Wohnraummangel bedroht Arbeitsmarkt 08.09.2025, 08:30 Uhr

Wohnungsnot trifft Arbeitnehmer hart

Steigende Mieten und fehlende Wohnungen verschärfen den Fachkräftemangel – Firmen reagieren mit Mitarbeiterwohnungen und Unterstützung bei der Wohnungssuche.

Wohnung

Wohnraummangel in Deutschland: Wie Mitarbeiterwohnungen zum Arbeitgeber-Vorteil werden.

Foto: PantherMedia / BrianAJackson

Ein neuer Job klingt erst mal super: spannende Aufgaben, gutes Gehalt, tolle Chancen. Doch oft gibt es einen Haken – die Wohnung. Gerade in großen Städten verschlingt die Miete schnell einen großen Teil des Einkommens. Da fragen sich viele: Lohnt sich der Umzug überhaupt?

Tatsächlich wird bezahlbarer Wohnraum immer knapper, besonders, wie bereits erwähnt in Ballungsgebieten. Aber gerade da gibt es lukrative Jobs.
Viele Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitende inzwischen aktiv bei der Wohnungssuche, manche sogar mit eigenen Immobilien. Denn sie können es sich kaum leisten, qualifizierte Bewerbende zu verlieren, nur weil sie keine passende Wohnung für sich und ihre Familien finden.

Wohnungsmangel verschärft Fachkräfteproblem

In Deutschland fehlen derzeit rund 600.000 Wohnungen. Ohne Gegenmaßnahmen könnte sich diese Lücke bis 2027 auf etwa 830.000 erhöhen. Es wird dadurch für Arbeits- und Fachkräfte immer schwieriger, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Auch kleinere Städte in Urlaubsregionen und ländliche Orte sind betroffen: Dort fehlen Wohnungen in Arbeitsplatznähe, und Bus, Bahn oder Radwege sind oft schlecht ausgebaut.

Eine aktuelle Studie zu Mitarbeiterwohnungen zeigt die Folgen für den Arbeitsmarkt: 82 % der befragten Unternehmen in Deutschland sehen im Wohnungsmangel ein zentrales Hindernis bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

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Wohnungsnot und Jobwechsel: Ergebnisse der PwC-Umfrage

In den Top-12-Städten Deutschlands herrscht große Unzufriedenheit mit Mietpreisen, der Zahl verfügbarer Wohnungen und den Kosten für Wohneigentum. Durchschnittlich neun von zehn Berufstätigen halten es für reines Glück, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Besonders in Städten wie Stuttgart und München können sich nur Topverdiener*innen Wohnraum leisten. Die Situation außerhalb der großen Städte wird als entspannter empfunden, doch berufsbedingte Umzüge werden stark durch die Länge des Arbeitsweges beeinflusst.

Berufstätige in Berlin und Hamburg pendeln am längsten, sind aber bereit, auch längere Wege in Kauf zu nehmen. Aufgrund der angespannten Wohnsituation fällt es Arbeitgebern besonders in Ballungsräumen wie München, Stuttgart und Bremen schwer, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.

„Wenn jemand an großen Automobilstandorten wie Stuttgart, Wolfsburg oder Leipzig entlassen wird und mit der Familie seit Jahrzehnten in der Region lebt, dann ist ein Umzug oft gar nicht möglich. Bei einem Gehalt von etwa 6.000 Euro brutto, hohen Mieten, hoher Abgabenlast und statistisch sowieso geringen Ersparnissen ist das kaum machbar. Der Spruch „Zweimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt“ trifft da oft zu. Deshalb ist vielen ein Umzug einfach auch finanziell nicht unbedingt zuzumuten“, sagte der erfahrene Executive Recruiter Oliver Kempkens im ingenieur.de-Interview.

Maßnahmen gegen den Wohnraummangel

Viele Beschäftigte blicken mit Sorge auf steigende Mieten und fehlende Wohnungen. Als mögliche Gegenmaßnahmen werden vor allem genannt:

✔️ Zuschüsse des Arbeitgebers oder Übernahme von Fahrtkosten
✔️ Wohnungsbauprogramme für kleine und mittlere Einkommen
✔️ Umwandlung leerstehender Büroflächen in Wohnraum
✔️ Verschärfung der Mietpreisbremse

Kommunen und Unternehmen suchen gemeinsame Lösungen

Laut Leon Kesselhut vom Beratungsunternehmen Regiokontext bleibt das Thema Mitarbeiterwohnungen auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig. Er sagte, nicht nur Firmen, sondern auch Verbände und Industrie- und Handelskammern beschäftigten sich damit – und auch das Bundesbauministerium sei stark engagiert.

„Kommunen kommen inzwischen genauso oft wie Unternehmen auf uns zu, um mit uns einen Strategieprozess zu entwickeln, gesamtstädtisch oder zu einer konkreten Liegenschaft“, sagte Kesselhut gegenüber der dpa.

Über das Planungsrecht hätten die Kommunen ein wichtiges Mittel in der Hand, um Flächen für neue Mitarbeiterwohnungen bereitzustellen. Dabei hätten sie auch aus Gründen der Daseinsvorsorge ein starkes Interesse daran.

Der Experte von Regiokontext betonte außerdem, dass Unternehmen wegen des demografischen Wandels unabhängig von der wirtschaftlichen Lage dafür sorgen müssten, dass sich Fachkräfte für sie entscheiden.

Bezahlbarer Wohnraum als Wettbewerbsvorteil für Arbeitgeber

Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten eine bezahlbare Wohnung vermitteln oder bereitstellen können, haben einen klaren Vorteil. Der Zentrale Immobilienausschuss erklärte auf Anfrage der dpa, dass die Möglichkeit, am Arbeitsort angemessen zu wohnen, immer häufiger ein entscheidender Faktor bei der Wahl des Arbeitgebers sei. Als Beleg verwies der Verband auf eine Umfrage des Beratungskonzerns PWC aus dem Jahr 2023.

Daraus ging hervor, dass mehr als jeder zehnte Beschäftigte wegen zu hoher Mieten bereits einmal den Arbeitsplatz gewechselt hatte. Zudem waren über 80 % der Befragten der Meinung, dass die Wohn- und Mietsituation ein großes Hindernis für Unternehmen darstellt, um Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu halten.

„Das Konzept des Mitarbeiterwohnens hat sich, genauso wie der Arbeitsmarkt generell, mit den Jahren sehr verändert. In der Vergangenheit waren Werkswohnungen überwiegend für blue-collar-Berufe gedacht. Heute gibt es Mitarbeiterwohnen für internationale Konzerne für white-collar-Berufe. Was in den Hot Spots der Techno-Konzerne z.B. im Silicon Valley seit Jahrzehnten zum Standard der Ausstattung für einen Arbeitsplatz und der Bindung von Arbeitnehmern gilt, schwappte ansatzweise schon in den frühen 2000ern nach Deutschland rüber. Seitdem spricht man bereits von einer Renaissance von Werkswohnungen“, heißt es im Positionspapier des ZIA zum Mitarbeiterwohnen.

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Unternehmen helfen – aber längst nicht alle

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat 2024 im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung untersucht, wie stark Firmen ihre Beschäftigten beim Thema Wohnen unterstützen. Ergebnis: Mehr als eine halbe Million Unternehmen in Deutschland helfen direkt oder indirekt bei der Wohnraumversorgung. Das entspricht knapp 17 % aller Betriebe.

Rund 170.000 Unternehmen, bzw. gut 5% stellen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sogar direkt Wohnraum zur Verfügung. Dennoch zeigt die Studie auch: Die große Mehrheit der Firmen bietet bislang keine Unterstützung an.

Firmen suchen kreative Wege für Mitarbeiterwohnungen

Unternehmen können eigene Wohnungen bauen und vermieten – doch Bauflächen sind knapp und teuer. Firmen mit großen Werksgeländen oder Gebäuden, die sich umwidmen lassen, sind im Vorteil. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) erklärte, dass sich Betriebe inzwischen mit verschiedenen Möglichkeiten beschäftigen, ihren Beschäftigten Wohnraum anzubieten. Neben eigenen Immobilien könnten sie auch Wohnungen anmieten und per Belegrecht zu günstigeren Konditionen an Mitarbeiter weitergeben.

Ein Beispiel dafür ist die Deutsche Bahn. Sie unterstützt ihre Angestellten bei der Wohnungssuche und stellt in Städten wie Hamburg, München oder Köln rund 500 Plätze in möblierten Apartments und Wohnheimen bereit. Außerdem hat das Unternehmen Partnerschaften geschlossen, die Beschäftigten einen leichteren Zugang zu Wohnungsbesichtigungen und Mietwohnungen ermöglichen.

Besonders im angespannten Wohnungsmarkt von München habe sich die Bahn etwa 120 Belegungsrechte gesichert, damit Mitarbeitende dort ein Zuhause finden können. Trotz ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten wolle die DB an diesen Unterstützungsangeboten festhalten.

Mitarbeiterwohnungen haben Tradition

Wer Wohnraum für Beschäftigte schaffen will, muss langfristig denken und darf sich nicht nur an Konjunkturschwankungen orientieren, betonte Regiokontext-Berater Leon Kesselhut. Ein Blick in die Geschichte zeige, dass große Industriekonzerne wie Siemens oder BASF schon im 19. und frühen 20. Jahrhundert ganze Arbeitersiedlungen errichten ließen. Auch Volkswagen sei seit Jahrzehnten aktiv.

In Berlin entstand so die Siemensstadt, in Ludwigshafen baute BASF unter anderem die Hohenzollern-Höfe und die Hemshof-Siedlung. Schon damals sollten die Wohnungen dazu beitragen, die Arbeiter an das Unternehmen zu binden. Bis heute haben die Konzerne eigene Bereiche, die sich um das Thema kümmern. Angesichts des Fachkräftemangels werden sich künftig noch mehr Betriebe mit eigenen Wohnkonzepten befassen müssen.

Mitarbeiterwohnungen: ZIA-Forderungen und Lösungsansätze

Die Bereitstellung von Mitarbeiterwohnungen ist für viele Unternehmen mit finanziellen und rechtlichen Hürden verbunden. Der ZIA  betont, dass die Rahmenbedingungen an den modernen Arbeits- und Wohnungsmarkt angepasst werden müssen, damit Wohnraum schneller und effizienter bereitgestellt werden kann.

Wichtige Forderungen betreffen die Nutzung von Flächen und Gebäuden: Unternehmen sollen bestehende Firmengelände und leerstehende Bürogebäude einfacher in Wohnraum umwandeln dürfen. Bauland für Mitarbeiterwohnungen sollte direkt in der Nähe von Arbeitsplätzen ausgewiesen werden, Umbauten und Umnutzungen erleichtert und die Planung und Genehmigung beschleunigt werden.

Steuerliche Anreize und Förderprogramme sollen das Mitarbeiterwohnen attraktiver machen. Dazu gehören:

  • Ausweitung der lohnsteuerlichen Sachbezugsbegünstigung
  • Senkung der Grunderwerbsteuer für Share Deals
  • Einführung einer Sonder-AfA oder Anpassung bestehender Förderprogramme
  • Transparenz und Anpassung der Einkommensgrenzen für Förderungen

Darüber hinaus fordert der ZIA weitere Erleichterungen:

  • Pauschale Nebenkostenabrechnungen für kurzzeitige Mietverhältnisse
  • Flexiblere Miet- und Arbeitsvertragsregelungen für Mitarbeiterwohnungen
  • Abschaffung starrer Vorgaben wie Drittelmix oder städtebauliche Wettbewerbe
  • Nutzung serieller, modularer und systemischer Bauweisen
  • Klare baurechtliche Regelungen für Serviced Apartments

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Alexandra Ilina ist Diplom-Journalistin (TU-Dortmund) und Diplom-Übersetzerin (SHU Smolensk) mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung im Journalismus, in der Kommunikation und im digitalen Content-Management. Sie schreibt über Karriere und Technik.

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