koordinierter Infrastruktur-Hubs zur Unterstützung von Produktion, Design und Anwendungsentwicklung
  • Stärkung des Quantenökosystems: durch Investitionen in Start-ups und Scale-ups, Sicherung der Lieferketten und Industrialisierung von Quantentechnologien
  • Weltraum- und Dual-Use-Quantentechnologien (Sicherheit und Verteidigung): Integration sicherer, souveräner Quantenkapazitäten in die Weltraum-, Sicherheits- und Verteidigungsstrategien Europas
  • Quantenkompetenzen: Aufbau vielfältiger Arbeitskräfte von Weltrang durch koordinierte allgemeine und berufliche Bildung und Mobilität von Talenten in der gesamten EU.

EU-Quantenstrategie soll mehr Geld durch private Investoren anlocken

Die EU-Technologie-Kommissarin Henna Virkkunen sagte bei der Vorstellung der Quantenstrategie: „Nur 5 % der weltweiten privaten Investitionen in Quanten fließen derzeit nach Europa.“ Die EU will gezielt mehr privates Kapital anziehen, da die öffentliche Förderung des Sektors – siehe Deutschland – mit über 11 Mrd. € in den vergangenen fünf Jahren bereits recht stark ist.

Und das Privatkapital macht notfalls den entscheidenden Unterschied: Bei der Übernahmen von Oxford Ionics durch InoQ standen sich zwei ungleiche Partner gegenüber. Während die Briten bis dahin etwas mehr als 50 Mio. $ an privatem Kapital seit Gründung auf die Waage brachten, waren es bei IonQ fast 700 Mio. $. Im März dieses Jahres waren gerade erst noch einmal 372 Mio. $ an privatem Geld hinzugekommen. Virkkunen warnte daher auch, Europas Quanten-Start-ups seien gefährdet, von ausländischen Unternehmen aufgekauft zu werden oder in Regionen mit besserer Finanzierung abzuwandern. Die EU will daher gezielte Unterstützungsmaßnahmen ergreifen.

Quantenstrategie soll durch einen Quantum Act wasserfest werden

Damit die veröffentlichte Quantenstrategie auch auf die Straße kommt, will die EU 2026 mit dem „Quantum Act“ ein Gesetz vorschlagen, dass die Umsetzung weiter beschleunigt. Zudem solle das Geld demnach fokussiert vor allem in Schlüsselbereiche wie Quantenchips, Start-ups und das Quanteninternet fließen.

Daher wird sich hoffentlich auch die Bundesregierung zeitig positionieren, um die Unsicherheit in der noch jungen Branche zu beseitigen. Den Aufbau eines funktionierenden Ökosystems aus Hightech-Champions mit Zulieferern zu etablieren, ist nicht so einfach. Jahrzehntelange Förderung im Bereich Photonik in Deutschland hat aber langfristig hierfür die Voraussetzungen geschaffen. Da sind etablierte Mittelständler plötzlich mittendrin im Quantenkosmos. Eine sehr gute Voraussetzung, dass sich ein neuer Industriezweig etabliert.

Die Bundesregierung sollte daher schnellstens Klarheit schaffen. Hier schlummern die attraktiven Jobs des wichtigsten Technologiesektors von morgen.

Quantentechnologie: Wohin welches Geld fließt?

Das European Centre for International Political Economy (ECIPE) hat einen hervorragenden Überblick zusammengestellt, wo derzeit wer welches Geld in den Kosmos der Quantentechnologie steckt. Die Studie „Benchmarking der Leistung der Quantentechnologie: Regierungen, Industrie und Wissenschaft und ihre Rolle bei der Gestaltung unserer technologischen Zukunft“ von Anfang März 2025 dröselt bis hin zu den am besten finanzierten Unternehmen den Finanzsektor zur Quantentechnik auf.

Für Sie hier ein kurzer Querleseservice:

  • Staatliche Finanzierung: Mit rund 15 Mrd. $ (bis 2024) ist China weltweit führend, die EU kommt auf 11 Mrd. $ (davon Deutschland: 6 Mrd. $), die USA auf 5 Mrd. $.
  • Private Investments: Da liegen die USA mit 44 % des Weltmarktanteils vorn, in China sind es noch 17 %, für die EU finden sich Angaben zwischen 5 % und 12 % – je nach Quelle. Insgesamt, so McKinsey, seien weltweit 2024 rund 2 Mrd. $ in Quantum-Start-ups investiert worden, davon etwa 1,3 Mrd. $ aus dem privaten Sektor (Venture Capital, Private Equity).
  • Am besten finanzierte Unternehmen im Quantensektor: Spitzenreiter ist PsiQuantum mit 1,784 Mrd. $ (USA). Unter den Top Ten sind weitere vier Unternehmen aus den USA, vier stammen aus China, zwei aus Kanada. Das am besten finanzierte europäische Start-up ist laut ECIPE IQM Quantum Computers aus Finnland mit 226,2 Mio. $.
  • Besonderheiten: Großbritannien hat in Prozent des Bruttosozialproduktes mit 0,18 % die höchsten Investitionen in die Quantentechnologien, China weist mit rund 18 Mrd. $ das absolut höchste Investment auf (beides privat wie staatlich zusammen).

Ein Beitrag von:

  • Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder ist Technik- und Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Energie, Klima und Quantentechnologien. Grundlage hierfür ist sein Studium als Physiker und eine anschließende Fortbildung zum Umweltjournalisten.

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